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Aus: Ausgabe vom 21.11.2025, Seite 6 / Ausland
UNRWA

BRD folgt Israels Propaganda

Deutschland stimmt der Mandatsverlängerung für das Palästinenserhilfswerk UNRWA nicht zu. Israels Angriffe auf Gaza gehen weiter
Von David Siegmund-Schultze
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Die BRD ist nicht dafür, dass palästinensische Kinder in UNRWA-Schulen unterrichtet werden (Gaza-Stadt, 26.10.2025)

Israels Verleumdungskampagne gegen das Palästinenserhilfswerk UNRWA wirkt bei der Bundesregierung: Erstmals hat die BRD am Mittwoch einer Mandatsverlängerung der 1949 gegründeten UN-Organisation nicht zugestimmt. Der deutsche Vertreter enthielt sich bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung in New York. Außenminister Johann Wadephul (CDU) begründete die Entscheidung damit, dass Berlin zunächst »konsequente und überprüfbare Reformen innerhalb der UNRWA« erwarte. Neben der BRD enthielten sich 15 weitere Staaten, elf stimmten dagegen und 144 dafür. Im Dezember wird in der UN-Generalversammlung endgültig über die Verlängerung des Mandats, das Mitte 2026 ausläuft, abgestimmt.

UNRWA ist dem israelischen Staat ein Dorn im Auge. Seit der Vereidigung der extrem rechten Regierung Benjamin Netanjahus im Dezember 2022 und dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 bekämpft Tel Aviv das Hilfswerk intensiver denn je. Ende Oktober 2024 hatte die Knesset ein Gesetz erlassen, das UNRWA aus »israelischem Gebiet« verbannt und zur »Terrororganisation« erklärt. Seit Januar dieses Jahres wird UNRWA-Mitarbeitern der Zugang zu den besetzten palästinensischen Gebieten verwehrt. Im Zuge des Genozids im Gazastreifen hat Israels Armee systematisch Einrichtungen des Hilfswerks angegriffen. 312 Gebäude sind dabei laut UN-Angaben zerstört oder beschädigt und mehr als 380 UNRWA-Mitarbeiter getötet worden.

Tel Aviv wirft der UN-Organisation vor, von der Hamas unterwandert zu sein. Mehrere unabhängige Untersuchungen, zuletzt durch ein von der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna geleitetes Gremium, wiesen den Vorwurf jedoch vehement zurück. »Die Regeln, Mechanismen und Verfahren« des Hilfswerks seien »die ausgefeiltesten innerhalb des UN-Systems«, fasste Colonna das Ergebnis des Gutachtens zusammen. UNRWA versorgt etwa sechs Millionen palästinensische Geflüchtete in den besetzten Gebieten, Libanon, Jordanien und Syrien. Im Gazastreifen stellt die Organisation große Teile des Bildungs- und Gesundheitssystems und leitet die humanitäre Versorgung der Bevölkerung. Da UNRWA versucht, die Lebensgrundlage der Palästinenser zu sichern, ist der Angriff auf die Organisation als elementarer Teil der genozidalen Politik Israels zu verstehen. Außerdem ist damit die Absicht verbunden, dem Geflüchtetenstatus der 1948 und 1967 vertriebenen Palästinenser ein Ende zu setzen. Denn das Hilfswerk sieht es als seine Kernaufgabe an, diesen Status solange aufrechtzuerhalten, bis es eine politische Lösung gibt und Israel das begangene Unrecht wiedergutmacht. Davon will Tel Aviv jedoch nichts wissen.

Statt dessen fliegt die Armee fast täglich Luftangriffe auf den Gazastreifen – und verletzt den am 10. Oktober vereinbarten Waffenstillstand nach Belieben. Mindestens fünf Menschen wurden bei Bombardements in Khan Junis bis Donnerstag nachmittag getötet, wie ein Sprecher des Nasser-Krankenhauses mitteilte. Am Mittwoch tötete das Militär bei mehreren Angriffen 28 Menschen, wie die israelische Zeitung Haaretz berichtet. Nach Angaben aus Krankenhäusern in der Enklave sind 17 Frauen und Kinder unter den Getöteten. Israels Armee behauptete, sie habe lediglich auf Beschuss durch die Hamas reagiert. Dabei seien keine Soldaten verletzt worden. Die Hamas wies den Vorwurf zurück. Seit Beginn des Waffenstillstands hat das Militär nach Angaben von Gazas Gesundheitsbehörde mindestens 280 Palästinenser getötet.

Die Menschen in der abgeriegelten Enklave befinden sich noch immer in einer humanitären Notlage. Israel blockiert weiter die ungehinderte Einfuhr von Hilfsgütern, Zelten, Baumaterialien und schwerem Gerät für Bergungs- und Aufräumarbeiten. »Uns fehlen alle wichtigen Dinge für den Winter: keine Decken, keine Teppiche, keine Bettwäsche«, sagte die 62jährige Sabah Al-Breem der britischen Zeitung The Guardian. Laut Hilfsorganisationen herrscht akute Not an Unterkünften. Die meisten Häuser sind zerstört oder liegen jenseits der teils willkürlich gezogenen »gelben Linie« in von Israel kontrolliertem Gebiet – und sind damit nicht erreichbar.

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