Tauziehen um »Drahtzieher«
Von Nico Popp
Es gibt einen neuen Zwischenstand im Hin und Her um die Auslieferung des im Urlaub an der Adria festgenommenen Ukrainers, den die Bundesanwaltschaft für den Drahtzieher der Anschläge auf die beiden Nord-Stream-Pipelines im September 2022 hält. Am Montag hat ein Gericht in Bologna entschieden, dass Serhij K. an die deutschen Behörden überstellt werden kann.
Italien scheint die deutschen Strafverfolgungsbehörden also nicht so demonstrativ auflaufen lassen zu wollen wie Polen, wo die kürzliche Entscheidung zur Nichtauslieferung eines dort festgenommenen Verdächtigen bis hinauf zum Ministerpräsidenten mit provozierenden Erklärungen verbunden war, die man kaum anders denn als offene Billigung der Anschläge durch amtliche Stellen interpretieren kann.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem 49jährigen K., der derzeit in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt, gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und »verfassungsfeindliche Sabotage« vor. Nach Ansicht der deutschen Behörden hat ein siebenköpfiges Team von einer Segelyacht aus die Anschläge durchgeführt. Alle Mitglieder dieses Teams seien inzwischen namentlich bekannt, hieß es zuletzt. Sie seien 2022 mit echten ukrainischen Dokumenten, aber unter falscher Identität unterwegs gewesen.
Nicht jeder Beobachter hält die »ukrainische Spur« für tatsächlich zielführend. Tauchexperten haben bezweifelt, dass man von einer kleinen Yacht aus die schweren Sprengladungen in 90 Metern Tiefe bei schwerer See anbringen konnte. Dafür sei tonnenschwere Ausrüstung nötig. Es gibt auch die Ansicht, die Spur diene dazu, von den eigentlichen Verantwortlichen abzulenken. Der Investigativjournalist Seymour Hersh hatte bereits 2023 mit Verweis auf eigene Quellen die Ansicht vertreten, dass US-Marinetaucher die Sprengsätze angebracht haben.
K.s Anwalt bemängelt hingegen »schwerwiegende Verfahrensverstöße«. Er will die »völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Fragen des Falles« gerichtlich prüfen lassen. Er kündigte an, erneut das oberste Gericht in Rom anzurufen, das die Auslieferung schon einmal gestoppt hat.
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