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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 7 / Ausland
Sudan

Emiratische Doppelmoral

Sudan-Krieg: Vereinigte Arabische Emirate verurteilen Verbrechen der von ihnen unterstützten RSF. Die Paramilitärs stimmen US-Vorschlag für Waffenruhe zu
Von Ina Sembdner
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Auch der hier unterstützte Al-Burhan hat viel Blut an seinen Händen: Protest gegen die RSF am Dienstag in Gedaref

Es ist bitterer Zynismus, der aus Abu Dhabi kommt: Am Mittwoch verurteilten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die »schrecklichen Verbrechen« gegen Zivilisten im Sudan und warnten, dass die Angriffe auf Wohngebiete und wichtige Infrastruktur eine »gefährliche Eskalation« und einen eklatanten Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellten. In der Erklärung des Außenministeriums der VAE hieß es weiter, dass die Angriffe, darunter die jüngsten Gewalttaten in der Stadt Al-Fascher, »ein Verbrechen gegen die Menschheit« darstellten, das »eine einheitliche und entschlossene internationale Haltung« erfordere.

Auch wenn letzte Beweise fehlen, dokumentierte schon ein UN-Expertengremium im vergangenen November »ein konsistentes Muster von Frachtflügen mit Iljuschin Il-76TD, die aus den Vereinigten Arabischen Emiraten« in den Tschad starteten – praktisch eine »neue regionale Luftbrücke«. Von dort aus identifizierten sie mindestens drei Überlandrouten in den Sudan, die möglicherweise für den Transport von Waffen genutzt wurden. Diese Erkenntnisse zur mutmaßlichen VAE-Unterstützung der paramilitärischen RSF aus dem im April dieses Jahres geleakten 14seitigen Bericht, der für das Sudan-Sanktionskomitee des UN-Sicherheitsrates erstellt worden war, fanden allerdings keinen Eingang in den finalen Abschlussbericht, wie der britische Guardian unter Berufung auf das ihm vorliegende Papier berichtete.

Schon am vergangenen Donnerstag hatte der emiratische Botschafter bei der UNO, Mohammed Abushahab, erklärt: »Wir dürfen auch nicht zulassen, dass diese Greueltaten übersehen werden. Die Täter dieser Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.« Seine eigene Regierung meinte er damit wohl nicht. Obwohl die Emirate auch ihre Goldimporte aus dem Sudan in diesem Jahr parallel zum Vormarsch der RSF in Darfur, wo wichtige Ausbeutungsstätten liegen, noch einmal deutlich gesteigert haben. Wie die Schweizer NGO Swissaid Mitte der Woche unter Berufung auf Daten der sudanesischen Zentralbank meldete, importierten die VAE in den ersten sechs Monaten etwa 90 Prozent der offiziellen Goldexporte. Swissinfo verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine Recherche des Portals The Sentry, das Unternehmen mit Sitz in Dubai in Verbindung mit der Geldwäsche von illegalem sudanesischem Gold für RSF-Finanziers gebracht hat.

Davon will man in Abu Dhabi natürlich nichts hören. Um so erstaunter berichtete der Guardian am Dienstag davon, dass »die diplomatische Maschinerie der Vereinigten Arabischen Emirate erstmals Fehler in ihrer Sudan-Politik eingeräumt hat«. So erklärte der ehemalige emiratische Minister Anwar Gargasch am Sonntag in Bahrain, dass die VAE und andere Länder einen Fehler begangen hätten, als sie 2021 keine Sanktionen verhängten in Reaktion auf den gemeinsamen Putsch von Generalstabschef Abdel Fatah Al-Burhan und RSF-Chef Mohammed Hamdan Daglo gegen die zivile Übergangsregierung. Der Militärputsch ebnete den Weg für den seit April 2023 andauernden Machtkampf zwischen Al-Burhan und Daglo, der seither Zehntausende getötet, Millionen Menschen ver- und in die Hungersnot getrieben hat.

Derweil werden vor allem mit Hilfe von Satellitenaufnahmen die Ausmaße der jüngsten Massaker in der norddarfurischen Hauptstadt Al-Fascher immer deutlicher. Die vom Humanitarian Research Lab der US-Universität Yale ausgewerteten Bilder zeigen demnach, wie an zwei Orten in der Stadt Massengräber ausgehoben und später wieder zugeschüttet werden. Einer der Orte liegt bei einer Moschee nördlich des saudischen Krankenhauses, wo Berichten zufolge etwa 460 Menschen getötet worden waren, und einmal bei einem ehemaligen Kinderkrankenhaus, das die RSF als Gefängnis genutzt hatte, so die Forscher laut US-Agentur AP. Die Zahl der Getöteten lasse sich »aufgrund der Größe des potentiellen Massengrabs« nicht angeben, »da diejenigen, die die Leichen beseitigen, diese oft übereinanderschichten«. Menschen, die es geschafft haben, in den nächstsicheren Ort Tawila zu fliehen, verglichen das Erlebte und die Ausmaße der Gewalt mit dem Genozid in Ruanda.

Die USA wiederum, deren zehntgrößter Kunde bei Auslandsverkäufen von Rüstungsgütern die VAE – noch unter Joe Biden im vergangenen Jahr zum »wichtigen Verteidigungspartner« erhoben – sind, haben ihren Verbündeten offenbar zurückgepfiffen. Am Donnerstag nachmittag meldeten die Agenturen, dass die RSF einem US-Vorschlag für eine Waffenruhe zugestimmt haben. Im Mediatorenteam der sogenannten Quad: Die Vereinigten Arabischen Emirate.

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