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Aus: Ausgabe vom 21.11.2025, Seite 7 / Ausland
Ukraine-Krieg

Geheimdiplomatie um Ukraine

US-Militärdelegation in Kiew erwartet. Gerüchte über zwischen USA und Russland ausgehandelten 28-Punkte-Plan für ein baldiges Kriegsende
Von Reinhard Lauterbach
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26 Tote und fast 100 Verletzte wurden Donnerstag aus den Trümmern des zerstörten Wohnhauses in Ternopil geborgen

In der Ukraine ist am Donnerstag eine hochrangige US-Delegation erwartet worden. Offiziell sollte diese etwas über die ukrainischen Fertigkeiten in der Drohnenherstellung lernen. Inoffiziell sollte sie vermutlich der Kiewer Führung den zwischen der Trump-Regierung und russischen Vertretern inoffiziell ausgehandelten Plan zur Beendigung des Ukraine-Krieges »vorstellen«.

Über den Inhalt des zwischen Steve Witkoff für die USA und dem russischen Beauftragten für Auslandsinvestitionen, Kirill Dmitrijew, ausgehandelten Plans ist offiziell nicht viel bekannt. Aus Berichten verschiedener US-amerikanischer und britischer Medien, die auf Indiskretionen beruhen, lässt sich entnehmen, dass Washington Kiew anscheinend den dauerhaften Verzicht auf die Bezirke Lugansk und Donezk zugunsten Russlands nahebringen will. Der Londoner Telegraph meldete, dies solle nicht in Form einer formalen Abtretung geschehen, sondern im Rahmen einer Pachtlösung: Russland würde für die eroberten Rohstoffvorkommen eine noch auszuhandelnde Gebühr zahlen müssen. In den übrigen Abschnitten sollen die Kämpfe entlang der Frontlinie zum aktuellen Zeitpunkt eingefroren werden. Die USA sind demnach bereit, die russische Souveränität über die Krim anzuerkennen. Klar ist, dass es Kiew sehr schwerfallen dürfte, sich über einen solchen Schritt Washingtons hinwegzusetzen und trotzdem einen Versuch der Rückeroberung zu starten.

Weniger klar sind die politischen Begleitbedingungen des Plans: So soll der von der Ukraine zu räumende Teil des Gebiets Donezk entmilitarisiert werden, so dass Russland dort keine Truppen stationieren könnte. Die ukrainischen Streitkräfte sollen nach den vorliegenden Informationen von jetzt etwa einer Million Mann auf 400.000 Soldaten reduziert werden und keinerlei Massenvernichtungswaffen oder solche mit großer Reichweite besitzen dürfen. Außerdem sollen auf ukrainischem Boden keine ausländischen Truppen stationiert werden. Offen bleibt offenbar, was im Verhandlungsprozess aus der russischen Forderung nach einer Neutralisierung der Ukraine und einem Verbot ihres NATO-Beitritts geworden ist. Die USA sollen bereit sein, Kiew Sicherheitsgarantien zu gewähren – was mit der russischen Forderung nach ebensolchen Garantien gegen einen Angriff der NATO ist, wurde anscheinend ausgespart. Als wesentliches »Zuckerbrot« für Moskau sollen die USA die »vollständige Rückkehr Russlands in die Weltwirtschaft«, also das Ende der Sanktionen, versprochen haben.

Offizielle Reaktionen aus Moskau blieben bis zum Donnerstag aus. In EU-Europa überwog die Skepsis. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) erklärte, sicherlich wäre ein Friedensschluss für die Ukraine gut, aber ein solcher müsse unter Beteiligung der Ukraine und der EU vereinbart werden. Ähnlich äußerten sich in Brüssel die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und in Warschau der polnische Außenminister Radosław Sikorski. Dieser bemängelte, es könne nicht angehen, dass »der Aggressor Russland« belohnt werde, während die Möglichkeiten der Ukraine, sich zu verteidigen, eingeschränkt würden.

Dass die nach Kiew entsandte US-Delegation aus drei hochrangigen US-Generalen besteht, dürfte darauf berechnet sein, der ukrainischen Seite ihre prekäre militärische Situation vor Augen zu führen. Russland meldete von mehreren Frontabschnitten zugleich weitere Geländegewinne und setzt seine Bombardements industrieller Ziele in der Ukraine fort. Dabei gab es offenbar auch folgenschwere Fehltreffer. So wurde bekannt, dass ein im westukrainischen Ternopil von einer russischen Rakete getroffenes achtstöckiges Wohnhaus in unmittelbarer Nähe einer Fabrik für militärische Elektronik stand. Aus den Trümmern des fast vollständig zerstörten Hauses wurden bisher 26 Tote und fast 100 Verletzte geborgen. Als Folge der russischen Schläge gegen das ukrainische Leitungsnetz mussten zudem drei bisher unbeschädigt gebliebene Atomkraftwerke ihre Produktion um bis zu 40 Prozent herunterfahren.

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  • Leserbrief von Therese Unbehaun aus Illerkirchberg (21. November 2025 um 15:47 Uhr)
    Der vorgestellte Plan wirft erneut ein Schlaglicht auf den historischen Kontext und die langfristigen Planungen der USA auf dem Schachbrett Europa: Die USA behielten stets das Heft in der Hand, um sich letztendlich mit einer Beendigung des Krieges zusammen mit Russland den exklusiven Zugriff auf die Bodenschätze der Ukraine zu sichern, möglichst unter Ausschluss der Westeuropäer. Letztere maßlos enttäuscht, da komplett außen vor, befinden sich geopolitisch und wirtschaftlich verschärft in Konkurrenz zu den US-Interessen. Besonders demütigend: Ihre NATO-Mitgliedschaft war und ist auch weiterhin für die USA nur Mittel zum Zweck, also echtes Vasallentum. Inwieweit es der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung bewusst wurde, dass sie in einer geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den imperialistischen Mächten USA und Russland mitleidslos instrumentalisiert wurde, das ist die wichtigste Frage für die Zukunft des Landes.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. November 2025 um 09:57 Uhr)
    Der im Artikel beschriebene mögliche »Geheimplan« zwischen den USA und Russland deutet darauf hin, dass der Ukrainekrieg zunehmend zu einem strategischen Konflikt zwischen Großmächten geworden ist, bei dem nicht mehr die Ukraine selbst, sondern Washington und Moskau die zentralen Entscheidungen vorbereiten. Dies unterstreicht den Charakter eines Stellvertreterkrieges. Geopolitisch profitieren die USA strukturell am stärksten vom bisherigen Kriegsverlauf: Russland wird militärisch, wirtschaftlich und politisch geschwächt, während die EU erhebliche ökonomische Kosten trägt, an Wettbewerbsfähigkeit verliert und sicherheitspolitisch noch abhängiger von den USA wird. Die amerikanische Rüstungs- und Energieindustrie erzielt große Gewinne, während die USA selbst keine direkten Kriegsfolgen erleiden. Für Russland bleibt der Konflikt ebenfalls kostspielig, jedoch wahrt es voraussichtlich die Kontrolle über Teile der besetzten Gebiete. Langfristig verstärkt sich allerdings seine Abhängigkeit von China. Die Ukraine trägt dabei die schwersten Lasten: massive Zerstörungen, hohe Opferzahlen, wirtschaftliche Abhängigkeit und der Verlust eigener politischer und wirtschaftlicher Handlungsspielräume. Der mögliche 28-Punkte-Plan reflektiert diese Machtverhältnisse: territoriale Zugeständnisse, Entmilitarisierung, Sicherheitsgarantien – ein Arrangement, das weniger ukrainische Vorstellungen widerspiegelt, sondern vielmehr die Interessen der beiden Großmächte. Insgesamt zeigt sich ein Konflikt, in dem die Ukraine zum geopolitischen Schauplatz geworden ist und die USA, EU und Russland sehr ungleich von den Folgen betroffen sind.
    • Leserbrief von Paul Vesper aus Aachen (24. November 2025 um 11:00 Uhr)
      Sehr geehrter Herr Hidy, leider ist Ihr erster Denkanstoß schon falsch. Der Krieg war und bleibt so schon von Anfang an eine Auseinandersetzung zwischen der RF und der NATO, deren Mitglieder sich hinter den USA in deren Schutz lautstark mit eigenen Interessen durchsetzen wollen. Mit dem irrlichtilierenden Trump ist eine neue Komponente dazugekommen. Jeder Krieg ist ein Schaden für jedes beteiligte Land, auch für die USA. Am wenigsten betroffen ist die VR China. Die RF bezahlt den Krieg mit ihren Energieexporten, die USA mit ihren Dollar-Schulden, und wir, die Bundesrepublik? Mit neuen überdimensionalen Krediten, die als »Sondervermögen« weggelogen werden sollen. Frankreich und England stecken wirtschaftlich in einer schweren Krise, die jetzt schon innenpolitisch schwere Verwerfungen nach sich zieht. Wie es weitergeht? Die Zeichen stehen auf weitere Kriegsmonate: »Im Osten nichts Neues.« Es wird vielleicht zu einer Kapitulation und dem Zusammenbruch der Ukraine und ihrer staatlichen Institutionen kommen. Davor haben natürlich realistisch denkende Teile in der Präsidialverwaltung der USA, vielleicht sogar Trump selbst, Angst. Wir werden es miterleben und uns am Geheul unserer Kriegsapologeten, wenn der NATO-Krieg verloren ist, erfreuen und über ein Kriegsende glücklich sein. Paul Vesper

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