Milei mit Rückenwind
Von Frederic Schnatterer, Buenos Aires
Es ist ein Sieg auf ganzer Linie. Die argentinische Regierung hatte die Zwischenwahlen zum Parlament am Sonntag (Ortszeit) zu einem Referendum über ihr marktradikales und autoritäres Projekt erklärt – und das Ergebnis spricht für sich. Landesweit erhielten die Kandidaten der Regierungsliste La Libertad Avanza (LLA) mehr als 40 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auf dem zweiten Platz landete abgeschlagen mit unter 35 Prozent der oppositionelle Peronismus, der in mehreren Provinzen unter abweichenden Namen angetreten war.
Auf der Wahlparty von LLA in der Hauptstadt Buenos Aires feierte Präsident Javier Milei, der den Wahlkampf zur Chefsache gemacht hatte, am Abend das Ergebnis. Zudem dankte er »allen Argentiniern, die die Ideen der Freiheit weiterhin unterstützen, mit denen wir Argentinien wieder groß machen werden«. Der Tag markiere einen »Wendepunkt«. Ab dem 10. Dezember, an dem das neue Parlament zusammenkommt, konzentriere sich die Regierung darauf, »die Reformen zu realisieren, die Argentinien für seinen endgültigen Aufschwung braucht«.
Das Ziel, im künftigen Abgeordnetenhaus über ein Drittel der Parlamentarier zu verfügen, hat die Regierung erreicht. Damit kann sie die Präsidialvetos gegen die Opposition aufrechterhalten. Auch ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Milei kann die Fraktion so verhindern. Neu gewählt wurde die Hälfte der Abgeordneten, ebenso ein Drittel der Senatoren. Bei der Wahl 2023 hatte die damals noch recht neue Partei nur wenige Parlamentarier gewinnen können. Mittlerweile steht sie unangefochten an der Spitze des rechten Lagers, die Partei Pro von Expräsident Mauricio Macri kann sie als Juniorpartner einbinden.
Für den Peronismus ist das Ergebnis eine Katastrophe. Darüber konnte auch der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Axel Kicillof, nicht hinwegtäuschen, der am Sonntag abend auf der Wahlparty in La Plata versuchte, die Niederlage kleinzureden. So erklärte er, sechs von zehn Argentiniern seien nicht zufrieden mit der Regierung – ein Verweis auf die niedrige Wahlbeteiligung. Nur rund 68 Prozent der Berechtigten machten von ihrem Stimmrecht Gebrauch – und das, obwohl in Argentinien Wahlpflicht herrscht. Noch nie seit dem Ende der Militärdiktatur 1983 war die Beteiligung derart gering.
Die oppositionellen Peronisten waren in vielen Provinzen unter dem Label »Fuerza Patria« (FP) angetreten. Im Wahlkampf hatte FP sich als einzige Kraft inszeniert, die in der Lage sei, Mileis Kürzungskurs sowie den Ausverkauf der Reichtümer des Landes zu stoppen. Nach der deutlichen Einmischung der US-Regierung unter Donald Trump in den Wahlkampf und den milliardenschweren Hilfspaketen für Milei erklärte FP die Abstimmung zu einer zwischen dem Ausverkauf des Landes an die Vereinigten Staaten auf der einen und dem »Wohl des Vaterlands« auf der anderen Seite.
Genutzt hat es wenig. Besonders schmerzhaft ist die Niederlage in der traditionellen Hochburg Buenos Aires, der wirtschaftsstärksten Provinz des Landes. Noch Anfang September hatte FP hier einen deutlichen Sieg einfahren können, damals lag der Abstand zu Mileis LLA bei fast 14 Prozentpunkten. Insgesamt gewann die Regierungsliste 15 der 23 Provinzen des Landes, ebenso wie im Hauptstadtdistrikt. Die LLA war als einzige Kraft im ganzen Land unter dem gleichen Namen angetreten.
Eine eigene Mehrheit wird die Regierung im neuen Parlament trotz des Wahlsiegs nicht haben. Am Sonntag abend gab sich Milei verhandlungsbereit. Eine wichtige Rolle für die Beschaffung von Mehrheitsverhältnissen dürfte »Provincia Unidas« zukommen, die der Präsident als »rationale Akteure« und »prokapitalistisch« bezeichnete. Das Bündnis mehrerer Gouverneure inszeniert sich als »dritter Weg«. Am Sonntag blieb es deutlich hinter seinen Erwartungen zurück und kam gerade einmal auf rund acht Prozent der Stimmen.
Ein Achtungserfolg gelang dem Linksbündnis »Front der Linken und der Arbeiter« (Frente de Izquierda y de Trabajadores – Unidad, FIT-U), das sich in einem extrem polarisierten Wahlkampf behaupten konnte. Von den vier zur Disposition stehenden Mandaten konnte das Bündnis trotzkistischer Parteien drei verteidigen. Im Hauptstadtdistrikt sowie in der Provinz Buenos Aires kam es auf den dritten Platz.
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