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Aus: Ausgabe vom 26.11.2025, Seite 11 / Feuilleton
Reggae

Sound der Rebellen

You can get it if you really want: Der Reggaepionier Jimmy Cliff ist tot
Von Gerd Schumann
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Jimmy Cliff (30.7.1944–24.11.2025)

Rebellen waren sie allesamt, die Väter des Reggae. Was auch sonst, wenn man unter Kolonialbedingungen – London herrschte bis 1962 über Jamaika – und in armen Verhältnissen aufwächst und rauswill aus dem Elend. Nun hat uns mit Jimmy Cliff am 24. November auch der letzte von den großen Pionieren eines bahnbrechenden Stils der populären Musik verlassen.

Geboren wurde Cliff 1944 inmitten eines Hurrikans, der über die im Nordwesten gelegene Hafenmetropole Saint James Parish hinwegfegte, einst Umschlagplatz für Sklaven und Zucker. Er gehörte der aufbrechenden Generation von Bob Marley (1945–1981), Peter Tosh (1944–1987) und Desmond Dekker (1941–2006) an, die in den Endsechzigern und in den siebziger Jahren die weltweite Umbruchphase mittrug. Das Selbstbewusstsein des globalen Südens wuchs, die musikalischen Impulse – weit vor MTV – verbreiteten sich über die Grenzen von Ländern und Kontinenten und wirkten gesellschaftspolitisch mindestens anregend, wenn nicht avantgardistisch.

Mit »Vietnam« landete Cliff seinen ersten internationalen Erfolg. Bob Dylan meinte mal, der Titel sei der beste Protestsong, der je geschrieben wurde. Veröffentlicht 1969 trug er seinen Teil zum Erwachen einer breiten Antikriegsbewegung bei: Die Nachricht vom Tod ihres Sohnes erreicht die Mutter, »kein Grund zur Aufregung«, steht im Telegramm aus Vietnam, und Jimmy Cliff fordert singend: »What I’m saying, somebody please stop that war now« (etwa: Was ich sage ist: Jemand muss jetzt bitte den Krieg beenden.)

Derweil erreichte mit Desmond Dekkers »Israelites« eine Anklage der sozialen Verhältnisse die Charts und wurde als erste Reggaeplatte millionenfach verkauft. »Israelites« – das Wort steht in der jamaikanischen Umgangssprache für Leiden, Armut, Hunger. Musikalisch flott verführt der Song zur Bewegung, zum Mitzucken im sonderbaren, auf Takt drei verschobenen Rhythmus, mit dem Afterbeat von Gitarre und Keyboard auf zwei und vier. Leicht, locker und fließend. Und doch vermittelt er: Es ist uns ernst, und wir tanzen trotzdem – das war so neu wie die karibische Spielart des Rock. »Reggae«, meinte Cliff, »ist eine reine Musik. Sie entstand aus der ärmeren Bevölkerung. Sie entstand aus dem Bedürfnis nach Anerkennung, Identität und Respekt.«

Ja, ihr könnt es schaffen, wenn ihr nur wollt. »You Can Get It If You Really Want« ist einer der Evergreens aus dem Soundtrack des ersten Reggaespielfilms »The Harder They Come« von 1972. Der Film spielt in Jamaikas Hauptstadt Kingston, fernab jeglicher Touristenromantik auf der rauen Schattenseite, erzählt vom Aufstieg eines Musikers, dessen Abzocke durch Geschäftemacher und endet mit dem Tod des sich wehrenden Hauptdarstellers Ivan, gespielt von Jimmy Cliff, im Kugelhagel der Polizei. Und der Soundtrack donnert aus den Boxen und beschwört drohend den Niedergang von Korruption und Bereicherung auf Kosten anderer. Je härter sie’s treiben / Desto härter fallen sie.

»Many Rivers to Cross« verarbeitet Erfahrungen mit Rassismus, nahe an den Grundlagen der schwarzen Musik, an Gospel und Blues. Cliff begibt sich dann nach Afrika, auf der Suche nach seinen Wurzeln und denen seines gerade angenommenen islamischen Glaubens. Später tourt er jahrelang durch die Welt – am Rande bemerkt: Er begeisterte auch die Dortmunder Westfalenhalle beim »Festival der Jugend« von SDAJ und MSB Spartakus Mitte der achtziger Jahre.

Mehr als 30 Alben veröffentlichte Jimmy Cliff, seine Interpretation des Songs »I Can See Clearly Now« machte 1994 noch einmal Furore, der Reggae war längst aus der Musik nicht mehr wegzudenken. Auch der Konsum von Marihuana ist inzwischen, wie von Peter Tosh einst verlangt, nicht mehr strikt illegal, die Rastafaris träumen immer noch von Afrika, Cliff wurde 2010 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. »Weder Sklave noch Marionette« wollte er sein, sang er 1972. Sein Lebensmotto.

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