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Aus: Ausgabe vom 24.10.2025, Seite 8 / Inland
»Vom Krefelder zum Berliner Appell«

»Die Situation heute ist vielleicht noch bedrohlicher«

NRW: Ein Krefelder Bündnis will am Sonnabend an die Tradition von Friedenskonzerten anknüpfen. Ein Gespräch mit Peter Lommes
Interview: Henning von Stoltzenberg
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»Frieden für uns alle«: Aktion während der Friedenswoche gegen den NATO-Doppelbeschluss auf dem Fehrbelliner Platz in Westberlin (19.10.1983)

Die Friedensbewegung besteht aus vielen einzelnen Vereinen, Initiativen und Bündnissen. Warum haben Sie sich entschieden, das Bündnis »Vom Krefelder zum Berliner Appell« zu gründen?

Wir machen seit gut eineinhalb Jahren jeden Freitag von elf bis 13 Uhr eine Friedensmahnwache vor dem Büro der Krefelder Grünen in unmittelbarer Nähe zum Museum und zum Wochenmarkt. Dabei sammeln wir Unterschriften für den Berliner Appell (vom 3. Oktober 2024, jW). Zu Beginn des Jahres kam das Gespräch mal wieder auf den Krefelder Appell und die Konzerte »Künstler für den Frieden«. Wir haben uns gefragt, warum es so etwas heute nicht mehr gibt und warum wir es nicht an dem historischen Ort des Krefelder Seidenweberhauses einfach selbst versuchen.

Der Krefelder Appell wurde 1980 verabschiedet. Welche Tragweite hatte er?

Als zum damaligen Zeitpunkt die USA neuartige Mittelstreckenraketen, »Pershing II« und Cruise-Missiles, in der BRD stationieren wollten, kamen im Krefelder Seidenweberhaus Friedensfreundinnen und -freunde zusammen, um den Krefelder Appell zu verabschieden, der sich genau gegen diese Stationierung aussprach. Zu Beginn war es mühsam, Unterschriften zu sammeln, aber die Bewegung wurde immer breiter. Die Bonner Großdemonstrationen 1981, 1982 und 1983 waren Ausdruck davon. Am Ende hatten etwa vier Millionen Menschen den Krefelder Appell unterschrieben.

Wo sehen Sie Parallelen zur heutigen Situation?

Die ist ähnlich bedrohlich, wenn nicht sogar noch bedrohlicher. Wieder sollen atomar bestückbare Mittelstreckenraketen in der BRD stationiert werden und das an sämtlichen demokratischen Entscheidungsträgern vorbei. Die neuen Mittelstreckenraketen, »Tomahawk« und »Dark Eagle«, sind keine Defensivwaffen, sondern Enthauptungswaffen gegen Russland und erhöhen die Kriegsgefahr ungemein.

Leider ist es den Kriegstreibern gelungen, Spaltpilze in die Friedensbewegung zu säen. Diese müssen wir wegbekommen und dazu brauchen wir einen langen Atem. Und dabei spielt Kultur heute eine viel zu geringe Rolle. Wir alle müssen verstehen, dass die Herrschenden es ernst meinen mit ihrer Forderung nach »Kriegstüchtigkeit«. Sie bereiten einen neuen großen Krieg vor. Um dieses Verständnis zu befördern, brauchen wir Herz und Verstand – eben Kultur und Wissenschaft.

Darauf machen Sie mit einer Veranstaltung am Sonnabend im Seidenweberhaus mit dem Titel »Kunst und Wissenschaft für den Frieden« aufmerksam. Was ist geplant?

Es ist uns gelungen, namhafte Künstler und Wissenschaftler zusammenzubekommen. Einige mussten aus Termingründen absagen, aber überall sind wir auf offene Ohren gestoßen. Nirgendwo gab es Ablehnung aus politischen Gründen. So haben wir ein dreistündiges und, wie wir hoffen, kurzweiliges sowie informatives Programm zusammenstellen können, das Kunst und Wissenschaft mit dem Friedenskampf zusammen führt. Eine Veranstaltung für den Frieden, welche die Aufgabe hat, über alles Trennende hinweg wieder eine gemeinsame Front gegen Kriegshetze und -vorbereitung zu schaffen.

Welche weiteren Aktivitäten hat sich Ihr Bündnis vorgenommen?

Erst einmal wollen wir diese Veranstaltung erfolgreich über die Bühne bringen. Eine der Intentionen war von Beginn an, anderen Städten ein Beispiel zu geben, sich an solche Vorhaben heranzutrauen. Und wir denken durchaus darüber nach, weitere Kulturveranstaltungen für den Frieden in Krefeld durchzuführen. Vielleicht nicht wieder im Seidenweberhaus, da das als Veranstaltungsort heute im Grunde viel zu teuer ist. Aber den historischen Ort haben wir für wichtig gehalten, zumindest zum 45. Jahrestag des Krefelder Appells. Schließlich lohnt es sich, auch gegen politische Widerstände – und die gibt es hier vor Ort –, Herz und Hirn für den Frieden in Bewegung zu setzen. Denn das ist die einzige Möglichkeit, um »zukunftsfähig« zu bleiben.

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