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Aus: Ausgabe vom 16.09.2025, Seite 6 / Ausland
USA

Spekulationen um Spekulationen

USA: Nach der Festnahme eines Tatverdächtigen im Fall Charlie Kirk florieren Mutmaßungen
Von Lars Pieck
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Sogar der US-Republikaner Ted Cruz sah sich am Sonntag zum Putzen gezwungen (Houston)

Die Wellen schlagen weiter hoch nach der Erschießung des rechten Aktivisten Charlie Krik. Weniger als 48 Stunden nach dem Attentat auf den rechten Aktivisten war der 22jährige tatverdächtige Tyler James R. nach Hinweisen aus seiner Familie festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft bereitet nun eine Anklage vor, die am Dienstag formell erhoben werden soll. Bei der Bekanntgabe der Verhaftung durch den Gouverneur von Utah, Spencer Cox, sagte dieser, R. habe viel Zeit in den »dunklen Ecken des Internets« verbracht. Die Ermittler seien noch dabei, Informationen über den Verdächtigen zusammenzutragen, und könnten keine Aussagen zu einem möglichen Motiv machen. Cox legte jedoch nahe, dass R., der bis Montag noch nicht mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert hat, Kirk nicht mochte und möglicherweise online »radikalisiert« worden sei.

Wie viele rechte Influencer hatte der Republikaner Cox während der Fahndung gehofft, es handle sich bei dem Täter um einen Ausländer. »33 Stunden lang habe ich gebetet, dass, wenn dies hier passieren musste, es nicht einer von uns sein möge, dass jemand aus einem anderen Bundesstaat hergefahren sei, jemand aus einem anderen Land gekommen sei. Leider wurde dieses Gebet nicht so erhört, wie ich es mir erhofft hatte. Aber es ist hier passiert, und es war einer von uns«, so Cox am Freitag. Am selben Tag hatte sich auch US-Präsident Donald Trump zu Wort gemeldet und die Todesstrafe für den Attentäter gefordert.

Der Tatverdächtige R. ist Student im dritten Jahr des Ausbildungsprogramms für Elektrotechnik am Dixie Technical College in Utah. Aufgewachsen ist er im Südwesten des Bundesstaats, wo er früh im Leben Kontakt zu Schusswaffen hatte und einer Mormonenkirche beigetreten sein soll. Wie Berichten zufolge aus staatlichen Unterlagen hervorgeht, ist R. zwar als Wähler registriert, jedoch nicht Mitglied einer politischen Partei und wird zudem als inaktiv geführt. Das bedeutet, dass er an den vergangenen beiden Wahlen nicht teilgenommen hat. Seine Eltern hingegen sind republikanische Parteimitglieder.

Familie und Freunde beschreiben die politische Einstellung der vergangenen Jahre des Tatverdächtigen als »linksgerichtet«. In den Medien kursieren weiterhin zahlreiche Spekulationen über die ideologische Ausrichtung des Beschuldigten. So wird berichtet, er sei ein »protrans Antifaschist«. Einige Mutmaßungen stellten seine Mitbewohnerin, eine trans Frau, in den Zusammenhang und suggerierten, sie könnte für seine Entscheidung, das Attentat zu verüben, verantwortlich gewesen sein. Laut Medienberichten hatte diese jedoch keinerlei Vorwissen über die Tat und kooperiert mit den Behörden. Am Tatort gefundene Patronenhülsen enthalten eingeritzte Botschaften, darunter Anspielungen auf Internetwitze, Videospiele und antifaschistische Lieder. Eine Patrone trug den Schriftzug »Notices bulge, OwO what’s this?«, ein Verweis auf die Furry-Subkultur (ein Rollenspiel mit Tierverkleidung). Andere Gravuren spielten auf das Computerspiel »Helldivers 2« und das Lied »Bella Ciao« an.

Auch Fotos und Kostüme aus R.s Jugend heizen die Interpretationen an. Diese zeigen ihn verkleidet als Donald Trump oder als Meme-Figur Pepe, was den Verdacht auf einen starken Einfluss der Internetkultur erhärtet. Es wird zudem spekuliert, ob R. Verbindungen zu extrem rechten Gruppen wie den »Groypern« hatte, die Kirk jahrelang online angegriffen haben. »Groyper« sind der Meinung, dass Kirk ein Verräter sei, der eine viel extremere Version des Trumpismus verhindert habe. Seit Jahren führen sie sogenannte Groyper Wars durch, indem sie an Kirks Veranstaltungen teilnehmen und versuchen, diese zu stören.

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