Intervention war illegal
Von Jakob Reimann
Es ist ein juristischer Schlag gegen die proisrealische Repression des Berliner Senats: Die Auflösung eines Palästina-Kongresses am 12. April 2024 durch die Staatsgewalt war rechtswidrig. Das hat die 1. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts am Mittwoch nach Redaktionsschluss dieser Zeitung geurteilt. Auch das weitere Verbot der ursprünglich für drei Tage angesetzten Veranstaltung sei »unverhältnismäßig gewesen«, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Vorsitzende Richterin kritisierte, dass sich die Polizei »nicht ernsthaft« mit Alternativen zu Verbot und Auflösung befasst habe, obwohl sich mildere Mittel »aufgedrängt« hätten. Die vorab von den Behörden durchgeführte Gefahrenprognose, die von einer für die Polizei handhabbaren Situation ausgegangen war, war demnach gerechtfertigt. Es sei zu keinen Verletzungen der Auflagen gekommen. Das Land Berlin muss die Gerichtskosten tragen.
»Das Urteil bestätigt nur, was selbstverständlich sein sollte«, erklärte Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e. V., am Donnerstag gegenüber junge Welt: »dass man einen solchen Kongress abhalten darf, auch wenn die dort vertretenen Meinungen dem Staat nicht genehm sind«. Der Staat habe somit »selbst bestätigt, dass er die eigenen Grundsätze der Demokratie missachtet, was im Palästina-Kontext regelmäßig geschieht«, sagte Hoban weiter.
Der Palästina-Kongress mit namhaften internationalen Gästen sollte über drei Tage laufen und der Informationsvermittlung über die genozidalen Angriffe der israelischen Armee im Gazastreifen und der Vernetzung innerhalb der palästinasolidarischen Bewegung dienen. Neben der Jüdischen Stimme haben auch die weiteren Organisatoren und geplanten Redner zumeist einen marxistischen, linken und/oder feministischen Hintergrund, darunter Abgeordnete sozialistischer europäischer Parteien, renommierte Wissenschaftler, Journalisten und Aktivisten sowie die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman – laut der damaligen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) traf sich in Berlin-Tempelhof indes die »islamistische Szene«. Nach der Auftaktrede der palästinensischen Journalistin Hebh Jamal wurde eine aufgezeichnete Videobotschaft des palästinensischen Wissenschaftlers Salman Abu Sittah abgespielt. Kurz nach Beginn stürmte die Polizei die Bühne, beendete das Video, drang in den Betriebsraum ein, stellte den Strom im gesamten Gebäude ab und löste den Kongress schließlich auf.
Der für diesen Einsatz verantwortliche Direktor bei der Polizei Berlin, Stephan Katte, war als einziger Zeuge in der Verhandlung geladen. Als ihn das Anwaltsduo der Klägerseite befragte, widersprach Katte sich mehrfach oder behauptete schlicht Unwahres. Man habe »nicht vollständig ausschließen« können, dass es beim Kongress zu strafbaren Handlungen kommen könnte, sagte er zunächst über seine Einschätzung vor der Veranstaltung, um dann später zu sagen, er war der Auffassung, im Grunde war diese »Wahrscheinlichkeit sehr hoch«. Der Frage, ob sich zwischen Gefahrenprognose seitens der Behörden und seiner Entscheidung zur Auflösung etwas verändert habe, wich er aus. Das Abspielen von Abu Sittahs Botschaft sei jedenfalls nicht der entscheidende Grund gewesen, vielmehr habe er Straftaten in der Zukunft befürchtet.
Zur Beschreibung palästinasolidarischer Personen nutzte er mindestens elfmal das Wort »Emotionalisierung«, um dann in seinen Ausführungen selbst etwas zu entgleisen. In der Kongressauflösung sah er auch eine präventive Wirkung und beschwor dafür mehrfach und emotionalisiert das Schreckgespenst von »5.000 Demonstranten auf den Straßen Berlins, die das Existenzrecht Israels leugnen«, das sei nämlich »eine Straftat«, behauptete er fälschlicherweise. Denn: »Das Existenzrecht des Staates Israel in Abrede zu stellen, verwirklicht für sich genommen keinen Straftatbestand«, hatte vergangene Woche das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden.
Katte behauptete auch, dass Medienvertreter, »die nicht genehm waren«, vom Kongress ausgeschlossen werden sollten; die Polizei habe das unterbunden. Dass es, wie bei solchen Veranstaltungen üblich, eine auf der Website angekündigte Akkreditierungspflicht gab, scheint Katte zu ignorieren. Der Polizeidirektor behauptete, es hätten sich beim Kongress zwischen fünf und zehn Polizeibeamte im Saal aufgehalten, während auf Fotos und Videos mehrere Dutzend Uniformierte zu sehen sind.
Siehe auch
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
instagram.com/jazzrocknroll24.11.2025Rechte Festwochen bei Die Linke
Axel Schmidt/REUTERS21.11.2025»Ermittlungen verbieten sich«
Anadolu Agency/imago18.11.2025Staatsräson rollt weiter
Mehr aus: Inland
-
K. für Karlsruhe
vom 28.11.2025 -
Welchen Charakter hat die neue AfD-Jugend?
vom 28.11.2025 -
Warum ist Ihre Frau im Irak besonders gefährdet?
vom 28.11.2025 -
Für sechs Minuten Wendezeit
vom 28.11.2025 -
Konzerne üben Flucht nach vorn
vom 28.11.2025