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Aus: Ausgabe vom 10.12.2025, Seite 4 / Inland
Forderungen nach einer EU-Armee

Nicht totzukriegen

Erneut werden Rufe nach einer EU-Armee laut. Die Konkurrenz zwischen den Mächten hat solche Pläne in der Vergangenheit stets vereitelt
Von Philip Tassev
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Keine der EU-Mächte will die Kontrolle über das eigene Militär an Brüssel (und damit an Berlin) abgeben (Strasbourg, 7.5.2025)

Niederlagen umzuwandeln in neue Chancen, damit kennt sich der nicht totzukriegende deutsche Imperialismus nach zwei angefangenen und verlorenen Weltkriegen aus. Auch der Chef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber, hat seinen Teil aus der deutschen Geschichte gelernt. Angesichts des sich abzeichnenden Debakels in der Ukraine erneuert er seinen Ruf nach einer vereinten EU-Armee. Die Augsburger Allgemeine zitierte den CSU-Politiker am Dienstag mit der Aussage: »Kohl und Strauß würden heute die europäische Armee fordern. Mit dem Euro wurde die europäische Einigung nicht rückabwickelbar, nicht mehr auflösbar. Das gleiche brauchen wir jetzt bei der Verteidigung.«

Weber kündigte an, beim CSU-Parteitag am Wochenende gemeinsam mit dem »Ehrenvorsitzenden« Theo Waigel einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dies sei ganz im Sinne der Politik von Ex-CSU-Chef Franz Josef Strauß und Exbundeskanzler Helmut Kohl.

Bezogen auf den Ukraine-Krieg sagte er: »Wenn es zu einem Waffenstillstand kommt, muss Europa bereit sein, ihn zu sichern.« Es sei dann »Zeit für europäische Einsatzstrukturen«, mit Soldaten »unter europäischer Flagge«. Und »natürlich sind dann auch Deutsche dabei«.

Webers Lehre aus dem 20. Jahrhundert scheint zu sein: Ohne Deutschland darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Dem entspricht auch seine Haltung zum ursprünglichen 28-Punkte-Friedensplan der Trump-Regierung. Dieser käme »einer Kapitulation der Ukraine gleich«. Es dürfe »keine Übergabe unbesetzter Territorien der Ukraine an Putin geben, keine Amnestie für Kriegsverbrecher, keine Demilitarisierung der Ukraine«.

Nun ist die Idee einer EU-Armee nicht neu, sondern reicht bis in die 1950er Jahre zurück. Mit dem 11. September 2001 und den anschließenden Kriegen gegen den Irak und gegen Afghanistan erlebte das Konzept eine Neuauflage. Einige Schritte in Richtung eines EU-Militärs wurden in den Folgejahren unternommen. Zum Beispiel wurden verschiedene multinationale Verbände wie die »EU-Battlegroups«, das »Eurocorps« und weitere militärische Formationen aufgestellt, die den Kern einer solchen Streitmacht bilden könnten. Auch wurde mit der »Europäischen Verteidigungsagentur« ein Organ zur gemeinsamen Rüstungsforschung und -beschaffung eingerichtet. Die Kontrolle über das eigene Militär will aber keine der europäischen Mächte abgeben. Pläne zur tieferen Integration der nationalen Armeen in eine einheitliche EU-Armee scheiterten in der Vergangenheit stets an den unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten. Die BRD würde in einer gemeinsamen Armee eine ebenso dominante Rolle spielen wie in der EU insgesamt. Insbesondere in Paris – wo der Gaullismus noch immer tief sitzt – war man aber von der Aussicht auf einen möglichen Zugriff Berlins auf Frankreichs Militär und vor allem auf das eigene Atomwaffenarsenal stets wenig begeistert. Großbritannien ist spätestens seit dem Austritt aus der EU zum Vasallen der USA verkommen, und auch Polen und die baltischen Staaten werden sicherlich kein EU-Projekt unterstützen, das Washington irgendwie verärgern könnte.

Genau auf diese Interessenkonflikte zwischen den europäischen Staaten setze die aktuelle US-Regierung, ist sich Manfred Berg sicher. Gegenüber tagesschau.de sagte der Professor für amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg am Montag abend, es sei nicht zu erwarten, »dass wir in absehbarer Zeit zu dem transatlantischen Verhältnis vor Trump zurückkehren werden« – selbst wenn dieser in einigen Jahren nicht mehr auf der politischen Bühne stehe. Zwar gebe es vor allem im US-Militär, aber auch in der Republikanischen Partei noch zahlreiche Transatlantiker, die wüssten, wie wichtig die NATO und das Bündnis mit Westeuropa seien, aber: »Diese Leute finden im Augenblick nicht sehr viel Gehör.« Lange schon sei in den herrschenden Kreisen die Rede davon, dass die EU »ihr ökonomisches Potential ausspielen muss, dass sie sich in Richtung auf ein Militärbündnis entwickeln muss«. Die EU brauche jetzt endlich »starke Führung, aber Deutschland und Frankreich, die Führungsmächte innerhalb der EU sein müssen, sind selbst politisch zunehmend instabil und ökonomisch geschwächt«.

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