Medien der Mächtigen
Von Yaro Allisat
Der Videojournalist Tilo Jung brachte jüngst im Gespräch mit »Monitor« den hehren Anspruch auf den Punkt: »Journalisten dienen nicht der Politik, der Wirtschaft oder Interessengruppen, sondern der Allgemeinheit.« Aber das tue die mediale Berichterstattung aktuell nicht, wie man am Beispiel von Nahostkonflikt oder Klimakatastrophe sehe. Jetzt, wo sich auch die deutsche Regierung zu minimaler Kritik an Israel hinreißen lässt, beobachtet man zwar auch einen leichten Wandel in der Repräsentation palästinensischer Stimmen in den deutschen Mainstreammedien. Dennoch liege der deutsche Qualitätsjournalismus, so Jung, drei Meter unter dem Boden. Die Medienwissenschaftlerin Nadia Zaboura entgegnete in ebenjenem »Studio M«-Gespräch, dass die Qualität der Berichterstattung zunehmend von den einzelnen Journalisten abhängig sei. Der Talk »Gaza und die Medien: Versagt der Journalismus?« mit Moderator Georg Restle ist in der ARD-Mediathek nachzuhören.
Wie eine Umfrage des NDR-Magazins »Zapp« bereits im vergangenen August zeigte, hat fast die Hälfte der Deutschen kein Vertrauen in die Berichterstattung zum Genozid in Gaza. Ein Drittel der Menschen bescheinigt dem deutschen Journalismus, zu sehr Partei für Israel zu nehmen. Exemplarisch zeigte die Studie, dass palästinensische Perspektiven deutlich unterrepräsentiert sind. Auch der Medienforscher Kai Hafez, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten unter anderem mit der Berichterstattung über den Nahen Osten hierzulande auseinandersetzt, analysierte, dass deutsche im Vergleich zu ausländischen Medien deutlich weniger Bilder palästinensischer Opfer zeigen. Weiterhin wird israelische Kriegspropaganda oft ungefiltert in den deutschen Medien übernommen. Die Berichterstattung der BRD mache »Wellen« in ihrer (Un)Kritik an Israel, und orientiere sich stark an den ökonomischen und politischen Interessen der deutschen Regierung. Auch Jung stellt fest, dass die Angst vieler Journalisten vor Sanktionen durch den Regierungsapparat zu Berichterstattung führt, die sich an den herrschenden Meinungen orientiert.
Diese Phänomene lassen sich nicht nur in bezug auf den Genozid in Gaza beobachten. Der Wissenschaftler Ladislaus Ludescher hat in seiner Untersuchung »Vergessene Welten und blinde Flecken« von 2023 gezeigt, dass Ländern des globalen Südens nur sechs bis zwölf Prozent der »Tagesschau«-Berichterstattung gewidmet sind. Berichtet werde erst, wenn es zu Konflikten komme, in die der globale Norden auf die eine oder andere Art involviert sei, analysiert Ludescher. So fehlt, wie Ludescher am Beispiel des Bürgerkriegs im Jemen aufzeigt und sich aktuell an der Berichterstattung zum Iran beobachten lässt, den Zuhörenden, -sehenden und Lesenden der Kontext, die Konflikte zu verstehen.
Gründe lassen sich viele finden: die grassierende Unterfinanzierung von Zeitungen und Nachrichtensendungen, die stark sinkende Zahl von Korrespondenten, die Kurzlebigkeit von Tageszeitungen und die Dominanz konservativer Meinungen in den Redaktionen. Medienwissenschaftler Hafez führt als Alternative das Konzept des sogenannten Friedensjournalismus an. Dieser Ansatz will Konflikte differenziert und deeskalierend darstellen, statt sie zu dramatisieren oder zu vereinfachen. Er vermeidet einseitige Schuldzuweisungen und gibt allen Konfliktparteien eine Stimme, um strukturelle Ursachen sichtbar zu machen. Statt auf Gewalt und spektakuläre Ereignisse zu fokussieren, rückt er Lösungen, Dialoge und gewaltfreie Akteure in den Vordergrund. Anstatt also den Regierenden der Konfliktparteien eine Bühne zu geben, sollten Zivilisten, Arbeiter und NGOs von allen Seiten eine Stimme bekommen. Dieser Ansatz könnte die Lesenden, Zuhörenden und -sehenden befähigen, komplexe Konflikte besser zu verstehen.
Hier lohnt sich ein Blick auf den US-Präsidenten: Dass ausgerechnet ein Akteur wie Trump die Absurditäten internationaler Machtpolitik für viele Rezipienten offenlegt, wenn er Gipfel vor dem Ende verlässt, ausländische Politiker auflaufen lässt und jeden Tag etwas anderes von sich gibt, zeigt vor allem das Versagen eines maroden Mediensystems, das sich mit den hegemonialen Meinungen begnügt. Handwerklich guter Journalismus darf nicht angeblich neutral den Reichen eine Bühne geben, sondern sollte sich auf seiten der Bevölkerung verorten und deren Perspektive einnehmen.
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