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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Die Sicht der Kollegen: »Wo ist die Ladestation? Bei Aldi!« vom 21.09.2020:

Nicht in Stein gemeißelt

»Es gibt für meinen Arbeitsweg keine Verbindung in akzeptabler Zeit.« Das mag es außerhalb der Schweiz hier und dort im sehr ländlichen Raum geben. Jedoch sind Fahrpläne nicht in Stein gemeißelt, sondern verbesserungsfähig, zum Beispiel durch geduldige Eingaben, durch zielorientierte Debatten etwa im VCD, bei »Pro Bahn«, auch bei Umweltverbänden oder Parteien, und schließlich auch durch kluge Nahverkehrsberater*innen, die den Landkreisen schon mal auf die Sprünge helfen können.
Als ich 1968 vom oberschwäbischen Bad Schussenried nach Biberach (Riss) zum Gymnasium fuhr, wurde mein Wohnort bereits ein Jahr von einer zuvor aus Saulgau peripher verlaufenden Buslinie bedient: auf Initiative dreier Familien mit Gymnasiast*innen. War der Bus mittwochs zum Wochenmarkt überfüllt, genügte ein Anruf meiner Mutter, um beim Busbetreiber eine Doppelführung zu erwirken. Hielt der letzte Abendzug nach Süden aus Ulm und Biberach jahrelang statt in Bad Schussenried erst wieder in Aulendorf, so teilte die Bundesbahndirektion Stuttgart meinem Vater zunächst die Möglichkeit von Sonderhalten für Gruppen mit, ab Juni 1976 hielt der Zug auf seine geduldigen Eingaben hin sogar planmäßig – und ist seit 1993 nicht mehr der letzte des Tages, sondern im Rahmen der Allgäu-Schwaben-Takts der vorvorletzte. Eine Ausdünnung dieses ITF-Projekts (Integraler Taktfahrplan, jW) zwischen Bad Waldsee und Kißlegg/Allgäu wurde nach berechtigt schlechtem Presseecho zurückgenommen. Die Streichung des Legendären »Heckeneilzugs« »Kleber-Express« wurde durch den namensgebenden Bad Saulgauer Hotelier um Jahre verzögert. Der erste Nahverkehrsberater Baden-Württembergs und der Republik, Ulrich Grosse, sorgte für die neuen Haltepunkte Balingen-Süd, Biberach-Süd, Weingarten-Berg und Friedrichshafen-Ost – und neuerdings auch für die Ringbahn zwischen Schwarzwald, Baar und Alb, die an die Breisgau-S-Bahn anschließt.
In meiner rheinischen Wahlheimat hielt zu seinen Lebzeiten der »rote Reporter«, Genosse Jann, die Leute über ÖPNV-Anschlüsse um Wülfrath auf dem Laufenden und legte nach den Zerstörungen durch die Mittelkürzungen von Peer Steinbrück (SPD) den Finger auf die Wunde. Ein Bürgerverband organisierte bereits 1991 Nostalgiesonderfahrten zwischen Lüdenscheid und Gummersbach und erwirkte die schrittweise Reaktivierung dieser sehr sehenswerten Variante Köln–Hagen via Kierspe. Außerdem: Wenn sogar die rechtspopulistischen »Dieselretter« das buchstäblich alle interessierende ÖPNV-Thma (»Omnibus« heißt lateinisch »für alle«) auf die Tagesordnung setzen (1985 organisierte ein REP-Busunternehmer neue Linien um Rosenheim/Bayern, 1999 forderte die DVU für Sachsen-Anhalt die Reaktivierung aller stillgelegten Schienenstrecken, war zwar mangels Nachdenken zu pauschal in der Zielrichtung, aber »leider richtig« war): Dann sollten wir als Demokrat*innen das schon lange können, und zwar differenzierter und konkreter. Also: Strecke A reaktivieren, weil …, Strecke B abends länger bedienen, weil … , den Takt auf Strecke C verdoppeln, weil …, den Anschluss zwischen Strecken D und E herstellen, weil … Und abgesehen von den kindischen Träumen von Steuerfreiheit der Lindner-FDP werden alle demokratischen Kräfte in einen ehrlichen Wettbewerb treten, uns endlich die ÖPNV-Verbindungen zu schaffen, die wir brauchen.
Bernhard May, Solingen