Bühne für Siedler
Von Nathaniel Flakin
Unter dem Deckmantel, Projekte gegen Antisemitismus zu fördern, haben Berliner Unionspolitiker mehrere Millionen Euro an dubiose Vereine mit Verbindungen zur CDU verteilt. Auch wenn Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen inzwischen einen Untersuchungsausschuss beantragt haben, bleibt ein Aspekt der Affäre bisher unbeleuchtet: Die Hälfte der Gesamtsumme, 1,4 Millionen Euro, floss an die »Nova Music Festival Exhibition« im ehemaligen Flughafen Tempelhof, die dieses Wochenende zu Ende geht.
Ende vergangenen Monats wurde Elkana Federman im Flughafengebäude als »Held des 7. Oktobers« gefeiert. Der radikale Siedler und Soldat des israelischen Militärs postet Videos von sich selbst auf Social Media, wie er palästinensische Gefangene mit einem Hund foltert, und brüstet sich damit im israelischen Fernsehen. Er ist führendes Mitglied der Gruppe »Tzav 9«, die sich zum Ziel setzte, die ohnehin begrenzten, von der israelischen Regierung genehmigten Hilfslieferungen nach Gaza zu blockieren. »Tzav 9« steht seit letztem Jahr wegen »schwerer Menschenrechtsverletzungen« auf der Sanktionsliste der EU und der USA. Gegen Federman wurde unter anderem von der Anwältin Melanie Schweizer Strafanzeige gestellt, das beeindruckt den Siedler aber nicht. Während seines Besuchs in Berlin schrieb Federman auf der Onlineplattform Instagram: »Antisemiten und Pro-Araber rufen dazu auf, mich in Deutschland festzunehmen – nur zu!«
Federman kommt aus einer Familie mit langer faschistischer Tradition. Sein Vater Noam, Siedler in der palästinensischen Stadt Hebron, war einst Sprecher der kahanistischen Kach-Partei, die 1994 wegen terroristischer Aktivitäten verboten wurde. Federmans Großvater war Mitglied der auch als Stern-Bande bekannten Lechi-Gruppe: zionistische Faschisten, die eine Zusammenarbeit mit Nazideutschland anstrebten, Massaker in palästinensischen Dörfern verübten und 1948 den schwedischen UN-Vertreter Folke Bernadotte ermordeten.
Ein Auftritt Elkana Federmans – mit Geldern des Berliner Senats? Auf Anfrage von junge Welt erklärte Gerhard Kämpfe von der Firma First Music Production (Veranstalter der Nova-Ausstellung) am Donnerstag, die »privaten Partner und öffentlichen Förderer« der Ausstellung hätten »die Reise von Elkana Federman nach Berlin nicht bezahlt«.
Doch die Sanktionen betreffen nicht nur Geldüberweisungen, sondern jegliche wirtschaftlichen Ressourcen, die direkt oder indirekt fließen. Schon die Miete für den Raum, in dem eine sanktionierte Gruppe sprechen darf, ist juristisch heikel. Nadija Samour, Berliner Anwältin beim European Legal Support Centre, erklärte am Mittwoch gegenüber jW, dass das gesamte Geld »kontaminiert« wird, sobald irgendeine wirtschaftliche Beziehung mit sanktionierten Gruppen eingegangen wird. »Die öffentlichen Gelder, welche vorgeblich für den Kampf gegen Antisemitismus bereitgestellt wurden, wurden hier sehr wahrscheinlich genutzt, um Kriegsverbrechern eine Bühne zu geben«, sagte Samour.
Wie einige der von der CDU geförderten Vereine hat auch First Music Production keine funktionierende Website und kein offizielles Impressum. jW erreichte sie über die Kanzlei ihres Geschäftsführers, des Insolvenzverwalters Knut Rebholz. Die Frage, wie ein Insolvenzverwalter an die 1,4 Millionen Euro für die Ausstellung kam, beantworteten weder er noch der Senat.
Am Donnerstag war auch Maral Salmassi zur Nova-Ausstellung eingeladen. Die Musikerin, die mit rechten Verschwörungsvideos auf Social Media auffällt, ist Gründerin des noch im Entstehen begriffenen »Zera Institute«, das mit 390.000 Euro vom Berliner Senat finanziert wird. Salmassi ist zudem aktiv bei der CDU in Lichterfelde, zusammen mit dem CDU-Haushaltspolitiker Christian Goiny, der als Drahtzieher der Fördergeldaffäre gilt.
Insgesamt verweigerte die Senatsverwaltung für Kultur jede Auskunft zur Nova-Ausstellung. Der Flughafen Tempelhof sieht sich laut Aussage einer Sprecherin vom Mittwoch nicht dafür zuständig, zu prüfen, ob in seinen Räumen Gesetze eingehalten werden.
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