Für sechs Minuten Wendezeit
Von Susanne Knütter
Das Potential ist riesig. In den kommenden Monaten werden sich nicht nur die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder in einer Tarifauseinandersetzung befinden, sondern auch deren Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Nahverkehr. Am Mittwoch übergab die Gewerkschaft Verdi in zahlreichen Bundesländern ihre Forderungen an die Kapitalseite. Betroffen sind insgesamt 150 kommunale Verkehrsunternehmen in allen Bundesländer.
In aller Regel geht es in den einzelnen Tarifverhandlungen um die Manteltarifverträge, die die Arbeitsbedingungen regeln. Das heißt Urlaubsanspruch, Pausenzeiten oder Schichtdienstregelungen werden neu verhandelt. Die Kernforderungen der Gewerkschaft zielen auf Arbeitszeitverkürzungen, längere Ruhezeiten und höhere Zuschläge für die Arbeit in der Nacht und am Wochenende. »Attraktive Arbeitsbedingungen sind ein Schlüsselthema für den ÖPNV«, erklärte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle am Donnerstag: »Nur mit guter Arbeit in den Betrieben lassen sich die Fachkräfte finden und halten, die wir für einen funktionierenden Nahverkehr dringend brauchen.« Verlässliche Busse und Bahnen seien ein unverzichtbarer Teil der Daseinsvorsorge. Doch die enorme Fluktuation in vielen Betrieben zeige die Probleme auf: ungünstige Arbeitszeiten, Schichtdienste, kurze Pausen, zu geringe Zuschläge. »Uns geht es in dieser Tarifrunde darum, die Belastungen zu mindern oder fair auszugleichen. Damit sich wieder motivierte Menschen finden, die auch in Zukunft Nahverkehr planen, disponieren sowie die Fahrzeuge fahren und reparieren wollen.«
In den jeweiligen Regionen hat Verdi – nach Absprache mit den Beschäftigten, wie es heißt – eigene Forderungen an die Kapitalseite gestellt. Denn die Tarifverträge unterscheiden sich je nach Bundesland teils stark voneinander. Verhandelt wird in der Regel mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden (KAV) und den kommunalen Verkehrsbetrieben. In Brandenburg, Thüringen und dem Saarland streitet Verdi außerdem für höhere Löhne und Gehälter.
Die Schlichtung der Entgelttarifrunde beim bundesweit größten Nahverkehrsbetrieb, den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), im Frühjahr dieses Jahres umfasste die Verpflichtung, die Themen Arbeitszeit und Arbeitssouveränität zu verhandeln. Im Detail bedeutet das für die Berliner Kollegen zum Beispiel, die maximale Schichtlänge auf zwölf Stunden zu verringern und die Mindestruhezeit auf elf Stunden zu erhöhen. Dazu gehört auch, die Wendezeit am Ende einer Bus- oder Straßenbahnfahrt auf sechs Minuten zu erhöhen – und zwar ohne Ausnahme. Hintergrund ist die oftmals fehlende Zeit für den Gang zur Toilette. Weitere Forderungen, die die Verdi-Tarifkommission in der BVG und der Berlin Transport GmbH, als Ergebnis ihrer Beschäftigtenumfrage an die Geschäftsführungen übergab, sind: 33 Tage Urlaub für alle Kollegen, 500 Euro mehr Urlaubsgeld mit der Umwandlungsmöglichkeit in freie Tage, die Einrichtung einer ständigen Kommission zur Überarbeitung der Entgeltordnung, die Erhöhung der Zulage für geteilte Dienste auf 20 Euro und die Abschaffung geteilter Dienste an Wochenenden und Feiertagen.
Die Laufzeiten der Manteltarifverträge wurden synchronisiert, weshalb alle Manteltarifverträge im Nahverkehr gleichzeitig kündbar und verhandelbar sind. Die Friedenspflicht endet bundesweit am 1. Januar. Die für den öffentlichen Dienst der Länder endete bereits Ende Oktober. Mit ein wenig Streikkoordination könnte erheblicher Druck aufgebaut werden. Bei den vorigen Tarifrunden legten Warnstreiks in vielen Bundesländern immer wieder den kommunalen Nahverkehr lahm, sogar mehrere Tage lang. Man stelle sich vor, was los ist, wenn dazu auch noch die Landesbeschäftigten streikten.
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