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Aus: Ausgabe vom 08.10.2025, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Southeast Asia Treaty Organization (SEATO)

Von Jörg Kronauer
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Die USA waren die treibende Kraft hinter dem Militärbündnis. SEATO-Generalsekretär Pote Sarasin mit John F. Kennedy

Es gab sie einst, die asiatische NATO, von der seit geraumer Zeit immer wieder die Rede ist. Ely Ratner etwa, ein ehemaliger Pentagon-Spitzenfunktionär unter Joe Biden, forderte im Sommer in der Zeitschrift Foreign Affairs, es sei »Zeit für die Vereinigten Staaten, ein kollektives Verteidigungsbündnis in Asien zu gründen«. Anders werde es nicht möglich sein, der »wachsenden Bedrohung durch China« zu begegnen. Ratner erwähnte in seinem Beitrag auch das Bündnis, das vor gut 70 Jahren als asiatisches Äquivalent zur NATO geschaffen worden war: die SEATO. Von ihr aber distanzierte er sich. Aus gutem Grund.

Die Southeast Asia Treaty Organization (SEATO) wurde formal mit der Unterzeichnung des Southeast Asia Collective Defense Treaty am 8. September 1954 in Manila und praktisch am 19. Februar 1955 bei einem Treffen der Mitgliedstaaten in Bangkok gegründet, wo sich fortan das Hauptquartier der Organisation befand. Treibende Kraft waren die USA, die fürchteten, nach dem Erfolg der Revolution in China, dem Sieg des Sozialismus in Nordkorea und der Niederlage Frankreichs in Vietnam werde sich der Kommunismus in Asien sukzessive ausbreiten. Um dagegen vorzugehen, stießen sie die Etablierung eines antikommunistischen Militärbündnisses nach dem Vorbild der NATO an. Es beteiligten sich die (Ex-)Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich und Australien, zudem Neuseeland und Pakistan. Aus Südostasien waren lediglich die US-Verbündeten Thailand und Philippinen involviert.

Als erfolgreich erwies sich die SEATO für die Vereinigten Staaten vor allem beim Bestreben, ihre Teilnahme am Vietnamkrieg zu legitimieren: Südvietnam durfte zwar aufgrund der Bestimmungen der Genfer Indochinakonferenz von 1954 dem Bündnis nicht beitreten, wurde aber unter dessen Schutzschirm gestellt, weswegen das SEATO-Mitglied USA an seiner Seite kämpfen durfte, jedenfalls nach Washingtons Interpretation.

Ansonsten erfüllte die SEATO nicht, was sich ihre westlichen Mitglieder erhofft hatten. Militärisch blieb sie schwach, weil sie anders als die NATO keine integrierten Kommandostrukturen aufbaute und über gelegentliche gemeinsame Manöver nicht hinauskam. Politisch fiel ihr in der damaligen Phase der Entkolonialisierung die Tatsache auf die Füße, dass sich in ihr vier (Ex-)Kolonialmächte zusammengetan hatten (USA, Großbritannien, Frankreich, Australien). Das war aus einleuchtenden Gründen wenig populär.

Und es kam hinzu, dass im Kielwasser der Bandung-Konferenz die Blockfreienbewegung an Zuspruch gewann. Die meisten Länder Südostasiens zogen es vor, sich im Systemkampf nicht fest auf eine Seite zu schlagen. Die SEATO, die ja Südostasien immerhin im Namen trug, blieb also dauerhaft auf ihre zwei südostasiatischen Gründungsmitglieder beschränkt. Gegen die kommunistische Opposition gingen die Militärs in Myanmar und in Indonesien zwar mit äußerster Brutalität vor, dies aber lieber allein bzw. in bilateraler Kooperation mit den USA und anderen westlichen Ländern – ohne lästige Bündnispflichten. Als der Vietnamkrieg für die Vereinigten Staaten verloren war, entfiel schließlich der letzte Grund, an der SEATO festzuhalten. Am 30. Juni 1977 löste die Organisation sich offiziell auf.

Und heute? Der Wille, sich im großen Machtkampf zwischen den USA und China nicht fest auf eine Seite zu schlagen, ist aktuell wohl eher noch stärker als während des Kalten Krieges. Bis auf die Philippinen konnten die Vereinigten Staaten bislang kein Land fest an sich binden. Die Aussichten, schlagkräftige multinationale Kommandostrukturen nach dem Vorbild der NATO zu schaffen, sind in Südostasien mit Blick auf das standfeste Beharren der dortigen Staaten auf ihrer vollen Souveränität nicht gegeben. Die Chancen für eine Neuauflage der SEATO stehen daher – erfreulicherweise – sehr schlecht.

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