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Aus: Ausgabe vom 22.09.2025, Seite 11 / Feuilleton
RAF

Die Unermüdliche

Zum Tod der Mitbegründerin der Rote Armee Fraktion und linken politischen Aktivistin Brigitte Asdonk
Von Bernd Langer
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Brigitte Asdonk (25.10.1947–15.9.2025)

Brigitte Asdonk widmete ihr Leben der revolutionären Sache. Ihre Biografie ist geprägt von Kämpfen, Gefängnisjahren und unerschütterlichem Durchhaltevermögen. Trotz aller Rückschläge ließ sie sich weder Optimismus noch Freundlichkeit nehmen – ein Beispiel, das nicht in Vergessenheit geraten sollte.

Brigitte Asdonk wurde am 25. Oktober 1947 am Niederrhein geboren und verbrachte ihre Kindheit auf dem elterlichen Gut in Kamp-Lintfort, wo sie in einem konservativen, katholischen Umfeld aufwuchs. Schwer lastete noch die Geschichte des Faschismus auf dieser Zeit. Der gesellschaftliche Diskurs in der Adenauer-Ära war von Verdrängung und Orientierung an traditionellen Werten geprägt. Die junge Brigitte Asdonk, die Erklärungen und Antworten suchte, empfand diese Atmosphäre als unendlich öde und begrenzt. Gleich nach ihrem Abitur 1967 vollzog sie den Bruch und ging nach Westberlin, damals ein Zentrum der APO, der Außerparlamentarischen Opposition, die zunächst an den Unis aktiv war. Die knapp 20jährige schrieb sich für das Studium der Soziologie an der Freien Universität ein und war gleich mittendrin in der Bewegung.

Die APO rannte gegen die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik an, was auch zu harten Konfrontationen führte. Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten bei einer Anti-Schah-Demonstration erschossen. Es wurde gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg demonstriert. Vietnam war das große Thema der Zeit. Auf Diskussionsveranstaltungen, sogenannten Teach-ins an der Uni, trat Brigitte Asdonk als engagierte Rednerin in Erscheinung. Reden konnte sie besser als manch andere und fügte dazu noch eine zwingende Note des sofortigen praktischen Handelns hinzu. Oft war das Amerika-Haus Ziel von Protesten und Aktionen.

Im Februar 1968 fand der Vietnam-Kongress mit Rudi Dutschke, einem Wortführer der Studierendenbewegung, an der Technischen Universität statt. Am 11. April 1968 wurde er durch die Schüsse eines Faschisten auf dem Westberliner Kudamm schwer verletzt – ein Schock, der militante Demonstrationen gegen den Springer-Verlag auslöste.

Aus Protest gegen den Vietnamkrieg legte eine Gruppe um Andreas Baader und Gudrun Ensslin am 2. April 1968 Brandsätze in zwei Frankfurter Kaufhäusern. Zwei Tage später wurden die vier Brandstifter verhaftet und anschließend zu jeweils drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Aufgrund der eingelegten Revision blieben sie vorerst auf freiem Fuß. Nachdem diese abgelehnt worden war, tauchten Baader und Ensslin unter. Kurz darauf wurde Baader in Westberlin festgenommen.

Zu dieser Zeit lebte Brigitte Asdonk in einer großen Wohngemeinschaft. APO-Aktivisten versuchten, Stadtteilgruppen aufzubauen, etliche gingen in Fabriken, um Betriebs- und Lehrlingsgruppen zu initiieren, um die Arbeiterinnen zu politisieren. Das versuchte auch Brigitte Asdonk. Anfang 1970 lernte sie Ulrike Meinhof in einer Stadtteilgruppe im Märkischen Viertel kennen. Zusammen besetzten sie ein leerstehendes Fabrikgebäude, um dort ein Jugendzentrum durchzusetzen. Ende 1969 plante die militante Gruppe, zu der auch Brigitte Asdonk gehörte, die Befreiung von Baader. Allerdings war sie nicht bei den sechs Personen, die an der erfolgreichen Aktion am 14. Mai 1970 beteiligt waren. Kurz darauf flog die 22jährige mit einer Gruppe in ein militärisches Ausbildungslager der palästinensischen Al-Fatah in Jordanien.

Die chaotisch verlaufene Baader-Befreiung gilt als Geburtsstunde der RAF. Eine formelle Gründung gab es nicht. Am 5. Juni 1970 veröffentlichte die linksradikale Westberliner Agit 883 die erste programmatische Erklärung der Gruppe mit dem Titel »Die Rote Armee aufbauen!«. Um an die wichtigste Ressource für die illegale Struktur – Geld – zu gelangen, kam es am 29. September 1970 zum legendären »Dreierschlag«: dem gleichzeitigen Überfall auf drei Bankfilialen. Allein konnte die RAF die Überfälle nicht durchführen, da zwischen 13 und 16 Tatbeteiligte nötig waren. So übernahm die Bewegung 2. Juni eine Bankfiliale.

Am 8. Oktober 1970 hatte die Polizei eine konspirative Wohnung der RAF in der Knesebeckstraße 89 ausfindig gemacht. Hier nahmen die Fahnder nacheinander fünf RAF-Mitglieder fest, darunter Brigitte Asdonk. Die RAF zog sich nach diesem Schlag aus Westberlin zurück.

Der Indizienprozess gegen Brigitte Asdonk endete 1972. Das Gericht ging einfach davon aus, dass sie als Mitglied der RAF auch an deren Aktionen teilgenommen hatte. Das Urteil lautete zehn Jahre Haft. Für Brigitte Asdonk folgte eine harte Knastzeit. Verschiedentlich war sie in unterkühlten Zellen untergebracht. Einen großen Teil verbrachte sie in Isolationshaft. Als Gefangene beteiligte sie sich an den Hungerstreiks der RAF-Gefangenen von 1974 und 1981 oder verweigerte sich anderweitig mit Mitgefangenen. Während der Hungerstreiks war sie brutaler Zwangsernährung ausgesetzt. Es kamen weitere Anklagen wegen Beleidigung, Widerstand und versuchter Gefangenenmeuterei zustande, die weitere zwei Jahre Gefängnis bedeuteten.

1982 kam Brigitte Asdonk wieder auf freien Fuß. Sie schloss sich dem palästinensischen Befreiungskampf an, ging nach Jordanien, kehrte aber nach Berlin zurück. In Westberlin fand sie eine veränderte Szene vor, engagierte sich jedoch schnell wieder. Hier brachte sie 1984 ihre Tochter zur Welt. Während der Hungerstreiks (1984/85 und 1989) der Gefangenen von RAF und antiimperialistischem Widerstand setzte sie sich aktiv für deren Forderungen und ihre Rechte ein. Sie arbeitete in gemischten Gruppen ebenso wie in Frauen- und Lesbenzusammenhängen. Das Aufbegehren gegen patriarchale Strukturen war Teil ihres Selbstverständnisses. Ihr Herz schlug für Frauenkämpfe, Frauensolidarität und feministische Organisierung. Brigitte Asdonk setzte sich für die Palästina-Solidarität ein und war bei Asyl e. V. aktiv. Dort organisierte sie gemeinsam mit Genossen und Genossinnen zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen in Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf.

1999 war Brigitte Asdonk an der Besetzung der Landeszentrale der Grünen beteiligt, aus der die Gründung des Gegeninformationsbüros hervorging, das sich gegen den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien richtete. Ihr Schwerpunkt war die internationale Solidarität, die sie nicht nur in politischen Zusammenhängen, sondern auch im Privaten aktiv lebte. So reiste sie zusammen mit anderen politischen Aktivisten in den 90er Jahren nach Uruguay und tauschte sich mit ehemaligen Kämpferinnen der Tupamaros aus. Auch nach Sri Lanka fuhr sie und unterstützte dort lange Jahre Menschen und Projekte.

Lebenslanges Lernen war bestimmend für ihr Leben. 2010 schloss Brigitte Asdonk ihr Studium der Erziehungswissenschaften mit einer Diplomarbeit über das Thema »Militarisierung der deutschen Gesellschaft« ab. Sie hatte stets den Kontakt zu Jüngeren gesucht und dabei ein offenes Ohr für deren Ideen und Überlegungen. Brigitte konnte nicht wegsehen, wenn es um Unrecht und Gewalt ging. Sie mischte sich ein, und sie half, wo immer sie gebraucht wurde. Sie eignete sich viel Wissen an, besuchte mehrere Veranstaltungen in der Woche, diskutierte viel und gerne. Sie schrieb unzählige Redebeiträge für Veranstaltungen, Demos und Aktionen. Bei den großen Mobilsierungen der radikalen Linken war sie immer dabei: ob gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg 2009 oder gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017. Sie scheute keine Auseinandersetzung mit der Polizei: Bei Demos lief sie am liebsten im schwarzen Block und gerne ganz vorne mit. Brigitte Asdonk war an zahlreichen politischen Initiativen beteiligt: gegen Zwangsräumungen, für die Revolution in Rojava und gegen Krieg und Militarisierung. Bis zuletzt war sie aktiv, unter anderem bei »Rheinmetall entwaffnen« und im Sommer 2024 auf dem antimilitaristischen Camp in Kiel. Ihr letztes politisches Treffen besuchte sie im Juli 2025 in Berlin.

Brigitte Asdonk war eine liebevolle Mutter und Großmutter. Viele Weggefährten, Genossinnen und Mitkämpferinnen werden ihre Herzlichkeit, ihr Lachen und ihre Neugierde vermissen. Sie blieb bis zuletzt zugewandt, freundlich, offen und interessiert an anderen Menschen und ihrer Umgebung. Sie starb mit 77 Jahren am 15. September 2025 in Berlin.

Anlässlich ihres Geburtstags im ­Oktober findet in Berlin ein gemein­sames politisches Gedenken statt.

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