Gegründet 1947 Mittwoch, 10. Dezember 2025, Nr. 287
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 10.12.2025, Seite 3 / Inland
Polizeigewalt

Haben Sie die Übergriffe dokumentiert?

In Nürnberg geht von Polizeibeamten regelmäßig Gewalt gegen weibliche Demonstranten aus, sagt Sophie Lauter
Interview: Hendrik Pachinger
Bild aus Video.jpg

Sie und andere Frauen werfen der bayerischen Polizei beziehungsweise dem Unterstützungskommando (USK) sexualisierte Gewalt vor. Um was geht es genau?

Momentan gibt es in Nürnberg fast jede Woche Proteste gegen das sogenannte Team Menschenrechte, TMR, und dabei kommt es immer wieder zu heftiger Polizeigewalt. So ritt beispielsweise am 27. September die Polizeireiterstaffel eine Gegendemonstrantin nieder und verfehlte nur knapp den Kopf der Frau – das sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Insgesamt kam es an diesem Tag zu vier Schwerverletzten und Dutzenden Leichtverletzten. Wir haben aber schon länger beobachtet und erleben müssen, wie während der Gegenproteste besonders brutal gegen Frauen von seiten der Polizei vorgegangen wird.

Im Raum steht, dass Beamte des USK gezielt Frauen an den Hals greifen und sie würgen. Handelt es sich hier um vereinzelte Vorfälle, oder kann von einer Regelmäßigkeit gesprochen werden?

Es passiert auf jeden Fall regelmäßig. Zusammen mit drei weiteren Betroffenen sind wir mit unseren Erlebnissen an die Öffentlichkeit gegangen. Die einzelnen Vorfälle sind unabhängig voneinander und an unterschiedlichen Tagen passiert. Einmal kam es zu so einem Vorfall, als die betroffene Person dem Aufmarsch von TMR hinterhergelaufen ist. Ein weiteres Mal bei dem Versuch, sich einer Sitzblockade anzuschließen. Wir haben auch ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie Gegendemonstranten an Polizeigittern gegenüber der Abschlusskundgebung stehen. Plötzlich kommt ein USK-Polizist in kompletter Schutzausrüstung und packt zuerst zwei Frauen am Hals, lässt dann eine der beiden los und drückt bei der anderen noch mal mit beiden Händen zu. Ein Muster, das sich da sehr deutlich erkennen lässt, ist, dass es häufig dieselben USK-Beamten sind, die würgen. Wir wissen auch von weiteren Betroffenen – dabei handelt es sich ausschließlich um Frauen. Es ist wichtig zu betonen, dass Polizeigewalt auch außerhalb dieser Demos stattfindet.

Was genau ist das sogenannte Team Menschenrechte, und wieso gibt es Proteste dagegen?

Das TMR ist eine rechte Gruppierung, die aus den Protesten während der Covid-19-Pandemie hervorgegangen ist. Inzwischen hetzen sie vor allem gegen queere und migrantische Menschen, gegen alles, was sie für links halten, gegen den »Gendergaga«. Wenig überraschend finden sich immer häufiger AfD-Fahnen neben den zahlreichen Deutschland-Fahnen auf ihrer Demo. Lange Zeit hatten sie auch kein Problem damit, dass bei ihnen eine Person mitlief, die sich Hitler zurückwünschte und eine Gruppe junger Nazis organisierte. Erst nachdem die Aussagen dieser Person öffentlich bekannt wurden, distanzierte sich die Gruppe. Die Jungnazis können heute aber wieder ohne Probleme mitlaufen. Von seiten der Stadt und Polizei wird dafür der rote Teppich ausgerollt und im Zweifel auch die halbe Stadt für den Aufmarsch gesperrt.

Gibt es erkennbare kritische Reaktionen anwesender Polizisten auf gewalttätige Kollegen?

Nein, teilweise schauen sie sich das aggressive Verhalten sogar in dem Moment ab. Aber meistens schauen sie einfach nur zu oder kommentieren die Geschehnisse. Das Verhalten an sich scheint dabei weder neu noch in irgendeiner Art als kontrovers unter den Beamten angesehen zu sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir werden die Öffentlichkeit weiter aufklären. Wir haben durch unsere Videoreihe zu sexualisierter Gewalt durch die Polizei schon viele Menschen erreichen können und unglaublich viel Unterstützung erfahren. Wir hoffen, dadurch anderen Betroffenen zu zeigen, dass sie damit nicht allein sind. Auch werden wir weiterhin Fälle von sexualisierter Gewalt während der Proteste dokumentieren und das Verhalten der Polizei beobachten.

Vergangenen Mittwoch waren in einem Ausschuss des Stadtrats beispielsweise ein Verbot der Reiterstaffel und ein anderer Umgang mit den Sitzblockaden auch Gegenstand der Sitzung. Die Thematik zieht sich bereits seit dem Polizeiexzess vom 27. September hin und wird die Stadtverwaltung auch weiter beschäftigen. Es ist gut möglich, dass nun ein weiterer Punkt auf der langen Liste des Fehlverhaltens und der Gewalt der Polizei in Nürnberg hinzukommt.

Sophie Lauter ist Sprecherin einer Gruppe linker Demonstranten, die von Polizeigewalt betroffen ist

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Regio:

                                              jW-Jahreskalender für 2026 herunterladen (hier direkt)