Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
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    Spaß und Kampfgeist

    Sebastian Wessels
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    Am Sonntagabend eröffneten Gäste und Mitglieder der Bundestags-Linksfraktion die Veranstaltungsreihe »Menschen vor Profite« in Bad Doberan. Noch bis Dienstag öffentliche Anhörungen

    »Die größte Gewalt geht von der G 8 selbst aus« - damit spricht Christine Buchholz vom WASG-Bundesvorstand einigen Hundert Besuchern im Bad Doberaner Zelt der Linksfraktion so aus dem Herzen, daß langanhaltender Applaus ausbricht. Die Protestler sind es leid, sich wegen der Gewalttätigkeiten einiger Autonomer immer wieder zur »Gewaltfrage« äußern zu müssen, während diese Frage den G-8-Kriegsherren und -damen kaum gestellt wird, die Gewalttätigkeiten einer völlig anderen Dimension zu verantworten haben. Die Ausschreitungen »ändern nichts an der Richtigkeit der Botschaft« der Protestbewegung, betont Buchholz als Moderatorin der Veranstaltung; »die G 8 ist illegitim, die Proteste sind weiterhin notwendig«.

    Unter dem Motto »Menschen vor Profite« lädt die Linksfraktion im Bundestag von Sonntag bis Dienstag zu öffentlichen Anhörungen in Bad Doberan, der Muttergemeinde von Heiligendamm. In einem kleinen Park des malerischen Städtchens wurde dazu ein Großzelt errichtet, das zur Auftaktveranstaltung am Sonntag abend zum bersten gefüllt war. Dies lag sicherlich auch an der illustren Rednerliste: Walden Bello war zugegen, jener Autor, Professor und Globalisierungsgegner von den Philippinen, der bereits auf der Kundgebung am Samstag abend eine so kämpferische Rede gehalten hatte, daß ihm eine Presseagentur sogleich einen Aufruf zum Krieg angedichtet hatte. Bello ließ sich davon jedoch nicht schrecken und lobte erneut den »Geist von Genua«, der Heiligendamm umwehe. Der Theologe Eugen Drewermann löste mit einer eindringlichen Antikriegsrede Begeisterung aus; Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Linksfraktion, sprach als letzter und plädierte dafür, »nicht von Globalisierung, sondern von Kapitalismus« zu sprechen. Nachdem er schon mit Jubel empfangen worden war, hielt der Applaus im Anschluß an seinen Redebeitrag mehrere Minuten an und mündete in rhythmische Sprechchöre: »A-anti-anticapitalista, a-anti-anticapitalista«, die er lächelnd entgegennahm.

    Auf dem Rasen vor dem Zelt sind Infostände, Tische, Sonnenschirme und eine Grillbude aufgebaut, um die sich Besucher gruppieren, essen, trinken und sich unterhalten. Das Wetter ist in den frühen Abendstunden freundlich, und auch die gut zehn Polizisten, die sich ums Zelt herum postiert haben, trüben die Stimmung kaum, zumal man in dieser Gegend derzeit an ganz andere Aufgebote gewöhnt ist. Im anschließenden Kulturprogramm wagt man sogar ein wenig Klamauk: Ein aufgekratzter Diether Dehm, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, gibt unter Gelächter der noch im Zelt Verbliebenen singend eine Heinz-Schenk-Imitation zum Besten. In der Pause hatte er bereits Brecht-Lieder dargeboten: „Vorwärts, und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht – die So-li-da-ri-tät!"

    Das Zusammentreffen von Spaß und Kampfgeist zeichnete von Beginn an weite Teile der G-8-Protestbewegung aus - »Wir haben Spaß, ihr Bereitschaft«, heißt es ganz in diesem Sinne auf einem Transparent an der Zufahrt zum Camp Reddelich, wo die Polizei ständig Wache hält. Am Sonntag abend kam diese Haltung wohl am besten in dem Lob zum Ausdruck, das Lafontaine der G-8-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel aussprach, gefolgt von Gelächter und stürmischem Applaus. Die Bundesregierung, erklärte er, definiere Terrorismus als »rechtswidrige Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele«. Mit Blick auf den Sperrzaun um Heiligendamm fuhr er fort: »Merkel hat die Topterroristen der Welt hinter Gitter gebracht«.

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    Wem nützt es?

    Ulla Jelpke

    War es die angestaute Wut über die vorangegangenen Razzien und die Polizeischikanen während der Hamburger Demo gegen den EU-Asien-Gipfel am Wochenende zuvor? War es eine Reaktion auf das provokante Auftreten vermummter Polizei-Spezialeinheiten?
    Wurden die Straßenkämpfe von erlebnisorientierten Autonomen oder Steine schmeißenden Agents Provocateurs ausgelöst? Abschließend wird sich diese Frage nicht klären lassen. Doch wichtig ist nicht, wer den ersten Stein warf. Entscheidend ist, wem die Szenen von einem brennenden Auto, von vermummten Straßenkämpfern und hunderten Verletzten auf beiden Seiten am Ende nützen.

    Den kommerziellen Medien spielten die heißersehnten Bilder von den Straßenschlachten ebenso in die Hände wie den staatlichen Repressionsorganen.
    Wolfgang Schäuble und die Innenminister der Länder können nun damit rechnen, daß ihre Forderungen nach noch härterem Durchgreifen der Polizei und nach noch mehr Demo-Verboten auf höhere Akzeptanz stoßen.

    Was die vorangegangene Kriminalisierung der G-8-Proteste durch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, die § 129 a-Razzien und die Medienhetze nicht geschafft haben, ist nun eingetreten: die breite Protestbewegung gegen den G-8-Gipfel wurde an der Militanzfrage gespalten. Attac und andere Veranstalter der Großdemonstration haben sich von den Autonomen distanziert und diese für unerwünscht erklärt.

    Für die weiteren Proteste werden die Gewaltszenen demobilisierend wirken. Viele Demonstrationsteilnehmer sind verunsichert. Schon wird diskutiert, ob die geplanten Blockaden und Demonstrationen stattfinden sollen.

    Während das solidarische Zusammenstehen einer Demonstration gegen Polizeiübergriffe auch pazifistisch orientierten Demonstranten einsichtig ist, lassen sich Steinwürfe, Molotowcocktails und brennende Autos nur schwer vermitteln. Vor diesen Bildern gingen zudem die Inhalte der Demonstration – egal ob reformistisch oder revolutionär – völlig unter. Die meisten Medien konzentrierten sich auf die Zusammenstöße zwischen der Polizei und einer Minderheit der Demonstranten.

    Diejenigen, die mit militanten Aktionen in den kommenden Tagen gegen den Sperrzaun anrennen wollten, haben nun ihr Pulver schon im Vorfeld verschossen. Daß sich die Gewalt des »schwarzen Blocks« bereits Tage vor Beginn des G-8-Gipfels fernab von Heiligendamm entlud, lag allein im Interesse der Polizei. Die Autonomen müssen sich fragen lassen, wie weit sie einer gezielten Provokationsstrategie der Polizei auf den Leim gingen.

    Wir sollten aus den Vorfällen lernen, das Potential zivilen Ungehorsams richtig einzusetzen und sinnlose Gewaltausbrüche zu unterbinden. Pazifistisch orientierte Gruppierungen dürfen anderen Strömungen der Linken ihre Taktik nicht aufzwingen – ebemo wenig aber sollte eine Minderheit selbsternannter Straßenkämpfer eine Großdemonstration von 80 000 Menschen nicht in Geiselhaft für ihre Aktionen nehmen. Die Autonomen sind aufgefordert, sich der Kritik und Debatte innerhalb der Linken stellen.

    Festgestellt werden muß aber auch: Die größte Gewalt geht von Regierungen jener Staaten aus, die sich in Heiligendamm versammeln. Im Irak, in Afghanistan und vielen anderen Orten fallen der imperialistischen Kriegspolitik Tausende zum Opfer – mit deutscher Beteiligung oder  Unterstützung.

    Gegen diese globale Gewaltmaschine müssen die Proteste weitergeführt werden – in Rostock-Lage und Heiligendamm, aber auch weltweit durch den Aufbau der Antikriegsbewegung und dem Kampf für eine antikapitalistische Alternative.

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    Für alternative Weltwirtschaftspolitik

    Berlin. Die Fraktion DIE LINKE. verweist auf die wirtschaftspolitischen Dimensionen des G8-Gipfels und der Protestveranstaltungen.
    Es ginge beim Gipfel keineswegs um eine "Globalisierung mit menschlichem Antlitz", wie Kanzlerin Merkel und die PR-Abteilungen der G8-Regierungen weis machen wollten. Ulla Lötzer, Sprecherin für internationale Wirtschaftspolitik und Globalisierung, erklärte: »Gerade der deutschen Bundesregierung geht es bei diesem Gipfel der Ungerechtigkeit vor allem um drei harte ökonomische Anliegen: Investitionsfreiheit, ungehinderter Zugang zu Rohstoffen und verschärfter Schutz so genannten geistigen Eigentums.«
    Investitionsfreiheit bedeute, Menschen und Regierungen daran zu hindern, die Praktiken von Transnationalen Konzernen zu regulieren. Freihandel ermögliche eine fortgesetzte und rücksichtslose Übernutzung natürlicher Ressourcen, gerade auch in Afrika. Der intensivierte Schutz 'geistigen Eigentums' diene den Monopolprofiten der Konzerne sowie der weiteren Privatisierung von Wissen in den Händen weniger.
    DIE LINKE. sei bei den Protesten in Rostock und Bad Doberan präsent und werde die sozialen Rechte und den wirklichen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ganz oben auf die Tagesordnung setzen.

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    Lothar Bisky: »Keine Gewalt«

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    Berlin - Die Linkspartei.PDS hat sich von den Ausschreitungen in Rostock während der G8-Proteste am Wochenende distanziert und zur Gewaltlosigkeit aufgerufen. Parteichef Lothar Bisky bekräftigte am Montag in Berlin die Unterstützung für friedliche Demonstrationen gegen den G8-Gipfel. Den »bunten und kreativen Protest« Zehntausender nannte er ermutigend. Die Bilder von den Krawallen mit rund 1000 Verletzten seien aber »schlicht entsetzlich«.
    Gewalttaten schadeten der Globalisierungskritik und dem berechtigten Protest, betonte Bisky. Die Sicherheitshysterie von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble habe aber nicht zur Deeskalation beigetragen. Die Linkspartei appelliere an alle Teilnehmer und Sicherheitskräfte, sich nicht provozieren zu lassen und nicht zu provozieren.

    Zu guter Letzt konnte Bisky sich nicht verkneifen, an das Motto der Großdemonstrationen 1989/1990 zu erinnern, die das Ende der DDR einläuteten: »Keine Gewalt!« Damals habe es viele Proteste gegeben, ohne daß ein Mensch zu Schaden gekommen sei.

    (AP/jW)

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    Merkel wollte Grönemeyer friedlich stimmen

    Berlin. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu einem geheimen Protokoll über ein Vorbereitungstreffen im Kanzleramt zum G-8-Treffen.
    Demnach wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der inzwischen offiziell angekündigten Aufstockung der Entwicklungshilfemittel um 750 Millionen Euro auch Kritiker ihrer Afrika-Politik wie Herbert Grönemeyer friedlich stimmen.
    Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte am Montag in Berlin, die Bundesregierung wolle »grundsätzlich interne Papiere nicht kommentieren«.

    Die Süddeutsche Zeitung hatte aus einem fünfseitigen Protokoll des Gipfel-Vorbereiters Bernd Pfaffenbach von einem Treffen am 20. Mai im Kanzleramt zitiert, an dem angeblich neun Personen teilnahmen. Unter Punkt »5.-Afrika« findet sich nach Angaben des Blattes die Passage: »Für den Gipfel will die Bundeskanzlerin ankündigen, daß Deutschland 750 Millionen zusätzlich 2008 in den Haushalt einstellt. Bob Geldof habe ihr versichert, dass bei einem solchen Schritt er persönlich auf Kritiker wie Herbert Grönemeyer Einfluss nehmen werde, um deren Kritik zu mäßigen.«

    Der Sänger und Afrika-Aktivist Bob Geldof hatte in der vergangenen Woche eine »Rettet-Afrika«-Ausgabe der Bild-Zeitung als Chefredakteur des Blattes für einen Tag fabriziert. Auch Merkel gab ihm ein Interview. Geldof tritt gemeinsam mit Grönemeyer und dem U2-Sänger Bono am 7. Juni in Rostock bei einem Konzert anläßich des G-8-Gipfels und den Protesten dagegen auf.

    (AP/jW)

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    Polizeigewerkschaft NRW: Geißler ausschließen

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    Duisburg/Berlin. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) NRW, Rainer Wendt, hat in einem offenen Brief an CDU-Chefin Angela Merkel den Parteiausschluß des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler gefordert.

    Im Zusammenhang mit den Anti-G8-Protesten in Heiligendamm hatte Geisler die Demonstrationsfreiheit verteidigt und gesagt: «Wenn mich einer anfaßt, dann schlage ich zurück - und wenn es ein Polizist ist, dann schlage ich zurück.»

    Wendt, selbst seit mehr als 30 Jahren CDU-Mitglied ist, erklärte, es sei ihm angesichts dieser Aussagen «unerträglich», mit Geißler in derselben Partei zu sein. Das von Geißler reklamierte  Notwehrrecht gegen Polizeigewalt sieht Wendt als Rechtfertigung für Gewalt gegen Polizisten. Mit einer solchen Argumentation übernehme man Mitverantwortung für die Exzesse in Rostock. Damit habe sich Geißler «meilenweit von den Grundüberzeugen der CDU Deutschlands entfernt».

    (ddp/jW)

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    35 Haftbefehle bei Grenzkontrollen vollstreckt

    Berlin - Seit der Aussetzung des Schengener Abkommens hat die Polizei an den Grenzen 35 Haftbefehle vollstreckt und 85 Personen die Einreise verweigert. Dies berichtete der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Kaller, am Montag in Berlin.

    Insgesamt seien bisher 500.000 Personen kontrolliert worden. Das Verfahren, innerhalb der Schengen-Staaten Dänemark, Benelux, Frankreich, Österreich und Deutschland keine Grenzkontrollen durchzuführen, war anläßlich des G8-Gipfels Ende Mai ausgesetzt worden. Seitdem wird an allen deutschen Grenzen wieder die Ein- und Ausreise kontrolliert.
    Ob die Zurückweisungen und Verhaftungen inhaltlich im Zusammenhang mit den G8-Protesten stehen, konnte Kaller jedoch nicht sagen. Zumindest in Bezug auf die Verhaftungen glaube er es nicht, sagte er unter Verweis darauf, daß auch im vergangenen Jahr bei einer vergleichbaren Maßnahme zur Fußball-Weltmeisterschaft Personen an den Grenzen verhaftet worden seien, die sich ansonsten frei im Schengen-Gebiet hätten bewegen können, obwohl gegen sie ein Haftbefehl bestanden habe.

    Unter den in Rostock Festgenommenen betrage der Ausländeranteil nach ersten, noch nicht belastbaren Informationen etwa 15 bis 20 Prozent, sagte Kaller.

    (AP/jW)

  • · Pressespiegel

    Presseschau: Politische Themen wieder präsenter

    Inter Press Service: Sicherheitsmaßnahmen „nutzlos oder falsch gezielt"

    Krawall nach viel vorherigem Kontrollaufwand: Durchsuchungen von Wohnungen und Büros der G8-Gegner, Sperrungen ihres Internetzugangs, Beschlagnahmen von PCs und Mobiltelefonen, Einreisekontrollen und Aussetzung der Versammlungsfreiheit.

    Externer Link: Quelle

    Neue Zürcher Zeitung: „Die Grossen der Welt hinter dem Zaun"

    Die politischen Fragen, die beim G-8-Treffen debattiert werden sollen, sind in den Hintergrund geraten.

    Externer Link: Quelle


    Reuters: Vereintes Bedauern

    Die weltgrößte Nachrichtenagentur zitiert zu den Krawallen zuerst Mani Stenner, einen „Sprecher der Veranstalter": „Das war unentschuldbar, und das ist die Meinung aller beteiligten Gruppen" und dann den Kolumnisten von Bild am Sonntag, Claus Strunz: „Dabei sind gestern in diesem Land Bilder entstanden, die unser Ansehen in aller Welt beschädigen."

    Externer Link: Quelle

    Agence France Press: Wie es zur Gewalt kam

    Die Agentur verbreitet folgende Version: "Werner Rätz von Attac erklärte, die Zusammenstöße begannen, als die Gruppe der gewaltsamen Demonstranten Steine auf Polizeifahrzeuge warfen, in dem ein Polizist saß. Daraufhin setzte die Polizei zwei Bereitschaftskommandos ein, um den Polizisten zu retten, was zu Zusammenstößen führte." Und Rätz weiter: ‚Für eine solche Gewalt gegen Menschen gibt es keine Entschuldigung, und wir distanzieren uns förmlich davon.'

    Externer Link: Quelle


    Globe and Mail (Toronto/Kanada): Schwieriges Russland

    Der Umgang mit dem russischen Präsidenten werde den Gipfel beherrschen, schreibt der Europa-Korrespondent des Blattes aus Moskau. Aber Putin stelle den Westen vor ein Dilemma: Er ist so populär wie nie. Das Land sei dank des Energiereichtums wirtschaftlich stabil, aber „auf eine sonderbare Weise, d.h. durch eine wachsende Rolle des Staates in der Wirtschaft." Wenn Putin die Politik der USA kritisiert, komme das zuhause gut an. Es sei nicht damit zu rechnen, dass Putin sich ändert.

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    The Guardian (London): G8 müssen Bush drängen

    Das Weiße Haus, schreibt die liberale Londoner Zeitung, missachte das Kyoto-Protokoll nicht, weil es Mängel hat, sondern weil es in den Vereinten Nationen entstand. Diese würden in Washington oft als eine Verschwörung gegen die Macht der USA angesehen. Das Blatt fragt: Wozu ist Bushs alternativer Gipfel nötig? und erläutert: Jede Abmachung zur Beschränkung der Emissionen werde die USA als weltgrößten Schadstofferzeuger übermäßig unter Druck setzen. Nichts widerstrebe Bush so sehr, wie den großen Energiefirmen Steuern aufzuerlegen. Aber Bush bewege sich. Nur möchte er „behaupten, dass er im Kampf gegen die Klimaerwärmung die Führung übernimmt, wo er doch eigentlich nachholt. Diese Anmaßung sollte mit Nachsicht behandelt werden. Hat er doch anerkannt, dass es Zeit ist zu handeln."

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    The Sunday Business Post online (Irland): Merkel für Klimaverhandlungen in VN

    Die irische Wirtschaftszeitung meint, die Bundeskanzlerin werde "ein Hijacking der Verhandlungen durch die USA" nicht gutheißen, sondern "darauf bestehen, dass diese im Rahmen der Vereinten Nationen bleiben," Das bedeute, „dass jetzt eine Art von Abmachung erreicht werden muss, um einen Anstoß für Nach-Kyoto-Verhandlungen zu geben, die im Dezember in Bali beginnen sollen." Beim Thema Hedge Funds würde Merkel gerne eine Zustimmung der Großen 8 zu weiteren Regulierungsmaßnahmen erreichen. Aber die USA zögerten und hätten dabei die Unterstützung von Großbritannien und dem EU-Dienstleistungskommissar Charlie Mc Creevy.

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    The Standard (Hongkong): Niederlage bei Hegde Funds

    Die Hedge Funds seien eine Branche von 3.000 Milliarden Dollar, betont die chinesische Wirtschaftszeitung und meint, Deutschland werde in Heiligendamm einen erniedrigenden Schlag einstecken müssen. Das Blatt zitiert Werner Pfaffenbach mit dem Eingeständnis, dass wir „keinen großen Coup landen werden", aber diesmal, so der als Merkels Gipfel-„Sherpa" tätige Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministerium, seien die USA und Großbritannien, wo die meisten Fonds ihre Basis hätten, anders als vor zwei Jahren, bereit, „die Frage zu diskutieren."

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    Aktionstag Migration: Protest vor Ausländerbehörde

    Rostock - Am Montag morgen protestierten im Rahmen des Aktionstages Migration rund 1000 Menschen vor der Rostocker Ausländerbehörde gegen die Flüchtlingspolitik der G8-Staaten. Dabei kam es auch zu Sitzblockaden – flankiert von Polizeikräften im Kampfanzug. Es habe aber keine Zwischenfälle gegeben, sagte eine Polizeisprecherin.

    Um 13 Uhr beginnt die Hauptdemonstration des Aktionstages an der Flüchtlingsunterkunft Satowerstraße (Trambahnstation Neuer Friedhof, Linien 3 und 6). Ab 17 Uhr ist ein Kulturprogramm am Rostocker Stadthafen geplant.

    (AFP/jW)

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    »Ziel erreicht«: Polizei hält an Strategie fest

    Berlin / Rostock -  Trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande der Anti-G8-Demonstration am Wochenende sieht der Rostocker Polizeichef  Knut Abramowski das Ziel der polizeilichen Einsatzleitung erreicht.

    Das Ziel sei nämlich gewesen, »Gewalttäter nicht in die Rostocker Innenstadt gelangen zu lassen« betonte der Polizeichef am Montag. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier(CDU) hatte sich am Sonnabend in Rostock für ein Beibehalten der bisherigen Polizei-Strategie ausgesprochen.

    Bei dem Einsatz waren auch zahlreiche unbeteiligte Demonstranten mit Wasserwerfern und Tränengas attackiert worden. Die Bilder von Auseinandersetzungen zwischen Polizei und sogenanntem schwarzen Block überschatteten die Berichte über 80.000 friedlich demonstrierende Globalisierungskritiker. Der Politiker sieht im bisherigen Vorgehen der Polizei eine Strategie der Deeskalation. Man sehe keine Veranlassung für eine Änderung, sagte Caffier am Montag im RBB-Inforadio. »Die bunten Bilder des Aufzuges haben bis in den Hafen hinein funktioniert«, sagte der CDU-Politiker.

    (ddp/jW)

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    Vereinigt euch ...

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    Macht eins, zwei, drei, viele Anti-G8-Babys!


    ... in den Camps am Ostseestrand und überall gegen die G8!
    Der Newsticker jW G8 spezial wird Montag ab 10 Uhr fortgesetzt - mit topaktuellen Meldungen, Interviews und bissigen Kommentaren.

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    Frieden mit der Natur

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    Eindrücke vom heutigen Landwirtschaftsaktionstag in Rostock von unserem Bildreporter Christian Ditsch/Version. Einen Schwerpunkt bildete der Protest gegen Gentechnik.


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    Demo am Landwirtschaftsaktionstag

    Am 3. Juni natürlich
    Schwarz ist out. Ein bunter und lebendiger Demonstrationszug
    Alternativen sind machbar: Das Null-Liter-Auto
    Genfraß, nein danke!
    Nur, damit ihr´s wißt
    Keine Schweinereien mit unseren Lebensmitteln
    Der Widerstand gegen G8 darf nicht aus dem Rhythmus kommen
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    Merkel fordert »Null Toleranz«

    Merkel: Gewalt kein Mittel. Gilt aber nicht am Hindukusch
    Merkel: Gewalt kein Mittel. Gilt aber nicht am Hindukusch

    Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat »Null Toleranz« gegenüber »gewalttätigen G8-Gegnern« gefordert. Es müsse klar sein, daß Gewalt hier keine Chance habe, sagte Merkel am Sonntag nach den Auseinandersetzungen am Rande der Rostocker Großdemonstration gegen den G8-Gipfel bei der ZDF-Sendung »Berlin direkt«.

    Sie sei aber froh, »daß die Veranstalter der friedlichen Demonstration sich klar distanziert haben«, fügte Merkel hinzu. »Das Bild, daß von Deutschland in die Welt geht, wird davon abhängen, daß die Bürgerinnen und Bürger in großer Mehrheit sagen: Gewalt ist kein Mittel, seine Ziele durchzusetzen und das muß ganz klar sein.«

    (ddp/jW)

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    »Ein wichtiger Meilenstein«

    Interview: Claudia Wangerin

    Heinz Stehr ist Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

    Welche Eindrücke haben Sie vom Auftakt der G8-Proteste in Rostock mitgenommen?

    Die Beteiligung war höher als es meinen Erwartungen entsprach. Die Demonstration hat die unterschiedlichen Spektren der Linken in einer Art widergespiegelt, wie es in letzter Zeit selten bei Demonstrationen der Fall war. Auch die inhaltlichen Aussagen zur Politik der G8 und ihren Folgen waren gut. Was aus meiner Sicht zu kurz kam, waren die Alternativen und Perspektiven der Auseinandersetzung. Natürlich wird jetzt versucht werden, die Aktion mit den Ereignissen am späten Abend zu diskreditieren, die eigentlich außerhalb der Gesamtveranstaltung stattfanden. Dann wird in der Öffentlichkeit kein politisches Bild von dem wiedergegeben, was dort tatsächlich los war: Es war ein weiterer gelungener Auftakt zur Formierung der alternativen Kräfte gegen die neoliberale Politik in der Bundesrepublik. Wesentlich ist, daß in Rostock trotz massiver Antipropaganda durch Politik und Polizei so viele Menschen zusammengekommen sind - vor allem auch junge Leute, und sich nicht von ihrem Protest abbringen ließen. Es wären sonst natürlich noch einige zehntausend mehr gewesen, weil hier in Rostock ein Klima der Hysterie gegen diese Aktivitäten erzeugt wurde, so daß sich viele Leute von ihrem Vorhaben, verabschiedet haben, an den Protestveranstaltungen teilzunehmen.

    Was haben Sie von den polizeilichen Maßnahmen mitbekommen?

    Als wir zur Abschlußkundgebung am Rostocker Stadthafen kamen, begannen die Maßnahmen bereits am Rande. Die Polizei hat alles versucht, um in den Zug einzudringen und dadurch auch provoziert. Während der Kundgebung störte sie permanent mit Hubschrauberlärm den Ablauf. Mein Eindruck ist, daß die Polizei diese Bilder haben will, um sie auch der Politik entsprechend präsentieren zu können. Man will die Aussage in die Medien bringen, daß es sich nur um Randalierer handelt und nicht um einen wirkungsvollen politischen Protest.

    Der Politologe Peter Grottian hat neulich in Berlin gesagt, der G8-Protest dürfe nicht zum »Zaunprotest« verkommen und müsse viel mehr die Verankerung in Betrieben und Hochschulen suchen. Teilen Sie die solidarische Kritik, der Protest sei zu abstrakt geblieben?

    Die Leute, die sich aktiv daran beteiligt haben, hatten aus meiner Sicht alle überzeugende Argumente, warum sie das tun. Sie waren auch mit vollem Einsatz dabei - und mit Gedanken über politische Alternativen. Insofern kann ich die Kritik nicht teilen. Ich habe eine ganze Reihe Leute getroffen, die mir aus gewerkschaftlichen, friedenspolitischen und anderen Kämpfen bekannt waren. Die wissen auch, daß dieses Highlight nicht der Endpunkt ist, sondern ein Teil des notwendigen Protestes gegen die neoliberale Weltordnung und die Politik in unserem Land. Es könnte der Beginn eines Organisationsprozesses sein, der sich zum Beispiel in der weiteren Formierung von Sozialforen vor Ort umsetzen wird. Für die Formierung der Gegenkräfte ist der G8-Protest aus meiner Sicht ein wichtiger Meilenstein.

    Wegen der Symbolik, Zehntausende an einem Ort zu versammeln, oder mehr wegen der Diskussions- und Kennenlernprozesse im Vorfeld und in der Nachbereitung?

    Einmal wegen der Aussagefähigkeit einer Großdemonstration; zum zweiten wegen der Fähigkeit, aus unterschiedlichen Spektren kommend miteinander zu diskutieren und zum dritten natürlich wegen der Fragestellungen. Es geht um Alternativen und um Perspektiven, die natürlich umstritten sind - aber es ist interessant, darüber zu diskutieren und dieser Prozeß hat ja erst begonnen.

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    Anwaltlicher Notdienst: Ernüchternde Bilanz

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    Nach Informationen des anwaltlichen Notdienstes kam es während der gestrigen Anti-G8-Demonstration in Rostock zu mindestens 182 Festnahmen. Neun Betroffene sollen dem Haftrichter vorgeführt werden - überwiegend mit dem Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs.

    Nach wie vor behindere die BOA Kavala der Polizeidirektion Rostock die Kontaktaufnahme der Anwälte zu den Mandanten. Betroffene seien bis zu neun Stunden in Gefangenensammelstellen (Gesa) festgehalten worden, ohne einen Rechtsbeistand kontaktieren zu dürfen. Obwohl Anwälte Zutritt verlangten, wurden sie entweder abgewiesen oder den Mandanten mitgeteilt, daß keine Anwälte zu erreichen seien.

    Seit Samstagabend habe die BAO Kavala »Anwaltsbetreuer« eingesetzt – diese verhinderten jedoch eher den Zugang zu Mandanten, als ihn zu gewähren, kritisiert Rechtsanwältin Silke Studzinsky vom Notdienst des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

    Bezeichnend für die Situation der Inhaftierten sei darüber hinaus, daß Eilrichter die Entscheidung über die Länge der Ingewahrsamnahmen mit dem Verweis auf nicht vorhandene Akten verwehrten. Nach geltender Rechtsprechung sei aber bei Ingewahrsamnahmen unverzüglich ein richterlicher Entscheid notwendig.

    »Beim Umgang mit Ingewahrsamgenommenen werden normale rechtstaatliche Abläufe außer Kraft gesetzt. Das reiht sich nahtlos in das übertriebene und brutale Vorgehen der Polizei am gestrigen Tag ein«, sagte der Europaabgeordnete Tobias Pflüger, nach dessen telefonischer Intervention die besagten Rechte zögerlich gewährt wurden.

    Der anwaltliche Notdienst des RAV erklärte, die Verweigerung oder Verzögerung des Kontakts zu einem Rechtsbeistand bedeute einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.

    (jW)
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    Sternmarsch-Bündnis legt Verfassungsbeschwerde ein

    Das Sternmarsch-Bündnis bereitet derzeit eine Verfassungsbeschwerde per Eilantrag gegen das Demonstrationsverbot um Heiligendamm vor, die morgen beim Bundesverfassungsgericht eingehen wird.
    Eine von der Polizeibehörde erlassene Allgemeinverfügung für 40 Quadratkilometer rund um Heiligendamm war zunächst vom Verwaltungsgericht teilweise aufgehoben worden. Am Donnerstag hatte das Oberverwaltungsgericht Greifswald die Verfügung wieder in Kraft gesetzt.
    Die Veranstalter bestehen auf auf dem Recht, den Protest zum Ort des Geschehens zu tragen. "Wir wollen, dass unser Protest in Sicht- und Hörweite der AdressatInnen stattfindet: den Delegierten der G8!", kommentiert Susanne Spemberg vom Sternmarsch-Bündnis.

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    Mit Helm und Stock: Schlagzeilenlieferanten

    Peter Steiniger

    Am Tag danach eint Erschütterung über die gewalttätigen Zwischenfälle während der Rostocker Anti-G-8-Demonstration Behörden und Veranstalter. Das sollte sie nicht.

    Wer sich die G8 als Symbolfiguren globaler kapitalistischer Ungerechtigkeit einlädt, lädt sich auch den Protest ein. Mit Razzien, Provokationen und Schikanen wurde über Monate von staatlicher Seite die Stimmung systematisch aufgeheizt. Der Hamburger Wanderkessel gab vor einer Woche einen Vorgeschmack davon, wie eng sich das Demonstrationsrecht auslegen läßt.

    Daß nicht die Bilder und Losungen der Zehntausenden friedlich und phantasievoll demonstrierenden Menschen aus vielen Ländern die Schlagzeilen beherrschen, sondern unschöne (Rand-)Szenen des Krawalls, ist kein Zufall, sondern Kalkül. Eine demokratiefreie Zone von Demonstrationsverboten und die gewaltige Drohkulisse Tausender Uniformierter soll »Normalbürger« davon abschrecken, ihre Meinung auf die Straße zu tragen, und wirkt als  »Einladungskarte« an diejenigen, die Räuber und Gendarm spielen möchten. Vom Hooliganismus und einer Militanz am falschen Ort distanzieren sich die Demo-Veranstalter zu Recht. Doch wer nun betroffen den Kopf senkt und die Kooperation mit der Polizei lobt, trägt dazu bei, Ursache und Wirkung zu vertauschen. Auch in Rostock gab es eine parallele polizeiliche Großdemo unter dem Motto: Nur diese Welt ist möglich.

    Der eigentliche Skandal sind nicht die Entgleisungen einiger in Rostock, sondern ist ein alltäglicher, der dem vielgelobten Rechtsstaat spottet. Während millionenfach das Recht auf Arbeit, kulturelle Teilhabe und soziale Sicherheit verweigert wird, zieht die Repressionsschraube an. Wer in diesem Land gegen So­zialabbau und Krieg, gegen alte und neue Nazis, für eine andere Welt auf die Straße geht, muß sich stets auf die präventive kollektive Ingewahrsamnahme im Spalier einer hochgerüsteten Polizei gefaßt machen.

    Oft genug werden nicht nur Bürgerrechte mit Polizeistiefeln getreten. Amnesty International verzeichnet immer wieder Beschwerden über Mißhandlungen und unverhältnismäßige Gewalt bei der Festnahme oder in Polizeihaft. Wer schon mal solchen Einsätzen – z. B. der berüchtigten Berliner Einsatzpolizei, die auch in Rostock mit von der Partie war – beiwohnen durfte, weiß, daß für einige der Robocops jeder Psychiater zu spät kommt.

    Auch in Rostock war es mit der versprochenen Zurückhaltung der Polizeikräfte bald vorbei. Ihre massive Präsenz und ein aufdringliches Einsatzkonzept führten die Eskalation wesentlich mit herbei. Gelegenheit macht Randale: Man vergaß, dem »schwarzen Block« von Militanzfetischisten ein Auto aus dem Weg zu räumen, das dann in Flammen aufging. Sowas kommt vor. Mit Knüppel, Gas und Wasser wurde nicht gespart. Schlagkräftig zeigte sich auch die inoffizielle Pressestelle der bewaffneten Organe, Spiegel online, welche die Gewalt ins Zentrum rückte. Auch verbale Randale sind nämlich wichtig im Kampf – um die Köpfe.

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    »Jeder fühlte sich bedroht«

    Interview: Claudia Wangerin
    Bilanz der Auseinandersetzungen auf der Anti-G-8-Demonstration in Rostock. Ein Gespräch mit Elke Steven

    Sie waren als Beobachterin des Komitees für Grundrechte auf der Anti-G-8-Demonstration am vergangenen Samstag in Rostock. Wie ist Ihre Bilanz?

    Es ist schwer, eine Gesamtbilanz zu ziehen. Auf der einen Seite war es wirklich ein bunter und breiter Protest mit erstaunlich vielen Teilnehmern. Auch war es erfreulich, daß unsere Befürchtungen, die Polizei würde die Anreise behindern und Eingangskontrollen vornehmen, sich nicht bewahrheitet haben.

    Camp-Teilnehmer berichten allerdings, daß es schon bei der Anreise massive Kontrollen und Beschimpfungen seitens der Polizei gab.

    Im Rostocker Camp gab es das nicht, als wir angereist sind – und auch nicht, als wir in großen Gruppen von dort losgegangen sind. Bei den wenigen Kontrollen, die wir vor der Demonstration erlebt haben, waren die Polizisten sehr freundlich. Daß auch ganz andere Geschichten passiert sind, ist klar. Man muß eindeutig zwischen dem trennen, was vor und was nach der Demonstration passiert ist. Auf dem Weg zum Camp Reddelich hatte nach der Demonstration eine Fahrradgruppe Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auf der Hinfahrt hatte die Polizeibegleitung einer Fahrradgruppe ja noch eher zu deren Schutz gedient. Um ein klares Bild zu erhalten, wann die Situation umgeschlagen ist, haben wir Berichte von 20 bis 25 Demo-Beobachtern zusammengetragen.

    Wie haben Sie die Ereignisse während der Demonstration wahrgenommen?

    Ich war an verschiedenen Stellen und relativ lange beim sogenannten schwarzen Block, der vom Hauptbahnhof zum Ort der Abschlußkundgebung zog und auf diesem Weg um einige Teilnehmer anwuchs. Da hielt sich die Polizei im Hintergrund und ging allenfalls in kleinen Gruppen seitlich der Demonstration, was nicht selbstverständlich ist. Oft verhält sie sich bei solchen Demonstrationen von Anfang an völlig anders. Dann ging alles sehr schnell. Nachdem der »schwarze Block« erst mal nicht weiter kam, entstand eine völlig andere Situation, die man differenziert beschreiben muß. Eine kleine Gruppe von rund 20 Polizisten der »Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten«, die zuvor etwas abseits gestanden hatte, stürzte sich plötzlich auf eine Wiese, um zwei bis drei Leute herauszugreifen, die als mutmaßliche Straftäter identifiziert worden waren.

    Welche Folgen hatte das?

    Die Situation eskalierte sofort. Die Polizisten wurden angebrüllt. Als nächstes flogen Flaschen und sehr schnell auch Steine. Deshalb mußte sich die Polizei erst einmal zurückziehen. Sobald ihre Einheiten in den Demonstrationszug reingingen, wurden sie mit Flaschen, Steinen und auch mindestens einem brennenden Molotow-Cocktail attackiert – ich habe es selbst gesehen. Eine andere Beobachterin hatte dann etwas Brennendes vor den Füßen. Geworfen wurde es in Richtung der Polizeikräfte, aber dazwischen standen Demonstrierende, die dadurch gefährdet wurden. Auch Steine wurden immer wieder geworfen – auch als die Polizei sich zunächst zurückzog. Sie versuchte dann, an anderer Stelle wieder einzudringen.

    Wie haben Sie persönlich diese Situation erlebt?

    Die Wurfgeschosse gefährdeten alle Umstehenden. Es wurde ja nicht nur treffsicher auf die Polizei geworfen. Dafür war die Situation auch zu unübersichtlich. Andererseits muß gesagt werden: Diese Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten haben teilweise so agiert, daß sich die Demonstranten bedroht fühlen mußten. Zumal von der Polizei überhaupt nicht kommuniziert wurde, was sie eigentlich wollte. Sie hatte das Ziel, einzelne Leute festzunehmen, und setzte es rücksichtslos durch. Damit traf sie am Ende die ganze Demonstration und wurde von den Teilnehmern nur noch als brutal wahrgenommen, weil sie einfach nur wild um sich schlug. Die Polizei drang ja auch an Stellen in die Demo ein, an denen sich die Leute völlig friedlich verhalten hatten, nachdem sie an anderer Stelle nicht durchgekommen war. Viele bekamen nur mit, daß plötzlich eine Einheit reinstürzte und zwei Leute relativ gewalttätig festnahm. Jeder fühlte sich bedroht, und keiner verstand, was los war.

  • · Nachrichten

    Unsere Militanten. Der schwarze Block

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    Große Aufregung bei den »moderaten Teilen« der Bewegung, hektische Distanzierungen vor laufender Kamera.
    Der erste Tag der Auseinandersetzungen um den G-8-Gipfel zeigte aus taktischer Perspektive eine interessante Neuerung auf: Es gab einen handlungsfähigen Schwarzen Block.
    Morgen in junge Welt: Das Taktik-Kassiber von Commander Shree Stardust. Schon heute abend in der Online-Ausgabe.