Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
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  • · Nachrichten

    Allgemeine Kontrollen in Rostock

    Rostock. Die Polizei in Rostock ist offenbar zur allgemeinen Einschüchterung der Bevölkerung übergegangen.
    Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP haben die Beamten am Sonntag damit begonnen, in der Innenstadt von harmlosen Passanten die Ausweise zu verlangen und ihre Taschen zu durchsuchen.
    Vor dem Amtsgericht Rostock fand indes eine friedliche Spontandemonstration von rund 100 Menschen statt. Sie setzten sich auf die Straße und forderten die sofortige Freilassung der zehn
    Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft Rostock Haftbefehle beantragt hat. Die Polizei sperrte die Straße zum Gericht.
    (AP/jW)

  • · Nachrichten

    Einsatzleiter wurde abgelöst

    Berlin. Der Einsatzleiter der Polizei wurde in Rostock noch während der Krawalle am Samstag abgesetzt.
    Der Tagesspiegel berichtet in seiner Montagausgabe unter Berufung auf Polizeikreise, der unerfahrene bayrische Einsatzleiter sei gegen einen Berliner Kollegen ausgetauscht worden sei. »Das ist ein fast einmaliger Vorgang«, zitierte das Blatt einen Beamten. Ein anderer habe sich beklagt: »Wir sind verheizt worden«. Die Berliner Polizei war mit 900 Mann in Rostock im Einsatz. Von den 30 Beamten, die angeblich schwer verletzt wurden, kämen 16 aus Berlin.

    (ots/jW)

  • · Nachrichten

    Bimmeln für ´ne bessere Welt

    Pünktlich zum Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm sollen am Mittwoch, dem 6. Juni ab 18 Uhr in zahlreichen Gotteshäusern Deutschlands für 8 Minuten die Glocken läuten.

    In Leipzig bilden diese »8 Minuten für Gerechtigkeit« den Auftakt zu einer Mahnwache. Unter dem Motto »Eine andere Welt ist möglich« beteiligt sich auch die Nikolaikirche an der bundesweiten Aktion.

    Nachdem sie schon einmal Ausgangspunkt für eine »friedliche Revolution« war, die eine andere, wenn auch keine bessere Welt einläutete, will die Nikolaikirche jetzt doch noch auf die Mißstände des globalen Krisenkapitalismus aufmerksam machen.

    »Friedlich und solidarisch wollen Leipzigerinnen und Leipziger dagegen protestieren, daß der G8-Gipfel  nur noch einen elitären Zirkel darstellt, der in erster Linie der Eitelkeit, Unverbindlichkeit und Selbstdarstellung dient - und seiner eigentlichen Verantwortung nicht gerecht wird. Die Betroffenen, über deren Schicksal entschieden wird, werden nicht einmal als Zaungäste geduldet,« heißt es in einer Presseerklärung des Politik- und Sozialforums Leipzig.

    (jW)

  • · Ansichten

    Ruhepause in Reddelich

    Sebastian Wessels, Reddelich
    Info-Point im Camp Reddelich, wo einige Tausend Demonstranten un
    Info-Point im Camp Reddelich

    Am Sonntag war die Stimmung im Protestcamp trotz der Gewaltausbrüche der vorangegangenen Nacht entspannt. Bei Sonnenschein und strahlend blauem Himmel erwacht am Morgen das Leben in Camp Reddelich.
    Ein friedliches, beinahe idyllisches Bild – etwa um halb neun beginnen Freiwillige in den „Volxküchen"  Frühstück auszuteilen;  die ersten Camper, gerade aus ihren Zelten gekrabbelt, finden sich ein und warten auf Kaffee. Andere gehen zuerst duschen, natürlich kalt und im Freien, wechseln ein paar Worte und ermuntern einander, beißen die Zähne zusammen und fühlen sich danach so erfrischt wie selten. Die Hoororbilder des gestrigen Abends in Rostock, die Wasserwerfer, die Kämpfe, das Tränengas, scheinen in weiter Ferne.
    Mit ein paar hundert Zelten haben bei Reddelich etwa 4500 Camper eine kleine Stadt errichtet, samt öffentlicher Gebäude: Ein Empfangszelt an der Einfahrt informiert Neuankömmlinge,  ein Circuszelt bietet Raum für größere Versammlungen, im Indymedia-Zelt stehen Computer mit Internetzugang, am Zelt des Ermittlungsausschusses werden Hinweise entgegengenommen und Broschüren zum Umgang mit staatlicher Repression verteilt. In der „Chill-Out-Zone" lädt eine Art kleiner Biergarten mit Bänken und Tischen zur Geselligkeit ein. Große Pinwände am Infopunkt informieren über anstehende Termine. Hier gibt es sogar einen „Newsticker", bestehend aus einem großen Brett und angehefteten handgeschriebenen Zetteln, der eine Chronik der gestrigen Ereignisse bildet – natürlich, wie alle Hinweisschilder hier, auf Deutsch und Englisch.
    Als die Camper wenig später entspannt beim Frühstück zusammensitzen, sind natürlich die Gewalttätigkeiten während der gestrigen Rostocker Demo das Hauptthema. Überrascht ist kaum jemand, aber viele schütteln die Köpfe und erzählen einander, was sie gehört oder gesehen haben. Eine Polizeikolonne soll einige Aktivisten, die nachts mit dem Fahrrad nach Reddelich zurückkehrten, mit Tränengas angegriffen haben, erzählt einer. Polizisten hätten am Stadthafen, wo die Gewalt anfing, einen als Autonomen verkleideten Kollegen zum Schein angegriffen, um die Demonstranten zu provozieren, eine andere. Ohne Beweise oder Augenzeugen hört man diese Dinge mit Skepsis, hält sie aber ohne weiteres für möglich. Und auch,  daß niemand weiß, was sich genau zugetragen hat, trägt zur Unsicherheit bei – ebenso wie der Hubschrauber, der gelegentlich über dem Gelände kreist, und die Polizeieinheiten, die ständig auf der Bundesstraße 105 an der Abfahrt zum Camp Wache halten.
    Hinter der entspannten, teils sogar fröhlichen Stimmung am Sonntag ist allen bewußt, daß noch nichts überstanden ist. Wenn am 6. und 7. Juni die Blockaden der Zufahrten nach Heiligendamm anstehen, wird voraussichtlich das Rostocker Camp an Bedeutung verlieren und stattdessen Reddelich zur Hauptbasis der Aktivisten werden – und damit auch vornehmliches Ziel von Polizeiaktionen. Mittags bezieht sich der Himmel und es wird wieder kühl. Per Megaphon ruft jemand zum Blockadetraining. Schließlich haben die proteste ja gerade erst begonnen.

  • Rostock - Mehrere tausend Teilnehmer fanden sich am heutigen Landwirtschaftsaktionstag im Rahmen der G8-Proteste zu einer Demonstration ein.
    Wie jW von Demonstrationsteilnehmern erfuhr, wurden von den "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten" der Bundespolizei immer wieder Einzelpersonen aus der friedlichen Menge auf rüde Weise herausgeholt und abgeführt. Die sogenannten "Antikonfliktteams" unterstützten ihre Kollegen, indem sie die Demonstranten zu beschwichtigen versuchten.
    Der Aktionstag begann offiziell um 10 Uhr vor der agrar- und umweltwissenschaftlichen Fakultät der Uni Rostock. Am Nachmittag soll 15 Kilometer östlich von Rostock in Lüsewitz ein großes Anti-Gentechnik-Fest stattfinden - am Rande eines Versuchfeldes.

    (jW)

  • · Nachrichten

    Weitverbreitete Skepsis zu G-8-Gipfel

    Hamburg. Drei Viertel der Bundesbürger glauben nicht, daß beim G-8-Gipfel in Heiligendamm konkrete Ergebnisse herauskommen werden.
    Wie eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der «Bild am Sonntag» ergab, sind nur 21 Prozent optimistisch und erwarten konkrete Resultate. Mit 79 Prozent sind Männer skeptischer als Frauen (72 Prozent). Bei den Westdeutschen sind 77 Prozent der Ansicht, dass beim Gipfel nichts Konkretes herauskommt; bei den Ostdeutschen sind es nur 67 Prozent.

    Mit 49 Prozent besonders optimistisch sind FDP-Anhänger. Dagegen erwarten nur 27 Prozent der CDU/CSU-Anhänger, 16 Prozent der SPD- beziehungsweise der Linkspartei-Anhänger und 12 Prozent der Grünen-Symapthisanten konkrete Ergebnisse des G-8-Gipfels.
    (AP/jW)

  • · Pressespiegel

    Die Agenturen geben den Ton vor

    ...und die meisten Medien spielen ihre Musik danach.

    Die ausgewählten Zitate des heutigen Pressespiegels (Zusammenstellung: Klaus von Raussendorff) liefern insofern ein kleines Lehrstück über die Macht der Agenturen im Medienbetrieb.
    Während sich so gut wie keine Kommentare zur Rostocker Demonstration finden ließen, wurde die "Meinungbildung", wie bei derartigen Vorgängen üblich, durch die Berichterstattung der Agenturen vorgefärbt. Den Gipfel an Panikmache bildet Spiegel online, in offenkundiger Absicht, die Protestbewegung insgesamt zu diffamieren.
    Die französische Agentur AFP liefert dagegen einen abgewogenen und nachvollziehbaren Bericht, bei dem auch die offensive Gewalt der Polizei deutlich wird.

    Agence France Presse: Geringfügige Zwischenfälle

    Der Demonstrationszug "war von sehr vielen Polizisten eingerahmt und von Hubschraubern der Ordnungskräfte überwacht. Aber etwa 2.000 Demonstranten, meist in Kapuzen und schwarz gekleidet, hatten sich zu einem bedrohlichen Viereck, „Schwarzer Block" genannt, inmitten der farbenprächtigen Menge formiert. Die Zwischenfälle begannen, als die maskierten autonomen Demonstranten anfingen, Steine, Flaschen, Molotowcocktails und andere Feuerwerkskörper auf die Bereitschaftspolizei zu schmeißen. Eine Verfolgungsjagd der Polizisten und der Demonstranten schloss sich an. Ein Teil des Hafenviertels befand sich im Belagerungszustand. In regelmäßigen Abständen griffen die Polizisten, mit Helmen, Schilden und Schlagstöcken an und verfolgten in den Straßen kleine Gruppen von Demonstranten. Hier und dort flogen Steine, darunter ausgerissenes Straßenpflaster. Ein Geruch von Tränengas verpestete die Luft. In einer angespannten Atmosphäre machten einige Schaulustige Fotos und versuchten die Zusammenstöße zu verfolgen, wurden aber von den Ordnungskräften brüsk zurückgestoßen. Eine Frau wurde am Kopf verwundet. Autos wurden umgestoßen. Ein anderes Auto brannte in einer dichten Rauchwolke. Ein Polizeisprecher kam zu der Einschätzung, dass die autonomen Demonstranten „massiv die Konfrontation gesucht" hätten. „Angesichts einer solchen Demonstration hat es sich jedoch um sehr geringfügige Zwischenfälle gehandelt. Im ganzen ist alles sehr ruhig verlaufen," erklärte dieser Polizeisprecher gegenüber AFP."

    Externer Link: Quelle

    Reuters: Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei

    „Etwa 2.000 Demonstranten, die von der Polizei als gewalttätige Aktivisten identifiziert wurden, warfen Flaschen, Stöcke und Steine auf die Bereitschaftspolizei, die versuchte, die Menge in der Hafengegend mit Wasserwerfern und Tränegas zu zerstreuen. Zeugen von Reuters sahen Dutzende von Verhaftungen, aber die Polizei lehnte es ab, zu Zahlenangaben Stellung zu nehmen. Die Gewalt, bei der 146 Polizisten verletzt wurden, erfolgte nach einer Reihe von Märschen durch die Stadt, an denen nach Polizeiangaben 25.000 Menschen teilnahmen, weit weniger als die 100.000, die von den Veranstaltern vorhergesagt waren, denen zufolge 80.000 dabei waren."

    Externer Link: Quelle

    Associated Press: 17 Verhaftet, 146 Polizisten verletzt

    „Maskierte Demonstranten übersäten die Polizei mit schweren Steinen und Bierflachen und wurden dann mit Wasserwerfern und Tränengas zurückgetrieben bei einem Protestmarsch gegen den bevorstehenden G8-Gipfel in Deutschland. Die Zusammenstöße hinterließen Rauch von brennenden Autos und den Gestank von Tränengas, das durch das Hafenviertel der norddeutschen Hafenstadt Rostock wehte. Etwa 146 Polizisten wurden verletzt, darunter 18 ernstlich. Es gab keine unmittelbaren Zahlenangaben über verletzte Demonstranten."

    Externer Link: Quelle

    Spiegel online (englisch) : Eine Orgie der Gewalt

    "Szenen, die an die Massenproteste in den Vororten von Paris in Frankreich vor anderthalb Jahren erinnern" suggeriert die englische Version des deutschen online-Magazins. „Anarchisten setzten Autos in Flammen und errichteten improvisierte Barrikaden aus Müllcontainern. In einigen Teilen der Stadt tobten regelrechte Schlachten zwischen Demonstranten und Polizei, die mit Helmen und Schlagstöcken ausgerüstet waren. Laut Medienberichten warfen die Demonstranten Flaschen und Molotow-Cocktails auf die Polizisten und zerschlugen Scheiben von Polizeifahrzeugen mit Baseballschlägern, ganz wie bei einer Gewaltorgie. Die Polizisten antworteten mit Wasserwerfern und Tränengas in die Menge." Die Veranstalter hätten "sich schnell von den Anarchisten distanziert."

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    El Pais (Madrid): Radikale stören einen friedlichen Marsch

    Externer Link: Quelle

    Reuters: Londoner Demo appelliert an Blair

    Aktivist und Musiker Midge Ure: "Diese Kundgebung soll (Premieminister) Tony Blair auffordern, die G8 dazu zu bringen, die Versprechen einzuhalten, die sie vor zwei Jahren bei ihrem Gipfel in Gleneagles zu Aids, Armut und Klima gemacht haben." Zu den Demo-Veranstaltern gehörten Oxfam, Christian Aid, Cafod and Action Aid. Die Teilnehmerzahlen variieren: 2.000 nach „Augenzeugen", 10.000 laut „Veranstalter".

    Externer Link: Quelle


  • · Ansichten

    »Die Polizei agierte auffällig stümperhaft.« Ein Gespräch mit Monty Schädel

    Interview: Claudia Wangerin
    Die Einsatzleitung hielt sich bei der Demo in Rostock nicht an die Absprachen. Sie ließ Eskalation der Lage zu.

    Monty Schädel ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegenerInnen (DFG-VK) und Koordinator des Rostocker Bündnisses für die Proteste gegen den G-8-Gipfel


    Wie haben Sie als Mitinitiator die Rostocker Anti-G-8-Demonstration am Samstag erlebt?


    Ich war im Stadthafen, als viele zehntausend Menschen hier ankamen - in einem großen, breiten Zug, der viel Lebensfreude ausstrahlte. Leider kam es dann zu einem Zwischenfall, bei dem ein Polizeiwagen umgestoßen wurde. Wir haben dann erleben müssen, daß die Polizei nicht auf Deeskalation setzte, wie sie es im Vorfeld erzählt hat, sondern auf Eskalation. Es war auch weit und breit kein »Anti-Konflikt-Team« zu sehen, so daß wirklich nicht von Deeskalation seitens der Polizei gesprochen werden kann. Statt dessen hat sie Wasserwerfer eingesetzt.

    Nach unserem Informationsstand wurden Sie auch persönlich in Mitleidenschaft gezogen.


    Ja – bei einem der Versuche, die Situation ein wenig zu entspannen, geriet ich zwischen die Einsatzkräfte der Polizei und die Demonstranten. Gemeinsam mit einigen anderen habe ich versucht, mehr Sicherheitsabstand zu schaffen. Als die Polizei dann angegriffen hat, wurde mir so etwas wie Pfefferspray in die Augen gesprüht. Genauer gesagt: Ich weiß nicht, ob es Pfefferspray oder CS-Gas war, weil ich damit glücklicherweise bisher keine Erfahrungen machen mußte. Jedenfalls war es sehr unangenehm.

    Wie war die Lage auf der Abschlußkundgebung nach den Polizeiübergriffen?


    Die Lage hat sich schließlich etwas entspannt. Viele Menschen mußten vor Abschluß der Veranstaltung weg, weil sie einen langen Heimweg haben und ihre Busse erreichen wollten. Dennoch waren  am Abend noch immerhin 20000 auf dem Platz – die rund 3000 Polizisten rings herum nicht mitgezählt.
    Auf der angrenzenden Straße waren aber immer noch etliche Wasserwerfer und Räumpanzer postiert.

    Auf dem Gelände soll ein Auto in Brand gesetzt worden sein, woraufhin erst die Wasserwerfer auftauchten. Wie haben Sie diese Situation wahrgenommen?


    Ein Auto war nicht aus dem Demobereich entfernt worden. Ich war nicht dabei und kann daher nicht sagen, durch wen oder was es in Brand geriet. Der Wasserwerfer zielte auf die Demonstranten, während das Auto weiter brannte. Allerdings ist Wasser mit beigemischtem Tränengas wohl auch nicht ganz das Richtige als Löschmittel für Automobile.

    Welches Ziel verfolgte die Polizei Ihrer Meinung nach mit ihrer Taktik?


    Die Konfrontation, zu der es kam, wurde dadurch verursacht, daß die Polizei auffällig stümperhaft agierte. Sie ist mit kleinen Gruppen mitten in die Demonstration eingedrungen und hat dort für Unruhe gesorgt, so daß sich die Eskalationsspirale immer weiter drehte. Leider haben sich hier wieder einmal alle Vorurteile über Beratungen mit der Polizei bestätigt: Man kann sich auf die Absprachen mit ihr nicht verlassen.

    Über die Teilnehmerzahl der beiden Demonstrationen gab es sehr weit auseinander gehende Angaben. Die Polizei sprach anfänglich von insgesamt nur 25000 Teilnehmenden, was viele Medien zunächst so übernahmen. Später mußten sie das deutlich nach  oben korrigieren. Von wie vielen Demonstranten gehen Sie aus?


    Wir können das anhand unserer Planungen ganz gut schätzen: Wie groß ist der Platz, wie viele Leute passen darauf und in die angrenzenden Straßen am Stadthafen. Und es war klar: Auf das Hafengelände passen 60000 Menschen. Und auch in dessen Umfeld, auf der anderen Seite des Stadthafens, wo die Info-Stände standen, waren sehr viele Menschen. Außerdem haben wir gezählt: Der eine Demonstrationszug hatte etwa 37000 Teilnehmer und der andere etwa 33000. Deshalb kann man davon ausgehen, daß 70000 bis 80000 eine überaus realistische Zahl  ist. Wo die Polizei rechnen gelernt hat, weiß ich nicht.

    Interview: Claudia Wangerin
  • · Nachrichten

    Linkspartei: G8-Kritik geht weiter

    Bild 1

    In einer Erklärung für die Linkspartei.PDS wertet deren stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert, die bei der gestrigen Groß-Demonstration in Rostock vor Ort war, diese als Erfolg der Bewegung der G8-Gegner. »Zehntausende Menschen demonstrierten friedlich, phantasievoll und lautstark.«
    Zugleich wird bedauert, »dass auf der Kundgebung genau die Bilder provoziert wurden und entstanden sind, die die Bundesregierung und ihre Einsatzkräfte zur Legitimation ihrer wochenlangen Repressions-Kampagne gegen G8-Kritikerinnen und Kritiker brauchte.« Die Polizei habe nicht auf Deeskalation gesetzt.
    Die Linkspartei.PDS lehne jegliche Gewalt gegen Personen ab. Sie rufe Polizei und Demonstranten auf, sich für einen friedlichen Fortgang der Proteste vor und während des Gipfels einzusetzen.Von der Bundesregierung und der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern wird gefordert, dass die Einsatzkräfte »ab sofort konsequent eine Strategie der Deeskalation verfolgen und Proteste gegen den G8-Gipfel ermöglichen«.
    Die Strategie der Bundesregierung im Umgang mit Protest und Grundrechten, wie beispielsweise der Pressefreiheit, wolle die Fraktion Die Linke. im Innenausschuss des Bundestages hinterfragen. 

  • · Nachrichten

    Zensur: Dresdner Journalist ausgesperrt

    Aufgrund von dubiosen »Sicherheitsbedenken des Bundeskriminalamtes« wurde auch dem linken Dresdner Journalisten Axel Steier, der für den Lokalsender coloRadio berichten sollte, eine Akkreditierung für den G8-Gipfel verweigert.
    Steier hat einen gültigen Verdi-Presseausweises, ist nicht vorbestraft und wähnte sich bisher im vollen Besitz seiner bürgerlichen Rechte. Das Dresdner Freie Radio coloRadio verurteilt diesen politischen Zensurakt: »Pressefreiheit scheint für die Organisatoren des G8-Gipfels ein Fremdwort zu sein.«
    Der Sender wird sich mit der Ablehnung Steiers nicht abfinden und hat einen Anwalt eingeschaltet. »Die G8-Organisatoren wollen kritische Stimmen unterdrücken und sich ihre Journalisten aussuchen. Das darf Ihnen nicht gelingen.«, so coloRadio-Sprecher Martin Busche. Steier werde dennoch über den G8-Gipfel berichten. Das Radio ist mit einer eigenen Redaktion in Rostock und Heiligendamm präsent und wird täglich ab 19.15 Uhr darüber berichten, was sich vor und hinter dem Sicherheitszaun abspielt.
    coloRadio-Livestream von den g8-Protesten: www.coloradio.org

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    Polizei verletzte 520 Demonstranten

    Bild 1


    Mehrere liegen mit Knochenbrüchen oder Schädeltraumata im Krankenhaus. Mindestens 165 Demonstranten festgenommen. Juristischer Beistand verweigert. Organisatoren räumen eigene Versäumnisse ein.

    Rostock. Bei der Großdemonstration in Rostock sind am Samstag nach Angaben der Veranstalter 520 Demonstranten verletzt worden. Zwanzig von ihnen seien schwer verletzt worden und müßten unter anderem wegen Knochenbrüchen stationär behandelt werden, sagte Mani Stenner aus der Demonstrationsleitung am Sonntag. Mindestens 165 Demonstranten seien festgenommen worden und über sechs Stunden lang in Gefangenensammelstellen festgehalten worden.
    Die Polizei teilte mit, es seien insgesamt 433 Beamte verletzt worden, davon 30 schwer. Zwei Beamte müßten stationär behandelt werden. Allerdings ist bei derartigen Angaben der Polizei in der Regel Vorsicht geboten – üblicherweise wird die Zahl der eigenen Verletzten über- und die der Demonstranten untertrieben.
    Die Veranstalter räumten eigene Versäumnisse ein, setzen aber weiter auf Deeskalation. Es habe verbindliche Absprachen mit allen Teilnehmern gegeben, daß die Demonstration »absolut friedfertig ohne Auseinandersetzungen mit der Polizei über die Bühne geht«, sagte Stenner. »Wir haben es versäumt, bis zum letzten Moment vorsichtig zu sein und Vorkehrungen zu treffen.« Die Demonstranten hätten bei den Auseinandersetzungen Armbrüche, schwere Prellungen und Schädeltraumata erlitten. Die Verletzungen seien vor allem auf den Einsatz von Schlagstöcken seitens der Polizei zurückzuführen.
    Daß Polizisten bei der Ankunft auf dem Kundgebungsplatz angegriffen worden seien, sei jedoch durch nichts zu rechtfertigen. Stenner lobte die Polizeitaktik bis zu diesem Zeitpunkt. Nach der
    Attacke auf den Polizeiwagen allerdings habe auch die Polizei »rüpelhaft zugeschlagen«. Beim Einsatz der Wasserwerfer seien auch an den Vorfällen unbeteiligte Demonstranten getroffen worden.
    Stenner betonte, man wolle alles tun, um künftig Vorfälle dieser Art zu verhindern. Er appellierte an die Polizei, weiter auf Deeskalation zu setzen.
    Silke Studzinsky vom anwaltlichen Notdienst in Rostock warf der Polizei vor, den Festgenommenen juristischen Beistand verweigert zu haben. Anwälte hätten über Stunden keinen Zutritt zu den Gefangenensammelstellen bekommen. Bei den Festnahmen sei die Polizei äußerst brutal vorgegangen. Einige Demonstranten hätten daraufhin sofort in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen.
    Greenpeace-Sprecher Karsten Smid betonte, trotz der Ausschreitungen habe die Demonstration ein »buntes, kreatives Zeichen« gesetzt. 80 000 Menschen hätten größtenteils friedlich gegen den G-8-Gipfel und Ziele wie besseren Klimaschutz und mehr Entwicklungshilfe protestiert. »Wir setzen weiter auf Deeskalation und Inhalte«, erklärte er.

  • · Nachrichten

    Camp AG: Polizeiübergriff auf Fahrradkarawane

    Augenzeugenberichten zufolge ist gestern gegen 20 Uhr eine Fahrradkarawane von rund 35 G-8-Gegnern auf dem Weg von der Rostocker Demonstration zum Camp Reddelich von der Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen worden.
    Zu Festnahmen sei es dabei nicht gekommen - Betroffene vermuteten, die Polizeiaktion habe nur dem Dampfablassen gedient. »Als sich von hinten ein Polizeikonvoi mit Blaulicht näherte, fuhren die Radfahrer zur Seite, um die Wagen durchzuwinken,« erklärte der Pressesprecher der Camp AG, Andy Henner. »Plötzlich hielt der Konvoi, aus Schiebetüren sprangen teils behelmte Polizeibeamte und griffen die Radfahrer mit Pfefferspray und Schlagstöcken an.«
    Aus Furcht vor weiteren Übergriffen habe sich die Fahrradkarawane an eine Tankstelle zurückgezogen und sei von Teilnehmern des Camps in Reddelich abgeholt worden. »Wir vermuten eine Racheaktion der Polizei wegen der Ereignisse in Rostock«, sagte ein Betroffener. Die Polizei sei nach mehreren Angriffen auf die Abschlußkundgebung zunächst »erfolgreich vom Stadthafen vertrieben« worden.
    Polizeipressesprecherin Cordula Feichtinger erklärte gegenüber junge Welt, sie könne sich nicht vorstellen, daß »mobile Raumschutzteams« der Polizei zu derartigen Frustaktionen fähig seien.

    (jW)

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    Rote Hilfe: Gipfel staatlicher Repression

    Bild 1

    In einer Erklärung des Bundesvorstandes von Rote Hilfe e.V. werden das Verbot der antifaschistischen Demonstration am Sonnabend in Schwerin und die erneute Ausweitung der demokratiefreien Zone um Heiligendamm kritisiert.
    Der deutsche Staat habe »in  bisher ungekanntem Ausmaß demonstriert, dass er bürgerliche Grundrechte als Luxusartikel für ruhige Zeiten betrachtet«.

    Die Polizei habe das Verbot demokratischen Widerstands rigoros durchgesetzt und mehr als 150 Antifaschisten in Gewahrsam genommen,während die Neonazis ungehindert von der Polizei an anderen Orten demonstrieren konnten. »In Rostock haben zur gleichen Zeit Zehntausende von G8-GegnerInnen gezeigt, dass sie sich von allen staatlichen Repressionsmaßnahmen und Eskalationsstrategien nicht beeindrucken lassen und ihren Protest gegen das Gipfeltreffen ungeachtet
    dessen auch in der kommenden Woche auf die Straße tragen werden. Dabei versuchte die Polizei auch gegen diese Veranstaltung mit massiven Angriffen und dem Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas vorzugehen.«

    Die massiven und vielfältigen Repressionen bereits im Vorfeld der G8-Proteste hätten einzig und allein der Einschüchterung und Kriminalisierung linker Politik gedient. »Jegliche kritische Öffentlichkeit soll von den Augen und Ohren der Regierungschefs der mächtigsten Industrienationen ferngehalten werden.«

    »Die Rote Hilfe e.V. als strömungsübergreifende linke Solidaritätsorganisation wird alles in ihren Kräften Stehende tun, um die von staatlicher Repression betroffenen G8-GegnerInnen zu unterstützen und gegen die Kriminalisierung legitimen Widerstands vorzugehen.«

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    Für friedliche, demokratische Proteste

    Attac-Erklärung zum Ablauf der internationalen G8-Großdemonstration in Rostock

    Trotz einer friedlichen und erfolgreichen Demonstration ist es am Rande der Proteste zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verurteilt die Angriffe auf die Polizei scharf. »Es gibt keine Rechtfertigung für diese Angriffe«, sagte Pedram Shahyar aus dem bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
    Peter Wahl, ebenfalls Mitglied des Attac-Koordinierungskreises, betonte den zuvor friedlichen Verlauf der Demonstration. »In Rostock haben heute 80 000 Menschen ihren demokratischen Protest gegen die unmenschliche Politik der G8 gewaltfrei und phantasievoll zum Ausdruck
    gebracht.« Während der Demonstration hätten die Absprachen zwischen den Organisatoren und der Polizei funktioniert. Die internationale Großdemonstration wurde von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen, das von der Interventionistischen Linken über Attac bis zu Greenpeace reicht. Alle Partner haben sich an die Vereinbarung über den friedlichen Charakter der Demonstration gehalten. »Dies war ein großer Erfolg der Monate langen Mobilisierung. Und den lassen wir uns
    nicht kaputt machen«, ergänzte Shahyar.
    Anlass für die Eskalation nach Ende der Demonstration war nach derzeitigem Kenntnisstand der Angriff einer kleinen Gruppe Demonstranten auf einen am Kundgebungsplatz geparkten Polizeiwagen.
    Dabei sind offenbar zwei Polizisten verletzt worden. Danach eskalierte die Situation. An der Eskalation waren beide Seiten beteiligt. Eine Beruhigung der Lage erfolgte am Abend nach Gesprächen zwischen der Polizei und der Demo-Leitung.
    »Wir hoffen, dass trotz der heutigen Vorfälle in den kommenden Tagen das politische Klima friedliche, demokratische Proteste gegen die Politik der G8 möglich macht«, appellierte Peter Wahl an alle Beteiligten.

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    Erfolg, aber auch Enttäuschung

    Sebastian Wessels, Rostock

    Auf einer Pressekonferenz der Demonstrationsleitung gegen 18.30 Uhr im Medienzelt beim Kundgebungsgelände am Rostocker Stadthafen ziehen Manfred Stenner vom Netzwerk Friedenskooperative und Werner Rätz von ATTAC als Vertreter der Demonstrationsleitung eine gemischte Bilanz.
    Während ihrer Ausführungen dröhnt ein Polizeihubschrauber, wie ständig seit dem Auftakt zur Anti-G8-Demo mittags am Hauptbahnhof.
    Trotz der mit 80.000 Teilnehmenden aus vielen Ländern erfolgreichen und beeindruckenden Demonstration ist auch Beunruhigung und Enttäuschung bei den beiden Organisatoren zu spüren.
    Die Demo-Leitung habe »ernsthaft damit gerechnet, daß es zu keiner Eskalation kommt«, versichert Werner Rätz und kritisiert das provozierende Verhalten der Polizei. Immer wieder seien deren Hundertschaften aus unerfindlichen Gründen durch die Menge marschiert. Nachdem bereits die Feuerwehr angerückt war, um einen Brand zu löschen, habe ein Wasserwerfer der Polizei in die Menge geschossen. »Diese Auseinandersetzungen sind überhaupt nicht im Sinne der Veranstalter.«
    Scharf grenzen sie sich von jenen randalierenden Autonomen ab, aus deren Gruppen immer wieder Steine und Flaschen auf Polizisten geworfen wurden. Den kritischen Punkt habe man am an der Demoroute gelegenen Hotel Radisson vermutet, das US-Delegierte für den G8-Gipfel beherbergen soll. Tatsächlich waren hier einige Knallkörper geflogen. Zwischen dem schwarzen Block und den Polizisten umher tanzende Clowns hatten es hier noch vermocht, die Situation zu entspannen.
    Am Stadthafen jedoch bildeten Hunderte von Polizisten in Kampfmontur einen Sperrriegel zwischen Kundgebungsgelände und Demo – die Konfrontation mit den Autonomen blieb nicht aus. Nahezu während der gesamten Kundgebung, die etwa um 15.30 Uhr begann, konnte man sich zwischen dem Programm auf der Bühne und der Beobachtung der einige hundert Meter entfernt stattfindenden Scharmützel entscheiden. Während Autonome dort Steine warfen, bahnten sich Trupps von Uniformierten in Krawallausrüstung anlaßlos immer wieder den Weg durch die große Menge der friedlichen Kundgebungsteilnehmer. Diese quittierten das mit Pfiffen und Sprechchören: »Haut ab! Haut ab!«
    Manfred Stenner will der Polizei dennoch nicht den Vorwurf machen, sie habe sich nicht an die vereinbarte Deeskalationsstrategie gehalten. Nachdem die Beamten sich immer wieder zurückgezogen hätten, aber dennoch angegriffen wurden, habe er »ein gewisses Verständnis« für ihr Vorgehen.
    Die größte Befürchtung der Organisatoren gilt nun der Frage, ob die Politik der G8 und Alternativen dazu die Schlagzeilen beherrschen - oder Steinwürfe, Brände und Schlägereien. Doch statt mit engagierten Reden wie am Nachmittag auf der Kundgebung (»Dieses System taugt nichts!«) ist Werner Rätz nun vorrangig mit Krisenmanagement beschäftigt.
    Nach 20 Uhr entspannt sich die Lage um Bühne und Pressezelt, die Redebeiträge sind gehalten, auf der Bühne spielen Bands. Ihr Sound mischt sich mit dem der Hubschrauber.

    Sebastian Wessels, Rostock

  • · Fotostrecken

    G8 bekommen Gegenwind

    2. Juni, die Demo in Rostock
    Aufrechter Gang statt am Rockzipfel von Bush
    80000 Menschen auf der Straße für eine Welt, frei von Ausbeutung. Hier der internationale Jugendblock
    Hilfe, Polizei!
    Für eine andere Politik. Egal ob mit, ohne oder dem falschen Parteibuch
    Während der Abschlußkundgebung ging die Polizei gegen Demonstranten vor
    Individuelles Konfliktmanagement
    »Kriegstreiber!«, »Abschiebepartei!« - An der Spitze des Demonstrationszuges nicht erwünscht: Claudia Roth
    Um die Wette: Mitglieder der Clowns-Army karikieren die Polizei
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    RAV wirft Polizei Brutalität vor

    Bild 1

    Rostock. Der Republikanische Anwaltsverein (RAV) hat der Polizei in Rostock brutales Verhalten, tätliche Angriffe auf Anwälte sowie den Bruch von Vereinbarungen vorgeworfen. Bis zum Abend seien über 100 Verhaftungen in Rostock und ebenso viel Gewahrsamnamen von Demonstranten in Schwerin bekannt geworden, teilte der RAV mit.
    Bezeichnend »für die Atmosphäre eskalierender Polizeigewalt« sei, daß gekennzeichnete Demo-Sanitäter von Polizisten mit Gewalt an Hilfeleistungen für verletzte Demonstranten gehindert würden.
    Am Rande der Demonstration gegen den G-8-Gipfel sei die Arbeit des anwaltlichen Notdienstes von der Polizei massiv behindert worden, heißt es weiter in der RAV-Mitteilung. Einzelne Anwältinnen seien bedroht und tätlich angegriffen worden.
    Gegen 15.00 Uhr hätten Mitglieder des Notdienstes, die auf ihren Westen deutlich sichtbar »Legal team« trugen, am Parkplatz an der Fischerstraße festgestellt, daß Polizeieinheiten festgenommene und verletzte Demonstranten ohne Behandlung ließen. Um den Betroffenen anwaltlichen Beistand zukommen zu lassen, versuchten sie Kontakt zu den Festgenommenen aufzunehmen. Eine der Anwältinnen wurde von einem Beamten zu Boden geschubst, eine weitere Anwältin wurde mit den Worten »Ich schlag dir in die Fresse« bedroht. Kein Polizist habe auf Nachfrage einen Namen genannt, auch nicht, als der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne) eingetroffen sei.
    Die Berliner Polizeieinheit 31139/Einsatzhundertschaft 25 wurde laut RAV dabei beobachtet, wie sie Festgenommene in Einsatzfahrzeugen knebelte und fesselte, um jegliche Kontaktaufnahme nach Außen zu verhindern.
    Die Polizeisondereinheit Kavala hatte nach Angaben des RAV im Vorfeld dem »Legal Team« freien Zugang zu Festgenommenen zugesagt. Diese Zusage erweise sich bereits zu Beginn der Protestwoche als hinfällig, hieß es weiter. Den Anwälten werde keine Informationen aus den Gefangenensammelstellen direkt gegeben. Weder vor Ort noch per Telefon erhielten sie Zugang. Telefonische Erkundigungen nach Festgenommen würden lediglich von einem Call Center aufgenommen. »Es besteht zu befürchten, daß die Festgenommen ohne anwaltlichen Beistand bleiben«, sagte ein Sprecher des »Legal Teams«.
    In Schwerin wurden über einhundert antifaschistische Demonstranten direkt nach ihrer Ankunft am Bahnhof in Gewahrsam genommen. Unter ihnen sind viele Minderjährige. Anstatt den Demonstranten die Abreise zu ermöglichen, wurden sie für einen Zeitraum von mindestens sieben Stunden festgesetzt.

    Info:
    »Legal Team«: 01577-4704760
    RAV: 0179-4608473

  • · Nachrichten

    Zusammenfassung: Neonazis wichen in andere Städte aus

    Mehrere unangemeldete Demonstrationen von NPD-Anhängern. Polizei nahm in Schwerin 150 Antifaschisten fest
    Berlin. Nach dem Verbot der NPD-Demonstration in Schwerin gegen den G-8-Gipfel sind Anhänger der neofaschistischen Partei heute nach Berlin und in weitere Bundesländer ausgewichen. Wie ein Polizeisprecher in der Hauptstadt sagte, zogen am Vormittag etwa 100 Angehörige der rechten Szene bei einer unangemeldeten Demonstration durch das Brandenburger Tor. Dabei sollen sie Beamte, die sie aufhalten wollten, weggestoßen und auch verletzt haben. Ingesamt gab
    es 13 Festnahmen.
    In Osterburg im Landkreis Stendal überraschten rund 180 Neofaschisten die Polizei und störten den dort stattfindenden Sachsen-Anhalt-Tag mit einem unangemeldeten Aufmarsch. Dabei skandierten sie »Unser Schwerin ist hier«. In Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gab es ebenfalls unangemeldete Demonstrationen von Anhängern der NPD.
    Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald hatte am späten Freitagabend die Verbote für Demonstrationen der Rechtsextremisten in Schwerin und Ludwigslust und die Gegenkundgebung eines Antifa-Bündnisses in Schwerin bestätigt.
    Das Bundesverfassungsgericht wollte über die Eilanträge beider Seiten gegen den OVG-Beschluss an diesem Wochenende nicht mehr entscheiden.
    Die Berliner Polizei geht davon aus, dass die Busse mit den NPD-Anhängern nach dem Demonstrationsverbot in die Hauptstadt umgeleitet wurden. Ein Sprecher sagte am Mittag, es lägen Informationen vor, daß weitere Busse nach Berlin unterwegs seien. Bis zum frühen Abend gab es aber keine weiteren Zwischenfälle.
    Laut Polizei zogen die Neonazis mit Plakaten und NPD-Fahnen durchs Brandenburger Tor. Dabei riefen sie Parolen gegen den G-8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm. Dem Sprecher zufolge konnten die etwa zehn anwesenden Polizisten einen Durchmarsch nicht verhindern. Gegen die Festgenommenen wird wegen Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt.
    Die unangemeldeten Kundgebungen in weiteren Bundesländern gegen den G-8-Gipfel sowie das Demonstrationsverbot verliefen friedlich. In Brandenburg löste die Polizei in der Potsdamer Innenstadt am Vormittag eine Versammlung von etwa 60 Neonazis auf. Weitere Aufmärsche gab es in Oranienburg mit 80 Teilnehmern, in Wittenberge mit bis zu 200 Teilnehmern sowie in Lübbenau. Alle Veranstaltungen wurden verboten.
    Im niedersächsischen Lüneburg zogen nach Angaben eines Polizeisprechers am Vormittag rund 350 NPD-Anhänger unangemeldet durch die Innenstadt. Etwa 400 Personen beteiligten sich an einem Neonazi-Aufmarsch in Lauenburg in Schleswig-Holstein.
    Wie eine Polizeisprecherin sagte, wurden am Vormittag etwa 150 angereiste Demonstranten aus der linken Szene vor dem Hauptbahnhof von Schwerin in Gewahrsam genommen.
    (ddp/jW)

  • · Nachrichten

    Weiter Diskussion um Demo-Verbot

    Berlin. Das Demonstrationsverbot rund um den G8-Gipfel der führenden Industrienationen in Heiligendamm sorgt weiter für hitzige Diskussionen. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz nannte die Maßnahme überzogen.
    Nach Ansicht des früheren Vize-Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz, widerspricht das Verbot der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts.
    Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) verteidigte dagegen die Sicherheitsvorkehrungen mit dem Argument, die G-8-Treffen seien auch zu einem Symbol von gewalttätigen Demonstrationen geworden. Unions-Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) betonte, das Demonstrationsrecht sei »kein schrankenloses Grundrecht und auch kein Recht auf Randale«. Daher könne es zur Gefahrenabwehr zeitlich und örtlich beschränkt werden.
    Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hatte ein Verbot der Polizei bestätigt, wonach im Umkreis von mehreren Kilometern um den Tagungsort nicht demonstriert werden darf. Die Organisatoren eines geplanten Sternmarsches auf Heiligendamm wollen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen.
    Wiefelspütz kritisierte: »Wer sich friedlich gegen den G8-Gipfel wendet, muß dies auch in der Nähe des Veranstaltungsorts Heiligendamm tun dürfen. Alles andere wird dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht gerecht.« Dem stimmte Mahrenholz zu. Das Bundesfassungsgericht habe seit dem Brokdorf-Urteil auf dem Standpunkt gestanden, »daß Demonstranten ein Recht darauf haben, den Ort, an dem etwas stattfindet, wogegen man demonstriert, auch zu erreichen». Das sei jetzt der G-8-Gipfel.
    Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, forderte die Politiker auf, sich nicht hinter Gerichtsbeschlüssen zur Einschränkung des Demonstrationsrechts zu verstecken. »Die Politik muß diese Maßnahmen erklären und die Bürger überzeugen», sagte er. Zugleich kritisierte er den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler wegen seines Vergleicsh der Polizeikräfte in Heiligendamm mit der DDR-Staatssicherheit. Geißler trage damit zur Verschärfung
    der Situation bei.
    Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn rechtfertigte derweil Sitzblockaden als Mittel des Protests gegen den G-8-Gipfel. Diese seien »unter bestimmten Umständen ein legitimes Mittel des politischen Protestes - auch in Heiligendamm.«

    (ddp/jW)