Bis zum Frieden dauert’s noch
Von Reinhard Lauterbach
Das Thema eines Treffens von Wolodimir Selenskij und Wladimir Putin schon in dieser Woche ist offenbar vom Tisch. Nach einer Zusammenkunft von Regierungschefs größerer EU-Länder mit US-Präsident Donald Trump in Washington am Montag abend ist nun davon die Rede, dass ein solches Treffen innerhalb von zwei Wochen stattfinden könnte. Diese Erwartung äußerte jedenfalls Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der gleichzeitig seine Forderung erneuerte, es müsse vor solchen Gesprächen eine »bedingungslose Waffenruhe« an der ukrainischen Front geben. Diese Forderung wiederholt inzwischen nicht einmal mehr der ukrainische Präsident, der unter vier Augen mit Trump gesprochen hatte. Er sagte anschließend, er sei bereit, ohne jede Vorbedingung mit Putin zusammenzutreffen.
Auch der US-Präsident machte sich die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe als Vorbedingung für Friedensgespräche nicht zu eigen. Er sagte den versammelten EU-Führern, er habe schon viele Kriege beendet, und in keinem dieser Fälle habe es eine vorgeschaltete Waffenruhe gegeben. Ob das stimmt, ist eine andere Frage. Bemerkenswert ist auch, dass Trump die Sitzung mit den EU-Vertretern mindestens einmal für ein vierzigminütiges Telefongespräch mit Putin unterbrach. Dieses Gespräch wurde anschließend auch in Moskau als »positiv und offen« bezeichnet.
Für Verwirrung sorgte ein Zitat, das russische Medien dem finnischen Staatspräsidenten Alexander Stubb zuschrieben. Er habe seine Anwesenheit in Washington damit begründet, dass Finnland historische Erfahrung damit habe, sich nach einem verlorenen Krieg gegen die Sowjetunion mit Gebietsverlusten abzufinden und doch auf der Basis der Neutralität ein gedeihliches Verhältnis zu ihr zu entwickeln. Darauf angesprochen, wollte Stubb das am Dienstag so nicht gemeint haben. Er räumte zwar ein, dass die Äußerung gefallen sei – die Situation von 1944 – als Finnland aus dem Bündnis mit Nazideutschland ausstieg – sei aber eine völlig andere gewesen als die der Ukraine heute. Finnland habe damals keine Bündnispartner gehabt, die Ukraine habe heute welche.
Die zentrale Schwierigkeit bei künftigen Friedensverhandlungen dürfte die Frage der sogenannten Sicherheitsgarantien sein, die Selenskij als Vorbedingung für mögliche Gebietsverzichte fordert. NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte solche Garantien als »angelehnt an Artikel 5« des NATO-Vertrags bezeichnet, jedoch nicht damit gleichbedeutend. Eine weitere offene Frage ist, wer diese Garantien gewährt und in welchem Umfang. All dies soll nun innerhalb von zehn Tagen spruchreif gemacht und anschließend Russland vorgesetzt werden. Kanzler Friedrich Merz begrüßte, dass die USA Bereitschaft gezeigt hätten, solche Garantien mit der EU zu »koordinieren«. Das lässt die Vermutung zu, dass es keine im strengen Sinne gemeinsamen Garantien sein sollen, sondern solche, die einzelne Staaten unabhängig voneinander gewähren.
In der Ukraine gingen unterdessen die Raketen- und Drohnenangriffe beider Seiten weiter. Im russischen Wolgograd setzten herabfallende Drohnentrümmer nach russischen Angaben Teile einer Raffinerie in Brand. Russland griff unter anderem in mehreren Wellen eine Gaskompressoranlage sowie die größte Raffinerie der Ukraine in Krementschuk mit Drohnen und Raketen an. Die entstandene Rauchwolke war nach Berichten aus ukrainischen sozialen Netzwerken noch im 370 Kilometer Luftlinie entfernten Cherson zu riechen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (19. August 2025 um 21:12 Uhr)Ob Putin mit der Person, die einen Präsidenten mit abgelaufenem Verfallsdatum repräsentiert, reden will? Und wie sieht es mit Sicherheitsgarantien für Russland aus? Der schleichende Lernprozess des (europäischen?) Wertewestens wird wohl noch eine Weile bis zum Durchblick brauchen.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (20. August 2025 um 11:24 Uhr)»Und wie sieht es mit Sicherheitsgarantien für Russland aus?« – Genau! Eine Frage, die mich schon lange bewegt, die ich aber noch nirgends vernehmen konnte. Schließlich ist doch die NATO auf breiter Front unmittelbar an Russlands Grenzen militärisch herangerückt und nicht umgekehrt. Wer bedroht hier also wen?
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