Mogelpackung
Von Reinhard Lauterbach
Viel mehr kann man nicht als gesichert annehmen: Offenbar haben Ende Oktober diskrete Gespräche zwischen den USA und Russland über Optionen für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine stattgefunden. Denn zu widersprüchlich ist das, was verschiedene angelsächsische Medien über den möglichen Inhalt einer dabei geschlossenen Vereinbarung veröffentlicht haben, ganz einfach deshalb, weil die hinter den Indiskretionen stehenden Interessen zu widersprüchlich sind. Die seriöseste Auskunft zu der ganzen Thematik dürfte die Antwort des russischen Präsidialamtssprechers Dmitri Peskow sein, es gebe seit dem Treffen Trumps und Putins in Alaska im August nichts Neues zu berichten.
Das Informationschaos ist vermutlich beabsichtigt. Man sieht das am Bericht des Telegraph über den angeblichen Inhalt dieses neuesten Trump-Vorschlags: Russland solle den ganzen Donbass bekommen, aber dafür an die Ukraine eine Pacht für die entgangenen Einkünfte aus der Rohstofförderung zahlen. Das wären Reparationen durch die Hintertür, und die zahlt derjenige, der den Krieg verloren hat. Russland ist das nach derzeitigem Stand nicht. Wer lässt sich denn so etwas einfallen? Vielleicht Beamte der britischen Regierung, die nicht dabei und deshalb a priori beleidigt sind, dass etwas an ihnen vorbei passiert. Maximal soll dieser Vorschlag austesten, was ukrainische Politik und Öffentlichkeit eventuell hinnehmen könnten. Als argumentativen Vorteil nennt die Londoner Zeitung, dass die Ukraine damit die Gebiete Lugansk und Donbass juristisch gar nicht abtreten würde, wodurch dann auch die Notwendigkeit eines in der Verfassung vorgesehenen Referendums über Gebietsabtretungen entfiele – weil dabei eine Ablehnung programmiert wäre. Das mag schon sein, aber warum sollte Russland der Ukraine innenpolitische Schwierigkeiten ersparen wollen?
Noch ein Beispiel für so einen falschen Fuffziger: Das Russische solle wieder den Status einer offiziellen Sprache der Ukraine bekommen. Das wäre für die in Kiew regierenden Nationalisten schwer zu verdauen, aber nachdem jüngste Umfragen ergeben haben, dass auf den Kiewer Schulhöfen in den Pausen 80 Prozent der Kinder und 52 Prozent der Lehrkräfte Russisch sprächen, muss die Politik der Zwangsukrainisierung ohnehin als gescheitert gelten. Oder dass das Verbot der mit Moskau assoziierten orthodoxen Kirche aufgehoben werden soll, aber nur in den Territorien, die Russland sowieso kontrolliert und wo das Verbot entsprechend nur auf dem Papier steht. Also eine Mogelpackung.
Aber eines kann man doch als zweite Gewissheit festhalten: Die größten Gegner einer Beendigung des Krieges sitzen in Europa. Aus Brüssel, wo Kaja Kallas auf einen Platz am Verhandlungstisch für die EU pocht, aus Berlin und Warschau meldeten sich sofort Politiker, denen die ganze Richtung nicht passt. Frieden ohne sie? Nichts schlimmer als das.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Dariusz Borowicz/Agencja Wyborcza.pl via REUTERS19.11.2025Tusk beschuldigt Moskau
Stringer/REUTERS17.11.2025Vormarsch im Nebel
epd/IMAGO15.11.2025Wider das Absegnen der eigenen Kriegstüchtigkeit
Mehr aus: Ansichten
-
Reiche bashen
vom 21.11.2025 -
Entlarvende Ehrlichkeit
vom 21.11.2025 -
Besserwissender des Tages: Cem Özdemir
vom 21.11.2025