Backen aufblasen
Von Reinhard Lauterbach
Auf dem Papier sieht die Abschlusserklärung der »Europäer« nach den Berliner Ukraine-Verhandlungen martialisch aus: Unter anderem soll eine »europäisch« geführte »Stabilisierungstruppe« in die Ukraine geschickt werden, um dort auch den ukrainischen Luftraum und die Seewege in das Land zu sichern. Eine Beteiligung der Bundeswehr an dieser Truppe wird nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Werden damit in absehbarer Zeit deutsche Soldatinnen und Soldaten »für Kiew sterben«?
Zum Glück stehen die großen Worte aus Berlin unter einer praktisch ausschließenden Vorbedingung: Sie sollen erst nach einem Waffenstillstand greifen, und der steht einstweilen in den Sternen. Russland hat schon angekündigt, dass es Truppen von NATO-Ländern auf ukrainischem Boden – egal, ob im offiziellen Auftrag der NATO, mit einem Mandat der EU oder unter sonst einem Titel – niemals akzeptieren und sie als »legitime militärische Ziele« behandeln würde. Und da es – insoweit hat Friedrich Merz sogar recht – in der Macht von Russland steht, einem Waffenstillstand zuzustimmen oder nicht, wird diese Truppe praktisch wohl eher nicht kommen. Denn mit der Aussicht, Truppen aus europäischen NATO-Staaten – es gibt ja außer der Schweiz und Österreich keine anderen mehr – vor der eigenen Haustür zu bekommen, hat Russland erst recht einen Anreiz, den Krieg bis zu einem für Moskau siegreichen Ende fortzusetzen. Als Beitrag zu einer »Friedenssicherung« ist die Berliner Erklärung also ein typischer Schuss in den Ofen. Eine entsprechende Truppe bewirkt schon als Ankündigung eher das Gegenteil. Und das scheint auch so gewollt zu sein.
Damit rückt das zweite Motiv für die EU-Granden als das wahrscheinlichere in den Blick: Die EU wollte offenkundig gegenüber den USA die Backen aufblasen und, nachdem sie in Berlin auf das Kaffeekochen für die Unterhändler aus Washington und Kiew reduziert worden war, wenigstens für die Öffentlichkeit den Anschein von Einfluss auf den Friedensprozess wahren. Einen Friedensprozess, der noch nicht einmal richtig in Gang gekommen ist, denn alle bisherigen Absprachen fanden innerhalb des ehemals kollektiven Westens statt. Russland nutzt das geradezu genüsslich aus und erklärt, es erwarte jetzt von den USA eine Unterrichtung über die Ergebnisse von Berlin. Aus russischer Sicht hätten die Gespräche genausogut am Südpol unter der Schirmherrschaft der dortigen Pinguine stattfinden können.
Russland hält sich alles offen und setzt unterdessen seinen Vormarsch in der Ukraine fort. Dieser Tage haben seine Truppen in der Südukraine eine bedeutende Lagerstätte für Eisenerz eingenommen. Wenn also Donald Trump dort künftig Rohstoffgeschäfte machen will, muss er sich an Russland wenden. Denn von einem russischen Rückzug hinter die Front des Stichtages X redet niemand mehr. Einstweilen schafft Russland vollendete Tatsachen, ob es Friedrich Merz gefällt oder nicht.
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