Gegründet 1947 Sa. / So., 25. / 26. Oktober 2025, Nr. 248
Die junge Welt wird von 3054 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 11.09.2025, Seite 7 / Ausland
Angriff auf Doha

»Schurkenstaat« jubelt

Israels Führung feiert sich für Angriff auf Hamas-Delegation in Doha. Die erklärt Aggression für gescheitert – Verhandlungsführer lebt. Weltweite Verurteilungen
Von Max Grigutsch
7.JPG
Ein von israelischen Bomben zerstörtes Gebäude in der katarischen Hauptstadt Doha am Dienstag

Erneut stellt Israel seine Fähigkeit zur Schau, jeglichen Friedensprozess im Keim zu ersticken. Am Dienstag hat die israelische Armee Doha bombardiert. Die Luftangriffe galten einer Delegation der Hamas, die zu Gesprächen über den US-Friedensplan in der katarischen Hauptstadt war. »Israels langer Arm wird überall gegen seine Feinde vorgehen«, erklärte Verteidigungsminister Israel Katz am Mittwoch im Onlinedienst X. Dass das auch für ein Land gilt, das eng mit Israels Schutzmacht und Kriegspartner USA verbündet und Vermittler im Gazakrieg ist, stört den Likud-Politiker nicht. »Es gibt keinen Ort, an dem sie sich verstecken können«, bekräftigte er. US-Präsident Donald Trump betonte indessen, nicht für die Attacke verantwortlich zu sein, nannte die »Beseitigung der Hamas« jedoch ein »erstrebenswertes Ziel«. Allerdings hatte es für den Angriff grünes Licht aus Washington gegeben, wie ein US-Offizieller gegenüber der Jerusalem Post bestätigte.

Israelische Kampfpiloten und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet hätten mit der Bombardierung »die ganze Welt beeindruckt«, war sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sicher. Der laut dem Regierungschef »optimale und präzise« Angriff tötete sechs Menschen – darunter den Sohn des Hauptverhandlers Khalil Al-Hajja, nicht aber den ranghohen Hamas-Anführer selbst, wie die palästinensische Organisation mitteilte. Kein Mitglied des Verhandlungsteams sei ermordet worden, die Aggression sei »gescheitert«. »Wenn wir sie dieses Mal nicht bekommen haben, werden wir sie das nächste Mal bekommen«, erwiderte der israelische US-Botschafter Yechiel Leiter im US-Sender Fox News.

Nach Angaben Dohas ist ein katarischer Sicherheitsmann unter den Toten. Das Emirat wandte sich am Mittwoch in einem Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres und die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats. Dieser wollte am Mittwoch abend tagen, wie zuvor bekannt geworden war. Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abd Al-Rahman Al Thani hatte den Schlag am Dienstag abend vor Journalisten als »staatlichen Terrorismus« und Israel als »Schurkenstaat« verurteilt, der die Souveränität anderer Länder verletze. Der Regierungschef sprach von einem »entscheidenden Moment« und forderte eine »Antwort aus der gesamten Region«. Er kündigte allerdings an, dass das Golfemirat weiterhin zwischen Israel und der Hamas vermitteln wolle. Nach Informationen der Times of Israel habe das Land die USA aber darüber unterrichtet, die Vermittlungen temporär auszusetzen.

Al Thani sagte außerdem, die US-Regierung habe Katar erst zehn Minuten nach dem Luftangriff kontaktiert. Dabei hätten die USA behauptet, erst kurz zuvor über die Attacke informiert worden zu sein. Trump zeigte sich unterdessen »nicht begeistert«: »Diese Entscheidung wurde von Ministerpräsident Netanjahu getroffen, nicht von mir«, so der Milliardär auf seiner Internetplattform Truth Social. Die einseitige Bombardierung Katars bringe »weder Israel noch Amerika ihren Zielen näher«. Israel wies das zurück. »Wir handeln nicht immer im Interesse der Vereinigten Staaten«, betonte dessen UN-Botschafter Danny Danon am Mittwoch.

Die Zahl der internationalen Kritiker ist Legion. Verurteilungen kamen aus Jordanien, Saudi-Arabien, Ägypten, Irak, Oman und Kuwait, aus der Afrikanischen Union, aus Russland, China und weiteren Staaten. Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete die Operation als »inakzeptabel«; er habe noch am Dienstag mit dem katarischen Emir telefoniert. Die Bundesregierung stehe aber »auch in engem Kontakt mit der israelischen Regierung«.

»Inakzeptabel« nannte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch auch die Lage im Gazastreifen. Dort arbeitet Israels Armee seit anderthalb Wochen an der vollständigen Zerstörung von Gaza-Stadt und der Vertreibung aller Einwohner. Immerhin: Von der Leyen kündigte an, die »bilaterale Unterstützung für Israel« auszusetzen. Indes werden Friedensbemühungen nicht nur in Katar im Keim erstickt. Nachdem die humanitäre »Global Sumud Flotilla« mit Ziel Gaza bereits in der Nacht zum Dienstag in tunesischen Gewässern attackiert worden war, meldeten die Aktivisten in der Folgenacht einen weiteren Schlag. Die Organisatoren gehen von einem Drohnenangriff aus.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (11. September 2025 um 11:18 Uhr)
    Die Bombardierung Katars bringt weder Israel noch die USA ihren Zielen näher – im Gegenteil: Sie offenbart die Kurzsichtigkeit einer Politik, die nur auf Gewalt setzt. Was will Israel eigentlich erreichen? Ein kleines Land von sieben Millionen Menschen, umgeben von Hunderten Millionen in islamischen Staaten, kann durch permanente Aggression keine Zukunft gewinnen. Mit jedem brutalen Schlag macht sich Israel weltweit isolierter, sät neuen Hass und verlängert den Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt. Seit seiner Gründung lebt Israel fast ununterbrochen im Kriegszustand – und das ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein moralisches Versagen. Die Kriegskosten steigen ins Unermessliche, während Chancen auf Frieden bewusst zerstört werden. Es ist höchste Zeit, dass Israel begreift: Dauerhafte Sicherheit lässt sich nicht durch Bomben erzwingen, sondern nur durch Gerechtigkeit und einen echten Frieden.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (11. September 2025 um 14:06 Uhr)
      Lieber I.H., wie groß sind eigentlich die Chancen, dass jemand in der politischen Führung Israels den Inhalt Ihres Aufrufs begreift, geschweige denn ernst nimmt? So richtig Ihre Überlegungen sind, sie sind Ausdruck absoluter Hilflosigkeit, solange sie nur als Parole in die Welt gerufen werden. Politik ist etwas sehr Konkretes und sie ist nur konkret zu beeinflussen. Mit allgemeinen Wahrheiten kommt man da wirklich nicht weiter.

Ähnliche:

  • Frieden schließt man mit Feinden, nicht mit Freunden: Jimmy Cart...
    31.12.2024

    Präsident mit Vorausblick

    USA: Der verstorbene Jimmy Carter setzte auf Diplomatie und eine Friedenslösung für Nahost
  • Spricht eher gegen ein Abkommen: Israelischer Raketenangriff auf...
    20.08.2024

    Biden gibt nicht auf

    Nach Doha-Verhandlungen: US-Präsident schickt Außenminister nach Israel. Optimismus lediglich auf seiten Washingtons
  • Das Elend nimmt kein Ende: Rauch und Trümmer in Khan Junis am Fr...
    19.08.2024

    Vermittlung oder Diktat?

    Gazaverhandlungen in Doha: Biden verbreitet Optimismus, Hamas weist das zurück. Auch Iran warnt vor Betrug

Mehr aus: Ausland