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Aus: Ausgabe vom 24.10.2025, Seite 2 / Inland
Konferenz »Mut zur Wahrheit«

»Viele sind unzufrieden, wie berichtet wird«

Berlin: Konferenz am 8. November soll Rolle des Journalismus und Repression gegen kritische Presse diskutieren. Ein Gespräch mit Mina Teske
Interview: Marc Bebenroth
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Aus den besetzten Gebieten hält Israels Staatsmacht internationale Journalisten fern. Palästinensische werden getötet. Trauerzug für den Al-Dschasira-Korrespondenten Anas Al-Sharif (Gaza-Stadt, 11.8.2025)

Bürgerliche Berichterstattung zur Aufrüstung in der BRD kritisiert vor allem, dass diese nicht schnell genug vorangeht. Warum haben Sie sich dagegen entschieden, für viel Geld die Regierungslinie mitzutragen?

Weil in der Mainstreamberichterstattung immer fehlt, wer hier für wen in den Krieg ziehen soll, und weil die vielen vor allem jungen Menschen völlig aus dem Blick geraten, die nicht für diesen Staat in den Krieg ziehen wollen. Das Regierungsvorhaben, »Kriegstüchtigkeit« herzustellen, verkennt, wer im Schützengraben sein Leben lässt: die ganz normalen Leute.

Vermutlich war dies auch eine Motivation, zu Beginn des Jahres die linke Onlinezeitung Gegenwind zu gründen. Für den 8. November planen Sie eine Konferenz in Berlin zur Frage, welche Rolle »der Journalismus« in gesellschaftlichen Kämpfen einnimmt. Um welchen Journalismus geht es Ihnen?

Prinzipiell verstehen wir ihn nicht als rein neutrale, dokumentarische Praxis, sondern immer auch als politisches Handeln innerhalb der Auseinandersetzungen darum, was überhaupt als Wahrheit gilt. Es soll darum gehen, wem Deutungshoheit zugesprochen wird, und darum, dass in dem Sinne Journalismus auch Widerstand bedeuten kann. Die Panels sollen einen Raum für Analyse, Austausch und auch Solidarität schaffen. Eine Frage ist, wie diese Solidarität konkret aussehen und journalistisches Arbeiten abhängig von unterschiedlichen regionalen Kontexten überhaupt noch funktionieren kann.

Was sagen Sie denen, die sich im Dienste einer objektiven Berichterstattung wähnen?

Nur weil man zwei Seiten eines Konflikts als vermeintlich gleichwertig abbildet, ist das noch lange nicht objektiv. Ganz viele Menschen in Deutschland sind unzufrieden damit, wie über die aktuellen Kriege und auch gesellschaftlichen Fragen berichtet wird. So ist das vermeintlich Objektive an der Berichterstattung über den Genozid in Gaza, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sowie die großen Tageszeitungen bloß Pressemitteilungen des israelischen Militärs übernehmen.

Auch unsere Zeitung soll auf einem Panel vertreten sein. Der Inlandsgeheimdienst verfolgt das Ziel, junge Welt nicht als journalistisches Medium gelten zu lassen, sondern als politischen Zusammenschluss abzustempeln. Tun Sie dem Staat nicht einen Gefallen, wenn Sie sich als linkes Medium auf die Fahne schreiben, auch politisch eingreifen zu wollen?

Es ist am Ende einfach nur ehrlich. Alle anderen Medien arbeiten auch im Sinne politischer Interessensgruppen. Nur wird das eben nicht transparent gemacht. Dass eine Zeitung von einem Inlandsgeheimdienst beobachtet wird, passt nicht in das offizielle Narrativ von der in Deutschland so wichtigen Pressefreiheit. Diese kommt einem in vollem Maße nur zugute, solange man nicht grundsätzlich in Frage stellt, wer zum Beispiel für wen in den Krieg ziehen soll. Das aktuelle gesellschaftliche Klima wird schließlich von der herrschenden Klasse hergestellt.

Am 8. November soll es auch um »Haft, Folter, Zensur« in der Türkei unter Präsident Erdoğan sowie um die Berichterstattung aus dem Gazastreifen gehen. Weshalb haben Sie sich für diese Schwerpunkte entschieden?

Zum einen, weil insbesondere die Berichterstattung aus Gaza immer schwieriger wird, da Israels Militär dort immer mehr Journalistinnen und Journalisten tötet. Außerdem sehen wir hierzulande, wie hart die Polizei gegen palästinasolidarische Demonstrierende vorgeht. Diese Gewalt trifft auch Journalisten, die über diese Proteste berichten. Und schließlich ist die BRD an dem Genozid in Gaza beteiligt. Kurdische Journalisten und Journalistinnen stehen derweil im Fadenkreuz des türkischen Staates. Dort sehen wir, wie die Pressefreiheit weiter beschränkt wird – nicht nur mit Inhaftierungen, sondern auch durch Hausarrest oder Aussperrungen.

Was möchten Sie den Journalisten, die über die Konferenz berichten, auf den Weg geben?

Wir hoffen, allen Interessierten eine neue Perspektive eröffnen zu können, aus der diese herrschenden Erzählungen gebrochen werden können, und einen Raum für Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

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