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Aus: Ausgabe vom 25.06.2025, Seite 7 / Ausland
Geopolitik

Afrika im Mittelpunkt

Russland und die EU wollen ihre Position auf dem Kontinent stärken. Doch nicht nur die USA unter Trump haben ein Imageproblem
Von Jörg Tiedjen
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Umworbener Gast: Malis Staatschef Goïta und der russische Vizeverteidigungsminister Jewkurow am Grabmal des unbekannten Soldaten (Moskau, 23.6.2025)

Der neue Wettlauf um Einfluss in Afrika nimmt Fahrt auf. Das beweisen die rege Reisediplomatie und internationale Treffen in diesen Tagen. So ist Malis Präsident Assimi Goïta überraschend nach Moskau gereist, wo er am Montag von seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin empfangen wurde, wie das Nachrichtenportal Mali Actu mitteilte. Ein zentraler Aspekt der laut Medienberichten »intensiven Gespräche« zwischen den beiden Staatsoberhäuptern war die Sicherheitslage in der aus den Ländern Mali, Burkina Faso und Niger bestehenden »Allianz der Staaten des Sahel« (französische Abkürzung: AES), deren Vorsitz Goïta innehat. Laut dem im Frühjahr veröffentlichten »Global Terrorism Index« verzeichnete allein die Sahelregion im vergangenen Jahr 51 Prozent aller Terroropfer weltweit. Bei der Bekämpfung von Dschihadisten setzen die drei AES-Staaten aber auf russische Hilfe. Erst Anfang des Monats wurde die russische Söldnertruppe »Wagner« aus Mali abgezogen und durch Einheiten des regulären »Afrikakorps« der russischen Armee ersetzt. Angesichts der jüngsten Zurückhaltung Russlands im Nahen Osten sind allerdings Sorgen laut geworden, ob das Land wirklich für die Sicherheit seiner Verbündeten garantieren kann.

Während Goïta sich am Sonntag auf dem Weg zu seinem fünftägigen Staatsbesuch in Russland befand, tagte in der nigerianischen Hauptstadt Abuja die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Dabei standen einmal mehr die Formalitäten des Austritts der AES aus dem vor fünfzig Jahren gegründeten Zusammenschluss auf der Tagesordnung. Alles weist darauf hin, dass die ECOWAS ihr Werben um den Verbleib der AES-Staaten in ihrer Mitte aufgegeben hat. Denn am Ende wurde nicht, wie der Seite Africa Intelligence zufolge erwartet worden war, Senegals Präsident Bassirou Diomaye Faye zum neuen ECOWAS-Vorsitzenden bestimmt, sondern Sierra Leones Staatschef Julius Maada Bio. Während Faye sich gemeinsam mit seinem Premierminister Ousmane Sonko für einen konzilianten Kurs gegenüber der AES eingesetzt hatte, gilt Bio gegenüber der AES als unnachgiebig. Des weiteren ging es bei dem Treffen in Abuja um das Projekt der Gemeinschaftswährung ECU, das die ECOWAS als Alternative zum neokolonialen Franc CFA vorantreiben will.

Das waren noch nicht alle aktuellen Treffen zu Afrika. Am Montag eröffnete in Angolas Hauptstadt Luanda der bis Mittwoch dauernde US-Africa Business Summit. Gemäß Ankündigung soll dieser Wirtschaftsgipfel »mehr als 1.500 Teilnehmer zusammenbringen, darunter Staatsoberhäupter, Regierungsvertreter und Wirtschaftsführer aus den USA und Afrika«. Erklärtes Ziel ist natürlich die Stärkung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Allerdings hat US-Präsident Donald Trump gerade auf dem afrikanischen Kontinent mit seiner Zoll- und Visapolitik, seinen Vorhaltungen gegenüber Südafrika, dass dort ein »Genozid« an der weißen Siedlerbevölkerung stattfinde, sowie seiner unbedingten Parteinahme für Israel, die er aber mit seinem Vorgänger Joe Biden und der EU teilt, auf diplomatischem Gebiet verbrannte Erde hinterlassen.

Auch die EU und ihr Mitgliedstaat Italien wittern ihre Chance. Schon am Freitag hatten in Rom EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die ultrarechte Premierministerin Giorgia Meloni angekündigt, 1,2 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte in Afrika zu investieren, etwa in den Ausbau von Eisenbahnlinien. Die Mittel dazu stammen aus dem EU-Projekt »Global Gateway« und aus Melonis »Mattei-Plan«, benannt nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer und Gründer des italienischen Energiekonzerns ENI, Enrico Mattei. Beide Politikerinnen müssen sich jedoch laut dem Portal Euractiv den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihnen weniger um Kooperation mit Afrika auf der Ebene der Gleichberechtigung als um den Kampf gegen Migration sowie vor allem die Energiesicherheit geht, und das vor allem auf dem Gebiet fossiler Brennstoffe wie Erdgas. Dagegen hat sich mittlerweile die Koalition »Don’t Gas Africa« gebildet, der mehr als 80 afrikanische NGOs angehören, von denen die Vorhaben aus Rom und Brüssel als »neokolonial« abgelehnt werden.

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