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Aus: Dokumentation: »Wir klagen an«, Beilage der jW vom 08.05.2024
Palästina-Kongress

Grundrechte verteidigen!

Palästina-Kongress: junge Welt dokumentiert Beiträge der behördlich verbotenen Veranstaltung in Berlin
Von Verlag und Redaktion
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Versammlungsfreiheit mit Füßen getreten: Polizisten im Veranstaltungssaal nach Auflösung des Berliner Palästina-Kongresses (12.4.2024)

Tacheles in Kriegszeiten, der Staat zeigt seine Instrumente: Das Signal, das dieser Kongress aussenden sollte, schien unerwünscht – so wurde er von oberster Stelle kurzerhand verboten. Unter dem Titel »Wir klagen an« war in Berlin ein ­Tribunal gegen die deutsche Mittäterschaft an den israelischen Kriegsverbrechen in Gaza geplant. Doch kaum fielen die ersten kritischen Worte, zogen die Behörden der Veranstaltung, die vom 12. bis 14. April 2024 mit ihrem Programm vor Ort ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der notleidenden palästinensischen Bevölkerung setzen wollte, unter Vorwänden, aber ohne gesetzliche Grundlage buchstäblich den Stecker. Zuvor waren in sozialen Medien bereits Fotos von Polizisten verbreitet worden, die sich zu Dutzenden in Kampfmontur im Saal aufgestellt, Besucher drangsaliert und reihenweise nicht akkreditierte, dem Treffen augenscheinlich feindlich gesinnte Journalisten hineingeleitet hatten – gegen alle vorherigen Absprachen mit dem Veranstalter, der gleichzeitig eine drastisch eingeschränkte Teilnehmerzahl hinnehmen musste. Zudem verhängten die Ausländerbehörden wegen unerwünschter politischer Betätigung de facto Einreiseverbote gegen zwei Referenten, den britisch-palästinensischen Chirurgen und Rektor der University of Glasgow Ghassan Abu Sitta und den Kandidaten zur EU-Wahl Yanis Varoufakis.

Bereits im Vorfeld wurden den Organisatoren allerhand Steine in den Weg gelegt: Ein wochenlanges politisches und mediales Kesseltreiben gegen diesen als Versammlung der »Israel- und Judenhasser« denunzierten Kongress hatte sie zu einem absurden Versteckspiel gezwungen. So wurde der Versammlungsort erst kurz vor Beginn bekannt gegeben. Die Sparkasse sperrte einem der Veranstalter, der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost«, im Vorfeld das Konto; auf diesem Weg konnten keine Spenden zur Unterstützung des Kongresses mehr eingeworben werden. Eine denkwürdige Maßnahme gegen Juden im Land der Täter.

So ging an jenem Freitag ein ganz anderes Signal von der Hauptstadt aus: Will der Staat nicht genehme Meinungen unterdrücken, können die Grundrechte auf Meinungs-, Organisations- und Versammlungsfreiheit hierzulande jederzeit nach Belieben außer Kraft gesetzt werden. In Zeiten, in denen Deutschland auf allen Ebenen »kriegstüchtig« gemacht werden soll, nimmt das Agieren gegen fortschrittliche oppositionelle Stimmen neue, deutlich rabiatere Formen an. In diesem Sinne markieren die Ereignisse des 12. April einen vorläufigen Höhepunkt in Sachen Demokratieabbau. Im Zweifelsfall, so die Botschaft, ist der politische Wille entscheidend, nicht die Rechtslage, ein machtgeschützter Zustand der Willkür, eine Etappe auf dem direkten Weg in den Polizeistaat. Das alles ist Teil einer allgemeinen Tendenz zum reaktionären Staatsumbau, längst geht die Debatte um Grundsätzlicheres, um die Aufhebung des Streikrechts etwa, eine Erweiterung der Kompetenzen des Inlandsgeheimdienstes und der Polizeibehörden, auch eine Neuauflage der Berufsverbote wird diskutiert und in Teilen – siehe Brandenburg – bereits umgesetzt.

Dagegen gilt es anzugehen, bevor es zu spät ist! Beunruhigend, dass sich in der Öffentlichkeit, und insbesondere von seiten der Gewerkschaften, so wenig Widerstand gegen solche antidemokratischen Entwicklungen regt. Erschreckend, wenn diese sich – wie im Fall des DJU-Landesgeschäftsführers Berlin-Brandenburg am 12. April – gegen die Grundrechte sogar zu Handlangern der Staatsmacht machen.

Die junge Welt als Medienpartnerin der Veranstaltung (und als kritisches Medium selbst Ziel staatlicher Attacken) ist nicht bereit, sich dem staatlichen Diktat zu unterwerfen und diese drastische Form von Einschränkung der Meinungsfreiheit hinzunehmen. Redaktion und Verlag haben sich daher entschlossen, mit dieser Beilage wesentliche Inhalte des Palästina-Kongresses verfügbar zu machen. Namentlich gekennzeichnete Artikel in junge Welt geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder, das gilt auch für die Texte in der vorliegenden Dokumentation. Einzelne Aussagen darin stehen sogar quer zur Blattlinie. Dennoch veröffentlichen wir sie, um zu verhindern, dass der Staat mit seinen Zwangsmaßnahmen sein Ziel erreicht, indem wir der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich mit den vorgetragenen Argumenten auseinanderzusetzen. Das Verfügbarmachen verschwiegender oder unterdrückter Informationen, Anliegen oder Positionen sehen wir als Hauptaufgabe dieser Tageszeitung.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren. Denn nicht allen lernen die junge Welt kennen, da durch die Beobachtung die Werbung eingeschränkt wird.

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