junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 11. / 12. Mai 2024, Nr. 109
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
23.06.2017, 18:18:01 / Sommer des Widerstands

NATO, RAF und Pflaumen im Korb

Franz Josef Degenhardt: Brandstellen
Von Christof Meueler
SdW_Brandstellen_700 x 410.png

Wenn die Lieder nicht gereicht haben, hat der 2011 verstorbene Liedermacher Franz Josef Degenhardt Romane geschrieben. Insgesamt acht Stück. »Brandstellen« ist sein zweiter Roman von 1975. Es geht um die Protestszene in den Siebzigern vor der Erfindung der alles und jeden beruhigenden Grünen. Die Hauptfigur Bruno Kappel fasst die »Stimmung der Saison« im postfaschistischen Westdeutschland unter Helmut Schmidt zusammen: »Neopragmatismus: das Machbare machen und das Nötige notfalls mit Mafia-Mitteln, im übrigen halbrechts und abwarten.« SPD, wie sie leibt und lebt. Kann man es besser sagen? Kann man, der ultimative Antisozihit heißt immer noch »Verteidigung eines alten Sozialdemokraten«, stammt aus dem Jahr 1968 – und von Degenhardt.

Der war gelernter Rechtsanwalt und zeichnet Kappel als arroganten linksliberalen Anwalt, voller Zynismus und Sexismus im BMW, der kathartische Momente erlebt, als er seinen Geburtsort besucht. Er sucht seine frühere Freundin, die nun bei der RAF ist, verliebt sich aber in eine junge Frau, eine fast schon heilige Kommunistin, die auch noch Maria heißt und Kappel wieder auf die Füße stellt. Er wirkt ein bisschen wie einer dieser fertigen Privatdetektive der »Schwarzen Serie«, nur dass er im Ruhrgebietskaff die Wirkmächtigkeit linker Strategien untersucht.

Vor Ort soll ein NATO-Truppenübungsplatz gebaut werden. Hierfür muss ein Campingplatz weichen, was eines dieser berühmten breiten Bündnisse aus SPD, DKP, Gewerkschaften und Jugendgruppen verhindern will. Es wird viel diskutiert. Zudem liefert Degenhardt essayistische Skizzen von Boheme und Bourgeoisie, denen er eine proletarische Gemütlichkeit entgegenstellt. Er verwahrt sich gegen den Hass auf »das gemeine Volk«, hinter dem sich meist Autoritarismus versteckt. Bei Degenhardt geht es um helle Kneipen und dunkle Kneipen, um Entspannung draußen auf dem Land vor einem »Spankorb voll Pflaumen«. Es wird auch gerne schwimmen gegangen. Und neben der ganzen Lebenspracht thematisiert er die in dieser Gesellschaft stets verleugneten Klassenstrukturen, immer wieder.

Sommer des Widerstands: Jetzt die junge Welt drei Monate für 62 Euro (statt 110,20 Euro) lesen! Hier bestellen. Das Abo endet automatisch.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.