Postgesetz im Bundestag
Von Alexander ReichAm Mittwoch abend sollte im Bundestag über ein Gesetz beraten werden, das die Bundesregierung »zur Modernisierung des Postrechts« ersonnen hat. »Modernisierung« in Richtung Schneckenpost. Briefe müssen nicht mehr bis zum nächsten oder übernächsten Tag zugestellt werden, sondern erst »an dem dritten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag« (oder »zu 99 Prozent« am vierten).
Die verlängerten »Laufzeitvorgaben« (Paragraph 18) stehen in der Regierung außer Diskussion. Ergänzen will sie nach eigenem Bekunden noch, dass Tageszeitungen »regelmäßig am Erscheinungstag« zugestellt werden sollen. Laut Entwurf wären sie nur »im Rahmen des betrieblich Zumutbaren bedarfsgerecht zu befördern«. Hier hatte der Bundesrat auf eine Ergänzung zum Schutz der Presse gedrängt.
Außerdem fordert die Länderkammer »ein Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal im Kernbereich der Zustellung auf der sogenannten letzten Meile«. Gerade hier würden Subunternehmen in erster Linie beauftragt, um arbeitsrechtliche Vorgaben zu umgehen, lautet die stichhaltige Begründung. Aus Sicht der Bundesregierung ist ein solches Verbot allerdings »nicht erforderlich«.
Damit »droht eine Fortsetzung des systematischen Rechtsbruchs«, sagt Frank Bsirske, ehemaliger Verdi-Chef und aktuell Bundestagsabgeordneter der Grünen. Die Behörden könnten die Branche kaum kontrollieren. Tausende Subunternehmen seien für die großen Paketdienstleister tätig, oft in undurchschaubaren Subsubunternehmerketten, so Bsirske. Viele Beschäftigte kämen aus Osteuropa und hätten Verträge mit mehreren Firmen, etwa für die Verladung und die Zustellung. 14-Stunden-Tage seien keine Seltenheit, genauso Dumpinglöhne, Schlafen in den Fahrzeugen und einige Grausamkeiten mehr.
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff will die Weitergabe von Aufträgen an andere Firmen am liebsten für die Branche generell verbieten, zumindest mit der nochmaligen Weitergabe an Subsubunternehmen soll Schluss sein. Aber nicht mit Reinhard Houben, der für die FDP im Parlament sitzt: »Ein Verbot von Subunternehmen wäre Gift für den Wettbewerb in der Paketbranche«, sagt der Liberale. Auch der Abschluss von Subsubkontrakten sei in bestimmten Fällen unternehmerisch sinnvoll.
Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (Biek) hält die inkriminierten Vertragspartnerschaften mit Subunternehmen sogar für »unverzichtbar für die Paketbranche«. »Die unternehmerische Kreativität Tausender Vertragspartner trägt dazu bei, dass Arbeitsplätze geschaffen werden«, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands – und sei es durch Ausbeutung zum Hungerlohn.
Der Marktführer DHL steht in diesem Fall auf der Seite von SPD und Grünen und plädiert für ein Verbot von Subsubunternehmen. Mit solchen Vertragskonstruktionen will der Bonner Monopolist nie etwas zu tun gehabt haben. Nur etwa zwei Prozent seiner Pakete lässt er von Subunternehmern befördern. Auch ein generelles Verbot wäre für DHL also zu verschmerzen.
Nach der Diskussion im Bundestag sollte der Gesetzentwurf in die Ausschüsse überwiesen werden. Unter Leitung des Wirtschaftsausschusses soll die Modernisierung der Post nun bis zum Frühjahr zur Gesetzeskraft gebracht werden.
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