Endspiel um Gaza
Von Jörg Tiedjen
Die israelische Regierung scheint fest entschlossen, trotz Fortschritten bei den Verhandlungen mit der Hamas ihre Pläne zur Besetzung Gazas umzusetzen. Am Dienstag legte die Armeeführung Verteidigungsminister Israel Katz ihren Plan zur Einnahme von Gaza-Stadt zur Genehmigung vor. Laut der Zeitung Israel Hajom ist vorgesehen, die größte Stadt in dem Küstenstreifen, in der sich eine Million Menschen befinden sollen, zuerst militärisch einzuschließen und dann zu besetzen. Es werde nötig sein, »100.000 bis 130.000 Reservisten« einzuberufen, um die für die Einnahme erforderlichen Truppen an anderer Stelle zu ersetzen. Starten könne die Offensive Anfang September. Erwartet werde, dass sie sich zwei Monate hinziehe, schreiben Israel Hajom und andere Medien. Allerdings hat die israelische Armee bereits seit mehr als einer Woche ihre Angriffe auf Gaza-Stadt verstärkt.
Auch die Blockade Gazas wurde kaum gelockert. Am Dienstag warf das UN-Menschenrechtsbüro in Genf Israel erneut vor, zu wenige Hilfsgüter in das kriegszerstörte Gebiet zu lassen. Die dortige Hungersnot sei ein »direktes Ergebnis« der Politik der israelischen Regierung – das heißt, das Aushungern der Palästinenser in Gaza ist beabsichtigt. Nach Angaben der Agentur WAFA von Dienstag mittag kam am Vorabend erneut ein Journalist in Gaza-Stadt durch israelischen Beschuss ums Leben, nachdem am 10. August sechs Medienvertreter gezielt getötet worden waren. Auch am Dienstag morgen soll die Besatzungsarmee Hilfsbedürftige vor einem Ausgabezentrum unter Feuer genommen haben, wobei ein Mensch tödlich getroffen wurde. Insgesamt soll es binnen 24 Stunden 60 Todesopfer und 330 Verletzte gegeben haben.
Unklarheit besteht über die indirekten Gespräche zwischen Israel und der Hamas in Katar. Am Montag wurde gemeldet, dass die Hamas ein auf den US-Diplomaten Steve Wittkoff zurückgehendes Vermittlungsangebot akzeptiert habe, das eine Waffenruhe von 60 Tagen vorsieht. In dieser Zeit soll die Hälfte der sich noch in der Gewalt der Hamas und ihrer Verbündeten befindlichen israelischen Gefangenen gegen Palästinenser ausgetauscht werden, die sich in israelischer Haft befinden. Israels Premier Netanjahu quittierte das Einverständnis mit den Worten, dass die Hamas unter »sehr starkem Druck« stehe. Zugleich zitiert Israel Hajom eine anonyme Regierungsquelle, die darauf besteht, dass man von einer sofortigen Freilassung sämtlicher israelischer Geiseln als Bedingung für eine Feuerpause nicht abrücken werde.
Der kriminelle Charakter der israelischen Politik beschäftigt weiter die internationale Gerichtsbarkeit. Wie Middle East Eye Ende vergangener Woche berichtete, hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nun auch weltweite Haftbefehle gegen die extrem rechten israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir vorbereitet. Wenn sie erlassen werden, »wäre dies das erste Mal, dass das Verbrechen der Apartheid vor einem internationalen Gericht angeklagt wird«, kommentierte das Onlinemagazin. Der einzige Grund, warum die Haftbefehle noch nicht ausgestellt sind, sei die Furcht vor US-Sanktionen, die zuletzt so weit gingen, dass auf Geheiß Washingtons sämtliche Konten des Chefanklägers Karim Khan wegen bereits erlassener Haftbefehle unter anderem gegen Netanjahu gesperrt wurden.
Wie sehr die USA an ihrem Verbündeten Israel festhalten, zeigte sich am Wochenende auch an der Ankündigung von US-Außenminister Marco Rubio, alle Visa für Menschen aus Gaza auszusetzen. Angeblich lägen ihm »Beweise« vor, dass einige Organisationen, die Visa für die USA vermittelten, »enge Verbindungen zu terroristischen Gruppen wie der Hamas haben«, so CNN. Am Freitag hatte Israels »Sicherheitsminister« Ben-Gvir für Empörung bei Palästinensern gesorgt, als er in sozialen Netzwerken ein Video von einem Besuch bei dem seit 2004 von Israel inhaftierten palästinensischen Politiker Marwan Barghouti veröffentlichte. Diesem sagt er: »Ihr werdet nicht gewinnen. Wer immer es sich mit Israel verdirbt, wer unsere Kinder und Frauen tötet, den werden wir auslöschen.«
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