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Aus: Ausgabe vom 25.10.2025, Seite 7 / Ausland
Türkei

Profiteur im Hintergrund

Türkei bringt sich für Wiederaufbau und Sicherung von Gazastreifen in Stellung – Verhältnis zu Israel bleibt angespannt
Von Emre Şahin
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Mehr als ein Zeichen guten Willens: Erdoğan setzt seine Unterschrift unter den Trump-Plan (Scharm Al-Scheich, 13.10.2025)

Israels vom Westen unterstützter Krieg gegen die Hamas, die Hisbollah und den Iran hat das regionale Machtgefüge zwar zugunsten Tel Avivs verschoben, bringt jedoch auch neue Herausforderungen mit sich. Vom Fall Baschar Al-Assads in Syrien und von den israelischen Schlägen gegen den Iran und seine Verbündeten profitierte mit am meisten Teherans regionaler Gegenspieler Türkei. Seit Monaten häufen sich vor allem die Stimmen aus Israel, die als nächstes von einem möglichen Konflikt mit Ankara sprechen.

Weil sich die Türkei wie so häufig als US-Erfüllungsgehilfe erwiesen und die Hamas zur Akzeptierung des Gazaabkommens von US-Präsident Donald Trump gedrängt hat, konnte sie als Belohnung einen Fuß in den durch Bomben zerstörten Küstenstreifen setzen. 81 Mitarbeiter der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad befinden sich aktuell in Gaza, um nach den Leichen der noch verbliebenen israelischen Geiseln zu suchen. Geht es nach Präsident Recep Tayyip Erdoğan, soll sich die türkische Bauindustrie bald um den Wiederaufbau des Gazastreifens kümmern – angesichts der Tatsache, dass die Branche zu den korruptesten im Land gehört und das Netzwerk der Regierungspartei AKP finanziert, ist das alles andere als eine Geste, die einzig dem guten Willen geschuldet ist.

Im Raum steht auch die Präsenz von türkischen Soldaten im Rahmen der von Trump vorgeschlagenen »Internationalen Friedenstruppe«, die nach einer eventuellen Entwaffnung der Hamas für Sicherheit sorgen soll. Doch während es im Gazastreifen noch bei Szenarien bleibt, was geschehen könnte, wenn türkische Soldaten durch israelische Truppen beschossen würden, ist das Eskalationspotential in Syrien real. Die Staaten sind dort im Grunde Nachbarn: Ankara hält Teile Nordsyriens besetzt, während Israel Gebiete Südsyriens okkupiert hat. Abstrus: Beide beschuldigen sich gegenseitig der Besatzung.

Erdoğan fühlt sich mit dem Sturz Assads durch seinen dschihadistischen Protegé Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) als neuer Hausherr in Damaskus. Er unterstützt den Aufbau eines starken syrischen Zentralstaats, der die Abschiebung der von den Türken nicht gewollten drei Millionen syrischen Geflüchteten ermöglicht. Zudem werden syrische Einsatzkräfte ausgebildet, und Damaskus wird gedrängt, jegliche kurdische Autonomie zu verhindern.

Für Israel waren die Dschihadisten ebenfalls gut genug, um Assad in einem langwierigen Krieg zu schwächen und durch die iranische Intervention in Syrien Teherans Ressourcen zu verschwenden. Eine türkischhörige islamistische Regierung lag allerdings nicht im Interesse Tel Avivs. Schon ist statt der iranischen »Achse des Widerstands« von einer türkisch-katarischen »Achse der Muslimbruderschaft« die Rede; der mit der Prüfung des israelischen Kriegshaushalts beauftragte Nagel-Ausschuss warnte Anfang des Jahres vor dem wachsenden türkischen Einfluss im Land. Anfang April ließ Israel die syrische T4-Luftwaffenbasis bombardieren, die als künftiger türkischer Stützpunkt den Einfluss der Türkei gen Süden erweitern sollte.

Ein dritter Grund für die Verstimmung beider Staaten ist Zypern: Nikosia hat kürzlich das israelische Luftabwehrsystem »Barak MX« beschafft, dessen integrierter Radar ELM-2084 Fernüberwachung und Geheimdienstsammlungen im gesamten östlichen Mittelmeer ermöglicht. Gleichzeitig beschränkt die (Energie-)Achse Tel Aviv–Nikosia–Athen die türkischen Gebietsambitionen im östlichen Mittelmeer, zusammengefasst in der Doktrin »Blaue Heimat«.

Aktuell herrscht eine »kontrollierte Spannung« zwischen Israel und der Türkei. Im April führten Gespräche zwischen Delegationen beider Länder in Baku zur Einrichtung einer »Hotline« in Syrien, um Zusammenstöße zu vermeiden. Der türkische Außenminister Hakan Fidan erklärte unlängst, die Türkei wolle keinen Konflikt mit Israel, und Unrecht hat er damit nicht. Erdoğan nutzt die antiisraelische Rhetorik zur Inszenierung und Mobilisierung seiner Basis. Nach außen gibt Ankara vor – im vergangenen Jahr Israels fünftgrößter Handelspartner –, die Geschäfte mit Tel Aviv suspendiert zu haben, obwohl das angebliche Embargo über Griechenland und Zypern umgangen wird. Und auch die NATO-Radarstation in Kürecik ist intakt und überwacht sämtliche iranische Aktivitäten zum Schutz Israels.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (25. Oktober 2025 um 10:45 Uhr)
    Erinnern wir uns daran, mit welchen enormen Schwierigkeiten die Türkei nach dem verheerenden Erdbeben im Februar 2023 zu kämpfen hatte, um die Schäden überhaupt ansatzweise zu bewältigen. Warum also ist das Land jetzt plötzlich bereit, beim Wiederaufbau des Gazastreifens zu helfen? Die Antwort liegt weniger in humanitärer Verantwortung, sondern vielmehr im machtpolitischen Kalkül von Präsident Erdoğan. Sein Ziel ist es, durch seinen dschihadistischen Protegé Haiat Tahrir al-Scham (HTS) in Syrien als neuer Hausherr in Damaskus Einfluss zu gewinnen und den Nahen Osten politisch mitzugestalten – nicht nur, um die Kurden in Schach zu halten. Dabei besteht die reale Gefahr, dass anstelle der iranischen »Achse des Widerstands« eine türkisch-katarische »Achse der Muslimbruderschaft« entsteht – ein islamistisch geprägtes Machtbündnis, das sich von Gaza über Syrien bis nach Ägypten erstrecken könnte. Erdoğan zeigt sich einmal mehr als strategisch kalkulierender Machtpolitiker auf islamistischer Grundlage – einer, der humanitäre Hilfe und Wiederaufbau als Instrument seiner geopolitischen Agenda nutzt.

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