Algerien schlägt Alarm
Von Sabine Kebir
Diese Pressekonferenz wirkt nach. Mitte Oktober erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow vor arabischen Journalisten in Moskau: »Wir wissen, dass es Spannungen zwischen unseren Freunden in Algerien und unseren Freunden in Mali gibt.« Diese reichten »bis in die Kolonialzeit zurück, als die Grenzen Afrikas künstlich gezogen wurden«. Weiter sprach er davon, dass die Tuareg in Algerien und Mali »das gleiche Schicksal« teilten, »da die Kolonialherren ihre Verbreitung ignorierten«.
Allein das Ansprechen der Grenzziehung löste in Algier Alarmglocken aus, denn die durch einen Militärputsch 2021 an die Macht gelangte Regierung Malis stellt sie in Frage, seit die algerischen Streitkräfte Ende März eine von Mali aus gelenkte Drohne abgeschossen haben. Sie verfolgte eine fliehende Tuareggruppe, die sich bereits auf algerischem Gebiet befand. Dass es sich um algerisches Territorium handelte, bestreitet Mali neuerdings mittels einer Landkarte, die 1960 von der französischen Kolonialmacht bei den Verhandlungen um die Unabhängigkeit der beiden Länder auf den Tisch gelegt worden war. Da sich Frankreich eher in Mali als in Algerien den Zugriff auf die saharischen Rohstoffe erhoffte, wollte es umfangreiche Teile der Wüste ersterem Land zusprechen. Den algerischen Verhandlern gelang es damals, die aktuelle Grenzziehung durchzusetzen. In der Erwägung, dass erneute postkoloniale Grenzfestlegungen mehr Konflikte als Lösungen nach sich ziehen würden, hat die Afrikanische Union stets dafür plädiert, die kolonialen Grenzen zu respektieren, aber so durchlässig wie möglich zu halten. Was in der Sahara kein Problem darstellt. Denn es ist dort eher schwierig, die langen Grenzen zu schützen.
Malis und Algeriens Regierungen pflegten – unabhängig von politischen Konjunkturen – bis vor zwei Jahren immer freundschaftliche Beziehungen. Die Grenze war noch kein Problem, als infolge neoliberaler Vernachlässigung 2012 im Tuareggebiet eine Unabhängigkeitsbewegung entstand, die sich zunächst mit islamistischen bewaffneten Gruppen verbündete. Durch algerische Vermittlung konnte 2015 ein Befriedungsabkommen zwischen den Tuareg und der damaligen Regierung geschlossen werden, in dem die territoriale Integrität Malis ausdrücklich festgeschrieben war. Ein Teil der Tuareg, vor allem aber dschihadistische Gruppen, waren mit dem Vertrag nicht einverstanden. Es kam zu Terroranschlägen in großen Städten der algerischen Sahara: in Tamanrasset, Ouargla und sogar Tindouf, wo Kriegsvertriebene aus der Westsahara leben. Letzteres ließ den Verdacht aufkommen, dass die malischen Aufständischen von Marokko infiltriert waren.
Die Militärregierung erklärte das Abkommen vor zwei Jahren für nichtig, um zu versuchen, den Norden militärisch unter Kontrolle zu bringen. Die aufständischen Tuareg gelten wieder als Terroristen, und es kommt im algerischen Grenzgebiet oft zu militärischen Zwischenfällen.
Bei einer gescheiterten Klage gegen Algerien vor dem Internationalen Gerichtshof der UNO wegen des Drohnenabschusses stellte Mali nicht nur die Grenze in Frage, sondern beschuldigte das Nachbarland auch, den internationalen Terrorismus zu unterstützen. Das bezieht sich nicht nur auf aktuelle Zwischenfälle, sondern bereits auf die Zeit, als Ende der 1990er Jahre der algerische Bürgerkrieg zu Ende ging und dschihadistische Gruppen nach Nordmali auswichen. Bamako stellt das heute als geheimdienstliche Infiltration durch Algerien hin. Dass Algier die Islamisten nicht auf malischem Boden bekämpfte, entsprach dem Völkerrecht, das keine militärischen Aktionen auf fremdem Staatsgebiet zulässt.
Bedauerlicherweise kam es damals zu keiner Kooperation beider Staaten gegen die dschihadistischen Umtriebe. Das hing mit der Ausrüstungsschwäche der malischen Ordnungskräfte zusammen, die den Norden nicht kontrollieren konnten. Um so wichtiger wäre es, die Kooperation jetzt herzustellen und um neue Versöhnungsprogramme zu erweitern. Dass Russland versuchen will, dies zu vermitteln, hat Sergej Lawrow versprochen.
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