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Aus: Ausgabe vom 04.09.2025, Seite 5 / Inland
Erneuerbare Energien

Zwei Solarbetriebe dicht gemacht

In Sachsen und Sachsen-Anhalt haben fast 500 Beschäftigte ihren Job verloren
Von Gudrun Giese
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Einst vielversprechende Zukunftsindustrie, jetzt Geschichte: Meyer-Burger-Werk in Freiberg (5.4.2024)

Pleiten und kein Ende: Diesmal traf es zwei ostdeutsche Standorte des Schweizer Solarunternehmens Meyer Burger. Seit dem 1. September wird in den Werken im sachsen-anhaltischen Wolfen-Thalheim und im sächsischen Hohenstein-Ernstthal nicht mehr produziert. Die meisten der rund 540 Beschäftigten haben ihren Job verloren.

Ende August ist die dreimonatige Zahlung des Insolvenzgeldes durch die Bundesanstalt für Arbeit ausgelaufen. Die Suche nach Investoren habe »bisher zu keinem Ergebnis geführt«, hieß es am Dienstag laut MDR aus der für die Abwicklung zuständigen Kanzlei für Insolvenzrecht Flöther & Wissing. Nahezu 500 Beschäftigte hätten zum 1. September keine Arbeit mehr; lediglich ein kleines Team kümmere sich um die Abwicklung der Betriebe. Die Insolvenzverwalter sollen zwar noch Gespräche mit potentiellen Investoren führen, der Ausgang sei allerdings völlig offen. Neue Geldgeber wären erwünscht, seien aber nicht in Sicht, da sich die Solarbranche in ganz Europa in einer schwierigen Lage befinde. Schon Anfang Juni hatte das Wirtschaftsministerium in Sachsen-Anhalt mitgeteilt, dass die Schließung des Betriebes in Wolfen-Thalheim nicht mehr abzuwenden sei. Seit Mai waren die Beschäftigten in Kurzarbeit.

Hart ins Gericht mit der Politik ging die IG Metall. Das Aus von Meyer Burger in Wolfen-Thalheim stehe für weit mehr als die Krise eines Einzelunternehmens, erklärte Thorsten Gröger, Bezirksleiter der Gewerkschaft für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Sie sei das sichtbare Symptom einer Industriepolitik, die zu lange von Zögern, Flickwerk und Abwarten in der Landeshauptstadt Magdeburg ebenso wie in Berlin und Brüssel geprägt gewesen sei. Nur Industrie garantiere Wohlstand und Zukunft. Während noch vor wenigen Jahren die deutsche Solarindustrie in den ostdeutschen Bundesländern für wichtige Impulse der Energiewende gestanden hätte, sei mittlerweile kaum noch etwas davon übrig. Über 90 Prozent der Solarmodule stammten aus China. »Es geht um die Frage, ob Deutschland und Europa noch selbst Akteure der Energiewende sind oder ob wir nur noch Konsumenten fremder Technologien bleiben«, so Gröger. Dabei seien deutsche Unternehmen Pioniere der Photovoltaikbranche gewesen. »Wir haben diese Position durch Managementfehler, politische Versäumnisse und globales Dumping verloren.« Das sei industriepolitisches Versagen.

Für Sachsen-Anhalt und Sachsen stellte die Solarindustrie nach dem Aus für die Braunkohle und die Chemiestandorte ein Zukunftsversprechen dar. Die Landesregierungen steckten eine Menge Fördergeld in die innovative Branche, das sie vermutlich zum großen Teil abschreiben können. Besonders hart treffe es die Beschäftigten, die auch bei Meyer Burger viel auf sich genommen hätten, so Almut Kapper-Leibe, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Halle-Dessau. Trotzdem stünden sie nun mit leeren Händen da. »Das ist nicht nur ein ökonomisches Desaster, es ist ein Schlag ins Gesicht dieser Region.« Nötig sei nun eine zukunftsfeste Industriepolitik, forderte Bezirksleiter Gröger. Bisher habe es zuviel Stückwerk gegeben. »Wer eine Schlüsselbranche politisch allein lässt, darf sich nicht wundern, wenn sie verschwindet.« Umsteuern sei überfällig – nicht nur in der Landes-, sondern ebenso in der Bundesregierung. Es sei die Stunde, Industrie zu sichern, nicht sie abzuwickeln. Der Weckruf scheint ein wenig spät zu kommen.

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