Kanonenfutter für den Warlord
Von Luca Schäfer
Es wäre ein weiterer gewichtiger Beweis dafür, dass der Machtkampf im Sudan von außen angeheizt wird: Vorläufigen Berichten zufolge sind in Somalia bei einem gezielten Hackerangriff auf das E-Visa-Netz neben Zehntausenden Daten – darunter Namen, Fotos, Geburtsdaten und -orte, E-Mail-Adressen und andere persönliche Angaben – auch jene von rund 1.600 Kolumbianern offengelegt worden. Wahrscheinlich ist, dass sie als Söldner auf seiten der »Schnellen Eingreiftruppen« (RSF) des Warlords Mohammed Hamdan Daglo gekämpft haben und kämpfen. Dabei sind nur die Einreisen seit dem 1. September enthalten, als die E-Visa-Plattform gestartet wurde. Parallel dazu haben die RSF ihre Angriffe in der Region Darfur verstärkt – bis zur Einnahme der Hauptstadt Norddarfurs, Al-Fascher, am 26. Oktober, bei der zahlreiche Greueltaten verübt wurden. Bislang gibt es aus Mogadischu keine offiziellen Äußerungen dazu, von der US-Botschaft in der somalischen Hauptstadt kam am Donnerstag jedoch der Aufruf an US-Reisende, »wachsam« zu sein.
Die Berichte zu kolumbianischen Söldnern im Sudan sind nicht neu: Exemplarisch steht dafür ein Flugzeugabschuss im Sommer. Am 7. August meldete die gegen die RSF kämpfende sudanesische Armee, dass sie bei einem Luftangriff auf den Flughafen von Njala, der Hauptstadt Süddarfurs, ein Flugzeug der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Waffen und Ausrüstung zerstört sowie 40 kolumbianische Söldner getötet habe. Sudans Regierung beschuldigt Abu Dhabi seit Monaten, ihre Widersacher nicht nur finanziell, politisch oder diplomatisch zu unterstützen, sondern auch das zentrale logistische wie organisatorische Drehkreuz zum »Versand« kolumbianischer Söldner für die paramilitärischen RSF darzustellen.
Nach Recherchen des auf Kriegsverbrechen spezialisierten Investigativportals The Sentry wurden die »Desert Wolves« genannten Söldnereinheiten über ein professionell agierendes Netzwerk aus kolumbianisch-panamaisch-emiratischen Firmen rekrutiert. Dabei ging das Kriegskartell arbeitsteilig vor: Ankerpunkte sollen der emiratische Geschäftsmann Mohammed Hamdan Al-Sabi, Kopf der Global Security Services Group, und Ahmed Mohammed Al-Humeiri, Sekretär des Präsidentiellen Hofes der VAE, gewesen sein. Sabi soll dabei als Vermittler der Söldner gedient haben, Humeiri wiederum soll über die in Panama registrierte Offshorefirma Global Staffing S. A. Gehaltszahlungen und Finanzströme aus den Emiraten umgeleitet und verschleiert haben. Das kolumbianisch-niederländisch-emiratische Unternehmen A4SI soll vor Ort in Lateinamerika unter Führung des Exobersten der kolumbianischen Armee Álvaro Quijano und seiner Ehefrau Claudia Oliveros mindestens 300 perspektivlose, aber im Kampf gegen die frühere linke Guerilla FARC-EP erprobte Kolumbianer rekrutiert haben.
Neben Anwerbung und Beschaffung sind Transit- und Transportwege aufzuklären. Auch hier richtet sich der Blick auf ausländische Mächte hinter den RSF, vor allem die VAE. Berichten zufolge gab es häufige Bewegungen über Nordafrika oder, wie jüngste Visadaten untermauern, aus Somalia bzw. dem autonomen Teilstaat Puntland. Dank vereinzelter Flugdaten ist die emiratische Herkunft belegbar. Aber auch Libyen spielt eine Rolle: Seit Anfang Oktober sollen 56 militärische Frachtflüge von Bosaso in Puntland und den emiratischen Flughäfen Al-Ain und Al-Rif Waffen, Munition, Drohnen und Militärfahrzeuge nach Ostlibyen und von dort an die Grenze zum Sudan transportiert haben, berichtete Agenzia Nova Ende Oktober.
Die kolumbianische Herkunft rückt auch einen anderen Teil der Einflussnahme ins Blickfeld. Seit Jahrzehnten erhalten die kolumbianischen Streitkräfte eine unter dem Schlagwort des »Kampfes gegen die Drogen« verbrämte, US-unterstützte Basisausbildung. Schon 2021, als Söldner aus Kolumbien in die Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse verwickelt waren, hieß es bei Reuters: »Hochqualifizierte kolumbianische Soldaten, die nach ihrer Pensionierung ohne Beschäftigung sind, geraten häufig in Versuchung, ihr Handwerk vom Irak bis nach Jemen als private Militärdienstleister zu betreiben.« Sie werden als Kanonenfutter an die Brennpunkte geopolitisch-imperialistischer Großkonflikte gesandt: wie russische Gerichtsverfahren und Festnahmen belegen, nicht nur nach Sudan, sondern vor allem auch auf Kiews seiten in die Ukraine.
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