Altes Format, neue Akzente
Von Reinhard Lauterbach
Russland sei bereit, mit Frankreich Gespräche über eine Beendigung des Ukraine-Konflikts zu beginnen. Diese Ankündigung von Moskaus Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow vom Sonntag ist in der Sache weniger überraschend, als sie auf den ersten Blick aussieht. Peskow reagierte damit auf eine Aussage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vom Freitag: Es liege in »unserem Interesse als Europäer und Ukrainer«, die Gespräche mit Wladimir Putin über ein Ende des Ukraine-Konflikts wieder aufzunehmen.
Tatsächlich entspricht diese Linie weitestgehend dem Tonfall, in dem Putin in seiner jährlichen Jahresendpressekonferenz über den Ukraine-Konflikt am Freitag sprach. Mehrfach wiederholte er, Russland sei bereit, »jederzeit« die Kampfhandlungen zu beenden, sobald seine politischen Interessen berücksichtigt würden und der kollektive Westen mit ihm wieder auf der Grundlage gegenseitiger Achtung und des Respekts vor den Sicherheitsinteressen jeder Seite verkehren wolle.
Der russische Präsident zitierte als positive Beispiele aus der Vergangenheit ausdrücklich die SPD-Politiker Egon Bahr und Willy Brandt sowie den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl. Dieser habe stets die Meinung vertreten, dass eine Zukunft Europas nur gemeinsam mit Russland denkbar sei; leider sei der kollektive Westen von dieser Position Schritt für Schritt abgegangen. Auf eine Frage der chinesischen Agentur Xinhua nannte Putin Russland den »größten europäischen Handelspartner« der Volksrepublik. Die Rhetorik der Abkopplung aus den vergangenen Jahren schien vergessen. Zum Krieg in der Ukraine sagte Putin nur, dass Russland seine Ziele, falls eine politische Lösung nicht möglich sein sollte, dann eben mit militärischen Mitteln erreichen werde.
Welchen politischen und sozialen Problemen sich Russland – unter anderem wegen des Krieges – im Innern gegenübersieht, wurde aus Putins Antworten auf eine Reihe von Fragen ausgewählter Fernsehzuschauer deutlich. So entgegnete er der Witwe eines im Krieg gefallenen Soldaten auf deren Frage, warum sie auch nach einem Jahr noch nicht als Angehörige und Rentenberechtigte anerkannt sei, nur, dass das Problem bekannt sei. Früher hätte er aus der laufenden Sendung heraus irgendwo anrufen und eine Einzelfalllösung herbeiführen lassen. Noch ein Beispiel: Er konterte die Frage einer Frau aus dem sibirischen Tjumen, warum das Erziehungsgeld nur für eineinhalb Jahre gezahlt werde, aber die Kitas und Horte Kinder erst ab dem dritten Geburtstag aufnähmen, mit dem Eingeständnis: Dafür sei kein Geld da, so wünschenswert es auch wäre.
Teilweise griff er auch auf das rhetorische Repertoire des Vulgärliberalismus zurück. Als sich eine kurz vor dem Abschluss stehende Medizinstudentin beschwerte, wie solle sie mit Ende 20 gleichzeitig promovieren, Kinder bekommen und ihren fünfjährigen Pflichtdienst im öffentlichen Gesundheitswesen ableisten, ließ Putin sie abfahren: »Sie haben sich schließlich dafür entschieden, ein kostenloses Studium auf Staatskosten zu absolvieren, und da müssen Sie halt diesen Dienst leisten; Sie hätten ja auch kostenpflichtig studieren können.«
Abweichungen von dieser in den vergangenen Jahren so nicht gehörten Linie sozialer Kaltschnäuzigkeit leistete sich Putin einzig in der betont pfleglichen Behandlung von Angehörigen nichtrussischer Nationalitäten. So hatte der Kreml einen von der Front abkommandierten Soldaten aus Kalmückien eingeladen, um das »Heldentum« und die Kameradschaft der russischen Armee zu illustrieren. Und er zitierte einen Frontkommandeur, der ihm berichtet habe, mit dem Kommandeur der Nachbarbrigade, einem Dagestaner, verbinde ihn ein Verhältnis der »Bruderschaft«. Was Putin nutzte, um den Kommentar anzuschließen, dass alle in Russland vertretenen »traditionellen Religionen« – also orthodoxes Christentum, Islam und Judentum – im Prinzip dieselben »traditionellen Werte« teilten. Denen freilich nachzuhelfen ist: Putin nutzte die Situation für einen Appell an die Kulturschaffenden, Werke hervorzubringen, die »die Freuden der Mutterschaft – und natürlich auch der Vaterschaft – herausstellten«. Die Sendung dauerte wie üblich über vier Stunden.
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