junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Dienstag, 30. April 2024, Nr. 101
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 06.04.2024, Seite 8 / Inland
Repression gegen Palästina-Bewegung

»Das sind verzweifelte Einschüchterungsversuche«

Berlin: Palästinasolidarische Aktivisten gehäuft von Repression betroffen. Ein Gespräch mit Salah Said
Interview: Yaro Allisat
imago0443158586h.jpg
In Berlin lebt eine der größten palästinensischen Communitys außerhalb des Nahen Ostens (2.2.2024)

Sie engagieren sich seit mehreren Monaten konsequent aktiv für die Palästina-Solidarität in Berlin. Zuletzt gab es mehrere Razzien gegen Aktivisten. Auch bei Ihnen durchsuchte die Polizei am 22. März die Wohnung und beschlagnahmte Mobiltelefone sowie Datenträger. Dies war nicht das erste Mal, dass die Polizei vor Ihrer Tür stand. Was genau wird Ihnen vorgeworfen?

Ich kann mich leider dazu nicht äußern, das habe ich mit meinen Anwälten so abgesprochen. Was ich aber sagen kann: Es ist bedrohlich und gibt keine rechtliche Grundlage für die Durchsuchung und die Beschlagnahmungen. Ich werde das anfechten.

Anders als Berliner Tageszeitungen es berichteten, geht es offiziell nicht um den für nächste Woche geplanten Palästina-Kongress. In Artikeln anderer Medien liest man bezogen auf den Kongress, dass die Polizei herausfinden will, wer die Sprecher sind. Dabei kann man alle Rednerinnen auf der Webseite des Kongresses finden. Wie erklären Sie sich das?

Vor der Hausdurchsuchung hatte ich zwei »Gefährderansprachen«, die meiner Meinung nach grundlos waren und als Verletzung meiner Grundrechte betrachtet werden können. Es ging um einen Social-Media-Post, der absolut legal war. Und es ging darum, dass ich eine »Bedrohung der nationalen Sicherheit« sei, weil ich anscheinend Menschen bewege, so die Kriminalpolizei. Dabei ist das vollkommen egal, ob ich da bin, denn Abertausende Menschen werden trotzdem auf die Straße gehen, um für Palästina-Solidarität einzustehen, gerade in Deutschland. Aber es wird versucht, es so darzustellen, als seien wir kein Movement, sondern Einzelpersonen.

Dabei liegt gegen mich keine einzige Verurteilung vor. Wer mich vor sechs Monaten gegoogelt hat, fand einen sozial engagierten Bürger und Demokratiepreisträger. Und jetzt werde ich kriminalisiert und dämonisiert, auch in den Medien. Die Repression wird immer aggressiver, obwohl immer mehr Menschen den Genozid an den Palästinenserinnen und Palästinensern ablehnen. Auch international steht Deutschland mehr und mehr alleine da – und beharrt trotzdem auf seiner Position.

Heißt das, es geht den Behörden primär um Einschüchterung?

Ja, es sind verzweifelte Einschüchterungsversuche. Aber ich werde nicht aufhören. Es ist meine Pflicht als Palästinenser und als Mensch, weiterhin auf den Genozid und den Missbrauch von Menschen aufmerksam zu machen. Das werde ich mein Leben lang tun.

Erleben Sie dafür auch Anfeindungen?

Ich erhalte täglich unzählige Droh- und Hassnachrichten. Ich wurde auf der Straße angegriffen, sowohl bei Anti-AfD-Demos als auch einfach so im Supermarkt. Wenn mir etwas passiert, dann mache ich die deutsche Regierung und die Medien dafür verantwortlich, die jeden Tag diese Gewalt weiter anfachen und ermöglichen.

Wie meinen Sie das?

Ich bin der Meinung, dass Regierung und Medien dafür verantwortlich sind, dass die Gewalt gegenüber Palästinensern, Muslimen und Menschen mit arabischem Hintergrund extrem zunimmt. Denn nicht nur die AfD, sondern auch die Ampelregierung treibt das voran, indem sie rassistische Gesetze wie das Abschiebegesetz umsetzt. Wir erleben zudem eine Kulturregression, wie sie auch auf der Berlinale zu sehen war.

Sie sagen, Sie werden nicht aufhören. Woran arbeiten Sie momentan?

Aktuell bin ich weiter dabei, Demonstrationen mitzuplanen. Da bin ich zusammen mit einigen Gruppen beteiligt. Und ich bereite mich auf den Palästina-Kongress vor. Da sammeln wir weiter Spenden. Wir hoffen auf Unterstützung trotz der Repressionen und der verzweifelten sowie unrechtmäßigen Versuche, den Kongress abzusagen.

An welche Versuche denken Sie da?

Zum Beispiel die Sperrung des Kontos der »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost«, über das alle Anmeldungen und Spenden gesammelt wurden. Spenden können jetzt wieder über einen neuen Spendenlink entgegengenommen werden. Wir benötigen die Unterstützung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger mehr denn je.

Salah Said ist Palästinenser aus Berlin und seit Monaten für Palästina-Solidarität aktiv

Infos unter: palaestinakongress.de

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Propalästinensische Demonstranten fordern einen Waffenstillstand...
    20.03.2024

    Breite Front gegen Konferenz

    Berlin: Aktivisten planen »Palästina-Kongress« im April. Hetze intensiviert sich, Senat prüft Verbot

Mehr aus: Inland