Machtspiel um Korridor
Von Mawuena Martens
Es war nicht nur ein einzelner Stellvertreter, sondern gleich eine ganze Delegation, angeführt vom iranischen Präsidenten: Am Montag und Dienstag hat Massud Peseschkian gemeinsam mit mehreren Ministern das Nachbarland Armenien besucht. Die hochkarätige Delegation und die zeitliche Nähe zu den Anfang August vereinbarten Deals zwischen Armenien, Aserbaidschan und den USA sind kein Zufall. Denn neben einer Absichtserklärung für einen Friedensvertrag zwischen den verfeindeten Kaukasusrepubliken war auch eine Transitroute, die »Trump Route for International Peace and Prosperity«, mit exklusiven Nutzungsrechten für die USA beschlossen worden – für einen Zeitraum von 99 Jahren. Die Reaktion Teherans folgte prompt: Staatsoberhaupt Ali Khamenei teilte mit, Iran werde die Schaffung des Korridors nicht zulassen. Ähnlich äußerte sich auch Außenminister Abbas Araghtschi am Montag gegenüber IRNA: »Unser Hauptanliegen ist es, dass sich die geopolitische Lage in der Region nicht verändert und keine ausländischen Streitkräfte eindringen.«
Der geplante Korridor verbindet Aserbaidschan über armenisches Territorium mit seiner Exklave Nachitschewan, die an die Türkei grenzt. Profiteure sind Aserbaidschan, Türkei sowie die USA. Ankara verfügt durch das Infrastrukturvorhaben über eine direkte Verbindung zum Kaspischen Meer und Zentralasien, die Iran und Russland umgeht – ein pantürkischer Traum. Es erhält damit mehr Einflussmöglichkeiten in Zentralasien, aber auch auf die Energieversorgung Europas. Aserbaidschan stärkt mit Hilfe des Korridors sein geopolitisches Gewicht, schließlich schafft er direkten Zugang zur Enklave Nachitschewan und ermöglicht eine enge Anbindung an den Verbündeten Türkei. Die USA hingegen können sich vor allem über eine Präsenz im Südkaukasus freuen und damit den russischen Einfluss in der Region weiter zurückdrängen. Zudem macht der Korridor dem von Moskau und Teheran geplanten Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC) sowie den von China geplanten Infrastrukturprojekten in Zentralasien und dem Kaukasus als Teil des Projekts der »Neuen Seidenstraße« Konkurrenz.
Nicht zuletzt verläuft der Korridor an den Südgrenzen Armeniens und Aserbaidschans immer entlang Iran. Teheran sieht sich dadurch zuzüglich zu Militärbasen der Vereinigten Staaten im Süden, Westen und Osten nun auch mit einer US-Präsenz im Norden konfrontiert. Und: Bei den Transportgütern dürfte es sich nicht nur um türkische Produkte und aserbaidschanisches Öl und Gas handeln, sondern womöglich auch um Militärlogistik der NATO.
Iranische Medien unterstrichen, dass Teheran bereits vor den Treffen in Jerewan Zusicherungen von armenischer Seite erhalten habe, dass auf keinen Fall US-amerikanische Streitkräfte oder gar private »US-Sicherheitsfirmen« nach Armenien einreisen würden. Während des Besuchs versuchte die iranische Delegation mit bilateralen Verträgen eigene Akzente zu setzen. Zehn Absichtserklärungen wurden am Dienstag unterzeichnet. Man habe beschlossen, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen und Zollgebühren zu überarbeiten, hieß es. Zudem werde Armenien in Kürze Ausschreibungen für die Fertigstellung des Nord-Süd-Korridors veröffentlichen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag sicherte Armeniens Premier Nikol Paschinjian zu, dass sein Land die alleinige Jurisdiktion über den Korridor behalten werde und die Beziehungen zum Nachbarstaat Iran von »entscheidender Bedeutung« seien. Und trotzdem: Irans Bemühungen dürften vor allem symbolischen Wert haben, wirklich etwas verändert hat der Besuch nicht. Zumal die armenische Armee schon jetzt gemeinsam mit US-Streitkräften trainiert, wie bei dem noch bis Mittwoch dauernden Manöver »Eagle Partner 2025«.
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