Wut gegen Prabowo-Regierung
Von Thomas Berger
Der Zorn der Menschen in Indonesien ist groß: Im Zuge der jüngsten landesweiten Proteste sind bis Sonntag mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen und Dutzende weitere verletzt worden. In der Nacht zum Sonntag wurde das Haus von Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati von Demonstranten geplündert. Am Sonnabend waren in der Stadt Makassar im Osten des Landes das Rathaus sowie das Regionalparlament gestürmt und die Gebäude in Brand gesetzt worden. Dabei wurden drei Angestellte getötet. Auch Justizgebäude sowie Polizeiposten wurden angezündet. Ein weiterer Mensch kam laut indonesischen Medienberichten bei einer Schlägerei am Rande einer Demonstration ums Leben. Grund für die Eskalation der Proteste ist der Tod eines Ojekfahrers. Er war am Donnerstag bei Protesten vor dem Parlamentskomplex in der Hauptstadt Jakarta von einem gepanzerten Fahrzeug einer Spezialeinheit der Polizei überrollt worden. Das Polizeifahrzeug soll, nachdem es den jungen Mann überfahren hatte, nicht einmal angehalten haben. Ojeks sind die in Indonesien weitverbreiteten Motorradtaxis.
Dass sogar die Transjakarta-Busgesellschaft, die in der Zwölf-Millionen-Metropole ein Schnellbusnetz betreibt, am Freitag vorläufig den Betrieb einstellte und auch am Sonnabend noch keine Busse wieder auf die Straße schickte, spricht für den Ernst der Lage. Auch Militäreinheiten und zusätzliche Polizeikräfte aus anderen Provinzen waren zur Unterstützung nach Jakarta beordert worden. Wie die Nachrichtenagentur Antara meldete, waren am Wochenende sogar bewaffnete Soldaten auf Patrouille im Ankunfts- und Abflugbereich des Soekarno Hatta International Airport zu sehen – ein ungewöhnliches Bild. Insgesamt über 300 zusätzliche Einsatzkräfte habe man dort in Dienst gestellt.
Bereits seit Monaten gibt es in Indonesien immer wieder große Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Prabowo Subianto, etwa wegen Korruption, der Verschärfung eines Militärgesetzes oder der Kürzungspolitik. Erhöhte Zulagen für Abgeordnete bei gleichzeitig niedrigen Löhnen der Bevölkerung hatten die jüngste Protestwelle ausgelöst. Als Reaktion auf die Unruhen gab Subianto am Wochenende bekannt, nicht als Ehrengast an den Feierlichkeiten zum 80jährigen Bestehen der Volksrepublik China am 3. September teilzunehmen. Zudem sollen die Vergünstigungen für Parlamentarier wieder gestrichen werden, sagte er in einer Ansprache am Sonntag. Die Bevölkerung rief er zur Ruhe auf und warf den Demonstranten vor, ihre Handlungen tendierten »in Richtung Verrat und Terrorismus«.
Staatliche Behörden versicherten, dass der Todesfall des Ojekfahrers umfassend aufgeklärt werden solle. Sieben Beamte der mobilen Einsatzgruppe der Polizei (Brimob), die für ihr hartes Vorgehen berüchtigt ist, seien bereits vernommen worden. Die Regierung werde die Eltern und Geschwister des Toten finanziell unterstützen, kündigte auch der Präsident an. Doch der nationale Polizeichef Lystio Sigit Prabowo sowie Armeechef Agus Subiyanto haben bereits gedroht, jeder weiteren Eskalation von Protesten mit aller Macht zu begegnen. Man werde keine Anarchie dulden, hieß es von seiten des Duos.
Prabowo hatte sein Amt im vergangenen Oktober angetreten. Seither hat der Exgeneral und frühere Schwiegersohn des 1998 zum Abtreten gezwungenen Diktators Mohamed Suharto, unter dem er Menschenrechtsverbrechen gegen Oppositionelle verübt haben soll, staatliche Mittel für das Gesundheits- und Bildungswesen sowie für öffentliche Bauvorhaben gekürzt. Gigantische Investitionen in Infrastrukturprojekte, die unter seinem Amtsvorgänger Joko Widodo eingeleitet wurden, will er hingegen fortsetzen. Im März wurde außerdem ein Militärgesetz verschärft, das der Armee weitreichende Befugnisse einräumt. Seitdem können Angehörige der Streitkräfte parallel zivile Ämter in 14 statt zuvor zehn staatlichen Einrichtungen bekleiden. Zudem dürfen Militärs Land kaufen, sich in der Privatwirtschaft engagieren und sich an Infrastruktur- oder Sozialprojekten beteiligen.
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