Zum Unbehagen Teherans
Von Luca Schäfer
Donald Trump arbeitet weiter am Ziel, den Friedensnobelpreis zu erhalten. Nach Ansicht des US-Präsidenten hätte er ihn im Vergleich zu Barack Obama verdient. Ein Beispiel seines »Friedensengagements«: Am vergangenen Freitag richtete er einen »historischen Gipfel« zwischen Aserbaidschan und Armenien in Washington, D. C., aus. Dabei unterzeichneten der armenische Premier und der aserbaidschanische Präsident eine Vereinbarung, die den Konflikt zwischen ihren Ländern beilegen soll.
Zwischen der christlichen Kleinstnation Armenien und dem schiitischen Petrostaat Aserbaidschan kam es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen, zuletzt 2023. Da die Schutzmacht Armeniens, Russland, in der Ukraine gebunden war, nutzte Baku im September des Jahres die Gunst der Stunde und führte eine Blitzoperation in Bergkarabach durch. Durch sie wurde die armenische Bevölkerung der Region vertrieben. Erfolgreich war Baku auch dank überlegener Drohnentechnik, eines Ölbooms und der Unterstützung durch die Türkei.
Im Zentrum der Vereinbarungen in Washington steht jedoch vor allem die Einigung auf eine Transitroute, die Aserbaidschan über armenisches Territorium mit seiner Exklave Nachitschewan sowie mit der Türkei verbindet. Sie soll den Namen »Trump Route for International Peace and Prosperity« (TRIPP) tragen. Die Türkei und Aserbaidschan wollen schon lange mit Hilfe des eigentlich Sangesur genannten Korridors ihren Einfluss auf Zentralasien sowie Georgien ausweiten. Die Verbindung vereinfachte zudem den Güter- und Personenverkehr zwischen Europa und Asien, umginge aber den südlichen Nachbarn Iran. Nachitschewan ist bisher vom aserbaidschanischen Kernland abgeschnitten. Im Falle eines militärischen Konflikts ist es von Bedeutung, da es der aserbaidschanischen Armee einen Angriff auf Armenien aus zwei Richtungen ermöglicht.
Die TRIPP scheint ein typischer MAGA-Deal zu sein: Der 43 Kilometer lange Korridor soll als Zugeständnis an Jerewan unter dessen Kontrolle verbleiben. Die USA erhalten jedoch exklusive Entwicklungsrechte für 99 Jahre. Über ein Konsortium soll US-Kapital profitträchtige Infrastruktur wie Glasfaserkabel oder Pipelines bauen dürfen. Damit verdrängen die USA die beiden Regionalmächte Iran und Russland und werden zum Wächter über den ressourcenreichen und geopolitisch wichtigen Kaukasus. Dazu passt, dass die US-Armee ab diesem Dienstag gemeinsam mit der armenischen Armee das Militärmanöver »Eagle Partner 25« durchführt. Die Übung hatte erstmalig 2023, wenige Tage vor Beginn der aserbaidschanischen Offensive, stattgefunden. In den vergangenen Jahren hatten Washington und Jerewan ihre Beziehungen stetig vertieft und Anfang des Jahres eine strategische Partnerschaft unterzeichnet.
Die derzeitige Regierung Armeniens unter Nikol Paschinjan, der für den Annäherungskurs an den Westen steht, sieht das jetzige Abkommen als einen Schritt heraus aus Stagnation und Isolation. Sie setzt auf Gewinne aus dem Transitgeschäft, schließlich ist die soziale Lage angespannt: 20 Prozent Armutsrate, 14 Prozent Arbeitslosigkeit.
Der Iran befürchtet – zu Recht –, dass solche großräumigen Eingriffe in Grenznähe das regionale Gleichgewicht verschieben. Die Führungsriege, innenpolitisch durch Wasserkrise oder Kriegsfolgen unter Druck geraten, will Stärke demonstrieren. Ali Akbar Welajati, außenpolitischer Berater des »Obersten Führers« Ali Khamenei, warnte sogar davor, dass der Korridor zu einem »Friedhof für Trumps Söldner« werden könnte. Sicher, dieser Tonfall gehört zur rhetorischen Mottenkiste, zeigt jedoch, wie sehr Iran seine Interessen in Gefahr sieht. Es geht, verstärkt durch die Sanktionen, an die volkswirtschaftliche Substanz. Teheran sieht sich durch den geplanten Korridor unter anderem von armenischen Märkten abgeschnitten und mit einer feindlichen ausländischen Militärpräsenz an seiner nördlichen Grenze konfrontiert.
Spannend wird auch sein, ob sich die Türkei in Zukunft mit dem zweiten Platz hinter den USA zufriedengeben wird. Ungeklärt bleibt nach den Vereinbarungen vom Wochenende auch die Frage nach der Rückkehr von Vertriebenen.
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