Vorstoß der Fleischlobby rechtswidrig
Von Matthias Rude
Im Oktober hat sich das EU-Parlament dafür ausgesprochen, Begriffe wie »Schnitzel« oder »Wurst« künftig nur noch für Fleischprodukte zuzulassen. In dieser Woche verhandeln Parlament, Mitgliedstaaten und Kommission in einem sogenannten Trilog über den Gesetzesvorschlag. Ein juristisches Gutachten kommt nun aber zu einem klaren Ergebnis: Das Vorhaben, das vor allem von konservativen und rechten Abgeordneten vorangetrieben wird, verstößt gegen geltendes EU-Recht.
»Die geplanten Änderungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand«, so die Berliner Kanzlei Geulen und Klinger, die die Gesetzeslage im Auftrag von Foodwatch analysiert hat. Ein pauschales Verbot von Fleischbezeichnungen für vegetarische und vegane Produkte sei mit geltendem Recht unvereinbar. Laut dem Papier verstößt der Versuch, pflanzliche Produkte sprachlich auszugrenzen, gegen zentrale Vorgaben des europäischen Verbraucher- und Binnenmarktrechts.
Maßgeblich ist die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Sie schreibt vor, dass Nahrungsmittel entweder eine rechtlich festgelegte Bezeichnung oder – falls diese fehlt – eine verkehrsübliche oder beschreibende Bezeichnung tragen müssen. Für Fleischalternativen existieren bislang weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene verbindliche Bezeichnungen. Produktnamen wie »vegane Wurst« oder »pflanzliches Schnitzel« sind daher rechtlich zulässig. Der Europäische Gerichtshof entschied 2024 ausdrücklich, dass Bezeichnungen nicht pauschal verboten werden dürfen, ohne zugleich festzulegen, wie Produkte statt dessen zu heißen haben. Genau daran scheitert der aktuelle Vorstoß. Statt klare und rechtssichere Begriffsbestimmungen zu schaffen, setzt er auf ein generelles Sprachverbot.
Der Entwurf ist zudem widersprüchlich: Begriffe wie »Schnitzel« sollen ausschließlich Produkten vorbehalten sein, die aus den »essbaren Teilen von Tieren« bestehen. Nach dieser Logik wäre selbst ein klassisches paniertes Kalbsschnitzel problematisch – denn Panade besteht nicht aus Fleisch. Die Regelung ist daher laut dem Gutachten »nicht nur unklar und unverständlich, sondern auch irreführend«.
Auch der offiziell bemühte Verbraucherschutz trägt nicht als Begründung für das Verbot. Wie der Europäische Gerichtshof mehrfach bestätigt hat, ist die sogenannte Irreführungsprüfung stets am Leitbild des »durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen« Verbrauchers auszurichten. Dass dieser eine »vegane Wurst« für ein Fleischprodukt hält, ist kaum plausibel. Begriffe wie Wurst oder Schnitzel beschreiben längst nicht mehr ausschließlich die tierische Herkunft, sondern ebenso Form, Verarbeitung und Zubereitungsart. Verbraucher sind mit solchen Wörtern inzwischen »nicht nur hinsichtlich von Fleischprodukten, sondern auch hinsichtlich veganer oder vegetarischer Alternativprodukte vertraut«, so die Analyse. Ein Totalverbot wäre daher unverhältnismäßig, zumal mildere Mittel – etwa eindeutige Zusätze wie »vegan« oder »pflanzlich« – längst etabliert und ausreichend sind.
Politisch verortet sich der Vorstoß im Bündnis aus konservativen Parlamentsfraktionen, nationalen Bauernverbänden und der industriellen Fleischwirtschaft. Vorangetrieben wird er vor allem von EVP-Abgeordneten, insbesondere aus Frankreich, wo Agrarlobby und Politik traditionell eng verflochten sind. Kritiker sehen darin den Versuch einer ökonomisch unter Druck stehenden Branche, Absatzprobleme nicht durch Transformation, sondern durch Regulierung der Sprache lösen zu wollen. Die Inanspruchnahme des EU-Gesetzgebungsapparats für diesen kulturkämpferischen Feldzug offenbart eine politische Strategie, die auf Verteidigung des Status quo setzt und eine Transformation des Ernährungssystems blockiert. Die europäische Rechte betreibt Interessenpolitik gegen pflanzliche Alternativen, gegen veränderte Konsumgewohnheiten – und gegen jede Infragestellung des industriellen Fleischmodells.
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Jaap Arriens/IMAGO/NurPhoto29.11.2025Warum ist das neue Rüstungsprogramm illegal?
Oliver Weiken/dpa14.11.2025Arbeitsschutz war gestern
Daniel Alfoldi/IMAGO/ZUMA Press Wire05.11.2025Verschlepptes Verfahren in Ungarn
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Haben Sie die Übergriffe dokumentiert?
vom 10.12.2025 -
Warum melden Kommunen zu wenig Wohnungslose?
vom 10.12.2025 -
Nicht totzukriegen
vom 10.12.2025 -
Die Falschen angeklagt
vom 10.12.2025 -
Von wegen Bildungsoffensive
vom 10.12.2025 -
Nachschlag: Kanzlershow
vom 10.12.2025