Rotlicht: Deutschlandplan
Von Jörg Kronauer
Sich zum Frontstaat hochrüsten: Das war die Aufgabe, die der Bundesrepublik innerhalb der NATO in der Ära der Systemkonfrontation zukam. Daraus leiteten sich einige Besonderheiten in den Planungen der Strategen ab. In aller Munde waren damals Befürchtungen, die Truppen der Warschauer Vertragsorganisation könnten im Kriegsfall im »Fulda Gap« durchbrechen, der Region bei Fulda, die aus geographischen Gründen als prädestiniert für einen Einmarsch galt. Die Zeiten sind vorbei. Heute liegt die Grenze zwischen der NATO und Russland viel weiter östlich. Vor einem Durchbruch russischer Truppen wird entlang der polnisch-litauischen Grenze bis nach Kaliningrad gewarnt, in der Lücke von Suwałki, wie Strategen heute formulieren. Dies ist einer der geostrategischen Unterschiede zwischen der Zeit vor 1990 und nach 2014.
Für die Bundesrepublik hat das Folgen. Sie ist nicht mehr Aufmarschgebiet für mögliche Abwehr- oder Angriffsschlachten; sie ist zur Drehscheibe geworden. Über sie müssen NATO-Truppen aus Westeuropa oder Nordamerika nach Osten verlegt werden, wenn dort Krieg geführt wird. Dabei geht es um große Mengen: Die Bundeswehr nennt eine Zahl von 800.000 Soldaten und 200.000 Fahrzeugen innerhalb der ersten sechs Kriegsmonate. Diese Zahl mag sogar noch zu gering angegeben sein. Die gewaltige Menge an Transporten ist der Grund dafür, dass es zur Zeit in Deutschland so hohe Priorität hat, die vor sich hin rottende Infrastruktur kriegsfähig zu machen. Damit ist es aber nicht getan, denn es braucht auch Personal, das die durchziehenden Konvois schützt, die Militärfahrzeuge wartet bzw. betankt und die Soldaten verpflegt. Für den Schutz werden, weil die aktiven Soldaten an die Front im Osten geschickt werden, hauptsächlich Reservisten zuständig sein, für den Rest aber Zivilisten.
Wie das alles in der konkreten Praxis vonstatten gehen soll, das regelt der »Operationsplan Deutschland«, dessen erste Fassung Anfang 2024 fertiggestellt wurde und der seither laufend aktualisiert wird. Im typischen Bundeswehrdeutsch heißt es im Oplan Deu, er führe die »zentralen militärischen Anteile der Landes- und Bündnisverteidigung« einerseits »mit den notwendigen zivilen Unterstützungsleistungen« andererseits zusammen. Das Gesamtpapier wird strikt geheimgehalten. Einiges über seinen Inhalt weiß man aber, weil die Militärs, um die Bevölkerung mental auf den Beitrag vorzubereiten, den sie im Kriegsfall leisten muss, ein wenig davon verraten und weil Elemente des Plans auch geübt werden müssen, etwa bei dem Manöver »Red Storm Bravo« im September in Hamburg. Klar ist: In die Unterstützung der Bundeswehr sowie durchziehender Streitkräfte eingespannt werden zivile Behörden, Hilfsorganisationen – besonders solche mit ärztlichen Fähigkeiten wie das Rote Kreuz –, Privatunternehmen und im Grundsatz auch Privatpersonen.
Ein Schwerpunktbereich ist die Logistik. Privatunternehmen bereiten sich darauf vor, im Kriegsfall Rastplätze für die durchziehenden Truppen einzurichten. Dort müssen Fahrzeuge gewartet und betankt werden – zumindest letzteres können Zivilisten übernehmen. Das gilt auch für die Verpflegung und die Unterbringung. Bekannt ist, dass sich im Ukraine-Krieg größere Ansammlungen von Soldaten als ein willkommenes Angriffsziel für russische Raketen erwiesen haben. Ist womöglich eine zumindest teilweise dezentrale Unterbringung geplant, vielleicht sogar bei Privatpersonen? Solange die angeblich 1.400 Seiten des Oplan Deu geheimgehalten werden, muss spekuliert werden. Klar scheint zu sein, dass der Plan Anweisungen enthält, wie der Rücktransport von Verletzten von der Front in deutsche Krankenhäuser geregelt und wie der militärische Sanitätsdienst mit zivilem Personal verflochten wird. Klar ist zudem: »Die Versorgung der Bevölkerung«, teilt die Bundeswehr ausdrücklich mit, »regelt der Operationsplan Deutschland nicht«.
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