Gegründet 1947 Sa. / So., 20. / 21. Dezember 2025, Nr. 296
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 20.12.2025, Seite 1 / Titel
Ukraine-Krieg

Coup auf Eis

EU verzichtet vorläufig auf den Zugriff auf russisches Staatsvermögen, um die Ukraine über Wasser zu halten. Statt dessen Gemeinschaftsschulden als Zuschuss an Kiew
Von Reinhard Lauterbach
1.jpg
Da guckste dumm aus der Wäsche. Merz und von der Leyen konnten sich mit ihrem Vorhaben einer Enteignung russischer Gelder nicht durchsetzen (Brüssel, 18. Dezember 2025)

Die EU hat auf einem Gipfeltreffen in Brüssel beschlossen, der Ukraine in den nächsten zwei Jahren insgesamt 90 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll durch von der EU selbst aufzunehmende Schulden beschafft und der Ukraine als zinsloser Kredit überwiesen werden. Rückzahlungspflichtig würde die Ukraine nur, wenn sie von Russland direkte Kriegsentschädigungen erhält. Da das unwahrscheinlich bis ausgeschlossen ist, bedeutet der Beschluss, dass die EU die Finanzierung der Ukraine auf eigene Rechnung übernimmt. Allerdings decken die jetzt zugesagten Mittel nur ungefähr die Hälfte des ukrainischen Geldbedarfs für den Krieg und den Weiterbetrieb des Staates. Der IWF hatte zuletzt eine Zahlungsunfähigkeit der Ukraine für spätestens das zweite Quartal 2026 in den Raum gestellt. Sie scheint jetzt zunächst vermieden zu sein – wobei Überraschungen immer noch möglich sind.

Politisch entscheidend aber ist, dass sich der Gipfel nicht auf den von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Friedrich Merz forcierten Plan einigen konnte, in Belgien eingefrorenes russisches Staatsvermögen für die Ukraine-Hilfe zu beschlagnahmen. Gegen diese Lösung hatten sich nicht nur der belgische Regierungschef Bart de Wever ausgesprochen, sondern auch eine Koalition etlicher vor allem zentraleuropäischer Länder. Der Ablehnungsfront aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Zypern, Malta und Italien hatte sich zuletzt noch Österreich angeschlossen. Tschechien, die Slowakei und Ungarn ließen sich ihre Zustimmung zu der Kreditlösung mit der Zusage abkaufen, dass sie nicht verpflichtet sein werden, gemäß ihrem Anteil an der Wirtschaftskraft der EU deren Ukraine-Schulden zurückzuzahlen. Kanzler Friedrich Merz sagte nach der Einigung, die endgültige Einziehung des in der EU blockierten russischen Vermögens bleibe weiter auf dem Tisch. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zog allerdings am Freitag vor Journalisten in Betracht, dass die EU wieder direkte Gespräche mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin aufnimmt, falls die von den USA initiierten Verhandlungen scheitern.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij lobte den Beschluss der EU und nannte ihn eine »finanzielle Sicherheitsgarantie für die nächsten zwei Jahre«. Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Mikola Knjaschizkij schrieb auf Facebook, die EU sei eine »ökonomische Supermacht« und könne sich leisten, sein Land noch jahrelang zu unterstützen. Aus Russland waren Töne der Erleichterung zu hören. Der Investitionsbeauftragte Kirill Dmitrijew schrieb auf X, bei der EU hätten »Recht und Vernunft« über die »Kriegstreiberfraktion« gesiegt. Präsident Wladimir Putin sagte bei einem TV-Auftritt, die »Scheiter-Ursula« habe eine weitere Niederlage erlitten. Dasselbe Argument brachten ironischerweise am Freitag Politiker der Grünen in deutschen Medien. Die Parteichefinnen Katharina Dröge und Franziska Brantner sagten in morgendlichen Interviews, die EU habe die »Chance verpasst, Putin ein klares Signal ihrer Geschlossenheit zu senden«. Dröge fügte hinzu, sie hätte Kanzler Merz einen Erfolg in Brüssel gewünscht.

Auch auf einem anderen Feld musste die Bundesrepublik auf dem Gipfel eine Schlappe hinnehmen. Angesichts von Widerstand aus Frankreich und Italien erteilten die Staats- und Regierungschefs von der Leyen kein Mandat, wie ursprünglich geplant schon am Wochenende nach Brasilien zu reisen, um dort das Freihandelsabkommen mit dem lateinamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) zu unterzeichnen. Die Ratifizierung soll jetzt im Januar nachgeholt werden.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche: