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Aus: Ausgabe vom 08.05.2024, Seite 8 / Inland
Schmutzige Geschäfte

»Zerstörung der Natur ist eine Konstante im System«

Umweltorganisationen fordern auch von Commerzbank Deinvestment bei fossilen Energieträgern. Ein Gespräch mit Kathrin Petz
Interview: Gitta Düperthal
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Auch hierfür wird tonnenweise Kohlenstoff aus der Erde gegraben: Kraftwerk von RWE in Bergheim-Niederaußem (26.12.2023)

Die zurückliegende Hauptversammlung der Commerzbank hat auch Ihre Organisation zum Anlass genommen, um an die Bank zu appellieren, sie solle bestehende Klimarichtlinien einhalten. Sie kritisieren schmutzige Finanzgeschäfte mit fossilen Energien. In welchem Umfang engagiert sich die Bank in dem Bereich?

Nach unserer aktuellen Recherche hat die Commerzbank 2021 bis 2023 die Kohleindustrie mit 608 Millionen US-Dollar finanziert. Sie folgt an zweiter Stelle nach deren größtem Kreditgeber Deutsche Bank. Solch massive Finanzierungshilfen stehen im Widerspruch zum Beschluss des UN-Klimagipfels in Glasgow 2021. Für Öl und Gas liegen noch keine neuen Zahlen vor. Die Commerzbank nimmt im Kohlebereich lediglich keine neuen Kunden mehr an, die Kohlekraftwerke bauen oder Kohleminen erschließen. Aus unserer Sicht dürfen Banken gar keine Unternehmen finanzieren, die Kohle in ihrem Portfolio nicht zurückfahren oder gar noch ausbauen.

Wird RWE beispielsweise noch über die Commerzbank finanziert?

Ja. Der Konzern hat den Kohleausstieg zwar bis 2030 zugesichert, will aber bis dahin noch so viel Kohle wie möglich aus dem Boden holen. Zum einen gibt es die unmittelbare Zerstörung durch weiteren Ausbau von Kohletagebauen: Dörfer werden abgebaggert und Menschen umgesiedelt. Im Umfeld von Kohlekraftwerken erleiden Anwohner Gesundheitsschädigungen durch freigesetzte giftige Emissionen. Die Folgen der Klimakrise durch den CO2-Ausstoß sind allgegenwärtig: etwa im Fall der Katastrophe im Ahrtal oder des Verschwindens von Inseln im Pazifik, weil der Meeresspiegel steigt. Wir fordern die Commerzbank auf, das Geld aus fossilen Industrien abzuziehen.

War dies Thema bei der Hauptversammlung?

Beantwortet wurden solche Fragen der kritischen Aktionäre wie üblich mit dem Vorlesen von Stellen aus dem Geschäftsbericht. Nachhaltigkeit ist dennoch bei Banken grundsätzlich Thema. Die Commerzbank ist Teil der »Net Zero Banking Alliance«, in der sich 144 Großbanken unter anderem dazu verpflichten, die Emissionen aus ihrem Geschäftsbetrieb und ihren Portfolios bis spätestens 2050 auf null zu senken. Wie viel Einfluss sie damit haben, den Ausstieg von Unternehmen aus fossilen Energien zu beschleunigen, ist nicht klar. Wir werden keine Ausreden mehr akzeptieren: Sie müssen sich zum Ziel setzen, die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Warum sollten Banken Klimarichtlinien einhalten, wenn sie ohne diese besser profitieren? Sie sind kapitalistische Betriebe – und insofern nicht der falsche Adressat?

Nein. Wenn sich Nachhaltigkeit aufgrund des öffentlichen und politischen Drucks weiter durchsetzt, könnten Unternehmen, die weiterhin auf fossile Energien setzen, wirtschaftlich schlechter dastehen. Auch weil erneuerbare Energieträger immer günstiger werden, wächst das finanzielle Risiko für rückständige Konzerne: Gut möglich, dass sie künftig Kredite nicht mehr zurückzahlen können. Für Banken wäre kein Gewinn mehr zu machen. Wir wollen, dass diesen der Geldhahn zugedreht wird. Dem Druck können sich Banken kaum entziehen.

In der Finanzkrise musste der Staat die Commerzbank retten. Müssten nicht jetzt die Bundesregierung und die im Jahr 2025 zur Wahl antretenden Parteien klare Auflagen machen?

Die Politik muss Rahmenbedingungen setzen und sollte ihrerseits fossile Energien nicht mehr subventionieren.

Die Zerstörung der Natur kann im Kapitalismus ungemein profitabel sein. Sehen Sie dennoch einen Weg, innerhalb des Systems den Raubbau an den Ressourcen zu stoppen?

Der ist eine Konstante im bestehenden Wirtschaftssystem. Doch Zivilgesellschaft und Politik sind ein mächtiges Korrektiv. Wir sehen ja auch, dass alte Formen der Energiegewinnung zunehmend an Attraktivität verlieren. Allerdings kämpft eine Lobby der tradierten fossilen Industrie gegen deren Abschaffung – und erschwert so Banken und Versicherern den Ausstieg.

Kathrin Petz betreut die Kohle-, Rüstungs- und Bankenkampagnen der Umweltorganisation Urgewald

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  • Leserbrief von Arvid Loerke aus Oranienburg (8. Mai 2024 um 14:26 Uhr)
    Das grundlegende Problem besteht mitnichten in den fossilen Energieträgern. Die gesamte Debatte darum ist ein agitatorisches Verdrängungsphantom. Eine Produktionsweise die getrieben von systemimmenten Wachstumszwang und Konkurrenz, kann definitiv nicht umweltschonend sein und muss getrieben vom ständigen Zwang des Investierens, Produzierens und Verkaufen müssens, zwangsläufig den Planeten mit allerlei Konsumplunder regelrecht zumüllen. Was bitte schön soll dann auch umweltschonend sein, Millionen und aber Millionen gut funktionierende, relativ saubere, hochwirksame ( Wirkungsgrad ca 96 % ) Gasthermen zu verschrotten und diese durch sogenannte Wärmepunpen zu ersetzen für deren notwendige Elektroenergiegewinnung widerrum neue Gaswerke ( Wirkungsgrad ca 40 % ) gebaut werden müssen. Was bitte schön ist daran umweltschonend, wenn relativ sauberes, preiswertes russisches Erdgas durch hochgradig umweltzerstörendes, teures Frankinggas Made in USA ersetzt wird. Weder dem grünen Verein noch dieser Bundesregierung ( und auch die nächste wird nichts Anderes tun ) geht es um Umweltschutz, der geht es worum es immer geht um PROFIT für die Wenigen und Maloche bis zum Lebensende ( Rente ab 67, 70, 90 ) für die große Masse. Wie hieß es bei Marx. Die kapitalistische Produktionsweise zerstört die Springquellen allen Reichtums, den Arbeiter und die Erde. ( sinndgemäß zitiert aus Das Kapital Bd I )

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