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Aus: Ausgabe vom 16.09.2025, Seite 7 / Ausland
Völkermord in Gaza

»Schande unserer Zeit«

Israelische Angriffe töten 37 Menschen in Gaza. Weitere Hungertote. UN-Experten sprechen in Genf
Von Jakob Reimann
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Szenen eines israelischen Luftangriffs am Montag in Gaza-Stadt

Das Gemetzel geht unaufhörlich weiter: Bei Angriffen auf zivile Ziele in Gaza-Stadt hat Israel am Montag morgen zwei sechsjährige Zwillinge getötet. Bei Luftschlägen auf Wohnhäuser in der Hauptstadt wurden mindestens zehn Menschen getötet, darunter mehrere Kinder, sagten Mediziner gegenüber der Agentur Anadolu. Bei Angriffen auf ein Zelt für vertriebene Zivilisten haben israelische Truppen mindestens sechs Menschen getötet, darunter drei Kinder, außerdem fünf weitere Menschen durch Artilleriebeschuss. Auch das zur »sicheren Zone« erklärte Gebiet um Al-Mawasi bei Khan Junis im Süden Gazas wurde unter Beschuss genommen. Mehrere Menschen wurden dabei ermordet, darunter ein Ehepaar und eine Frau mit Behinderung. In der Nacht zum Montag wurde die Hauptstadt mit schwerer Artillerie angegriffen.

Die Gesamtzahl der Todesopfer durch militärische Angriffe lag am frühen Montag nachmittag bei 37. Bereits am Wochenende sind weit über einhundert Menschen in Gaza durch israelische Soldaten ums Leben gekommen. Sieben Babys starben zudem an Hunger. Die Gesamtzahl der verhungerten Palästinenser steigt damit auf mindestens 422, darunter 145 Kinder.

Auch wenn sich Hunderttausende Menschen den willkürlichen »Evakuierungsaufforderungen« der israelischen Besatzungsarmee verweigern, gehen infolge der Großoffensive auf Gaza-Stadt im Norden auch die massenhaften Vertreibungen in Richtung Al-Mawasi im Süden weiter. Unter Androhung von Luftangriffen treibe Israel Palästinenser gewaltsam in die dortigen überfüllten »Konzentrationslager«, zitierte Al-Dschasira das Gesundheitsministerium in Gaza. In Al-Mawasi fehle es an den »grundlegendsten lebensnotwendigen Mitteln, einschließlich Wasser, Nahrung und Gesundheitsversorgung«, heißt es in der Stellungnahme weiter. Die »zwangsweise Vertriebenen« befänden sich sowohl innerhalb der Lager als auch beim Versuch, diese zu verlassen, in Lebensgefahr durch direkte Tötungen. Als die Netanjahu-Regierung Anfang Juli ihr Konzept der »humanitären Stadt« vorstellte, sprach auch der ehemalige Ministerpräsident des Landes, Ehud Olmert, bereits davon, dies käme einem »Konzentrationslager« gleich.

Seit 710 Tagen erleiden die Palästinenser den »absoluten Horror«, erklärte Francesca Albanese derweil auf einer Pressekonferenz mit mehreren UN-Experten am Montag nachmittag in Genf. Die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete prangerte auch die »Komplizenschaft« der israelischen Verbündeten an, die sich durch ihr »Schweigen« sowie die »Bereitstellung von Geld, Waffen und politischer Rückendeckung« mitschuldig machten. »Das einzig Legale, was Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten tun kann, ist, sie zu verlassen – die Siedlungen aufzulösen, die Truppen zurückzuziehen und aufzuhören, die palästinensischen Ressourcen auszubeuten«, so die Völkerrechtlerin. Der Völkermord sei »die Schande unserer Zeit«.

Der laufende Völkermord in Gaza sei zugleich der »tödlichste Konflikt für Journalisten aller Zeiten«, erklärte hingegen Irene Khan, UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit. Insgesamt seien 252 Medienschaffende getötet worden – mehr als alle getöteten Journalisten in beiden Weltkriegen und den Kriegen in Vietnam, Jugoslawien und Afghanistan zusammengerechnet. Israel habe die Kollegen oft »gezielt ausgesucht und getötet, weil sie durch ihre Arbeit die Greueltaten, die Verbrechen, den Völkermord vor Ort aufdecken«. Israel verfolge dabei die Strategie, die Medienschaffenden zunächst durch »Schmierkampagnen« als Terrorunterstützer oder Terroristen »zu delegitimieren und zu diskreditieren«. Daraufhin werden sie getötet. Am Montag wurden zwei weitere Journalisten von Israel gezielt ausgeschaltet.

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