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Aus: Ausgabe vom 01.09.2025, Seite 6 / Ausland
Venezuela

Trotz US-Drohkulisse

Venezuela: Miliz hat großen Zulauf. Symbolischer Schulterschluss zwischen Caracas und Bogotá
Von Julieta Daza, Caracas
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Die gute Laune lassen sich viele Venezolaner nicht verderben (Caracas, 30.8.2025)

Die Verlegung von US-Kriegsschiffen in die Karibik hält Venezuela weiter in Atem. Am Sonnabend (Ortszeit) haben sich erneut viele Menschen bei der nationalen Miliz des südamerikanischen Landes gemeldet. Laut dem Internetportal des lateinamerikanischen Nachrichtensenders Telesur hat die Regierung landesweit über 1.000 Meldestellen auf öffentlichen Plätzen, in Gemeinderäumen und Militärstationen eingerichtet, damit sich die Bevölkerung dort der den venezolanischen Streitkräften angehörenden zivilen Hilfseinheit anschließen kann. Dies gilt als eine vor allem symbolische Unterstützung für die 4,5 Millionen Milizionäre, die die Regierung seit Mitte August landesweit mobilisiert hat, um das Land angesichts der US-imperialistischen Bedrohung verteidigen zu können.

Im Gespräch mit jW zeigte sich auch der venezolanische Soziologe und Basisaktivist beim Aufbau der Kommunen (Gemeinden, in denen die »Volksmacht« ausgeübt wird) Aníbal Espejo, überzeugt, dass sich die Freiwilligen mit Freude und aus Überzeugung der bolivarischen Miliz anschlössen. Ihnen sei bewusst, dass sie sich »gegen die Invasionsabsichten der nordamerikanischen und europäischen Eliten und ihrer Militärindustrie zu wehren« hätten. Damit verteidigten sie einerseits die Menschenrechte und Selbstbestimmung: »Was die Menschenrechte angeht, ist ja bekannt, dass Großmächte, wenn sie in ein Land einmarschieren, die Bevölkerung vernichten. Eines der grausamsten Beispiele dafür ist Libyen. Außerdem sind wir dazu entschlossen, unser Schicksal selbst zu bestimmen. Wir werden nicht zulassen, dass uns irgendeine Großmacht etwas aufzwingt«, so Espejo. Andererseits verteidigten sie damit das Recht auf »wirtschaftlichen Wohlstand«. »Obwohl wir seit mehr als zwölf Jahren einer kriminellen und unmenschlichen Wirtschafts- und Finanzblockade ausgesetzt sind, sind wir in den vergangenen acht Jahren wirtschaftlich gewachsen, sogar laut Zahlen der Weltbank. So hat sich unsere Wirtschaft nach und nach erholt«, zeigte sich Espejo überzeugt.

Zum angeblichen Ziel des US-Militäreinsatzes, den »Drogenhandel in der Karibik« zu bekämpfen, erklärte Espejo, das »wahre Drogenkartell« seien die »nordamerikanischen und europäischen Eliten mit ihren verschiedenen Behörden wie der DEA (US-Strafverfolgungsbehörde für Drogendelikte, jW) oder die CIA«. Tatsächlich ist Venezuela laut dem diesjährigen Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) kein nennenswerter Produzent von Kokablättern oder Kokain. Selbst hinsichtlich der Drogenhandelsrouten sticht Venezuela nicht als wichtiges Transitland hervor. Aufgrund dessen scheinen die Vorwürfe des Weißen Hauses, der venezolanische Präsident Nicolás Maduro sei der Boss eines mächtigen Drogenkartells, aus der Luft gegriffen.

Das betonte auch der venezolanische Intellektuelle Luis Britto García in einem am Sonnabend erschienenen Artikel bei Redradiove. Darin schreibt Britto, dass die USA, wenn sie wirklich gegen Drogen vorgehen wollten, das auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet tun müssten, schließlich handelt es sich um eines der Länder mit dem höchsten Kokainkonsum weltweit. Er stellte zudem das Ausmaß des US-Militäreinsatzes in Frage. Es gebe viele »Fake News«, mit dem Ziel, Venezuela einzuschüchtern. Dabei spielten internationale Nachrichtenagenturen wie Reuters eine wichtige Rolle, so Britto.

Neben dem Einsatz der Milizionäre hat Maduro in den vergangenen Tagen auch eine Verstärkung der Militärpräsenz an der Grenze zum Nachbarland Kolumbien angeordnet. In der wöchentlichen Fernsehsendung des Staatschefs erklärte Verteidigungsminister Vladimir Padrino, man werde etwa 15.000 Angehörige der Sicherheitskräfte an die Grenze verlegen, konkret an Grenzgebiete der »estados« Táchira und Zulia. Mitte der Woche hatte auch der kolumbianische Staatschef Gustavo Petro angekündigt, er habe die Versetzung von 25.000 Soldaten an die Grenzregion El Catatumbo zu Venezuela angeordnet.

Laut Maduro dürfe Venezuela angesichts der militärischen US-Drohungen an dieser »komplizierten« Grenze zu Kolumbien »nicht nachlässig werden«. Man unterstütze durch die Militärverlegung außerdem den Aufbau der »binationalen Zone des Friedens und der wirtschaftlichen Entwicklung«, die Ende Juli zwischen der kolumbianischen und der venezolanischen Regierung beschlossen worden war. Petro äußerte seinerseits am vergangenen Montag auf X, dass es nur durch die »Koordinierung« zwischen beiden Staaten gelingen werde, »die Kräfte der Mafia so weit wie möglich zu schwächen«. »Die Probleme der lateinamerikanischen und karibischen Leute lösen wir lateinamerikanische und karibische Leute« schrieb er wenige Tage später ebenfalls auf X.

Die Zusammenarbeit der beiden Staaten ist ein wichtiges Zeichen, da Kolumbien unter vorherigen rechten Regierungen regionaler Vorreiter bei vom US-Imperialismus geführten diplomatischen und militärischen Feindseligkeiten gegen Venezuela war. Gleichzeitig ist der venezolanischen Führung bewusst, dass es trotz der antiimperialistischen Äußerungen Petros noch immer eine große US-Militärpräsenz in Kolumbien gibt, des weiterhin einzigen »Global Partners« der NATO in Lateinamerika.

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