Roda Roda, Heise, Heinrich, Antoni
Von Jegor Jublimov
»Einmal sollte man nur so zur Probe leben dürfen: und dann noch einmal richtig« lautet eines der vielen Bonmots des Humoristen Alexander Roda Roda, dessen »Probeleben« am 20. August 1945 im New Yorker Exil endete. Geboren 1872 in Mähren als Alexander Rosenfeld in einer Familie, die den Namen »Roda« (serbokroatisch Storch) für sich wählte, begann früh zu schreiben und brachte es im k.u.k.-Militär dennoch zum Oberstleutnant. Das Spötteln konnte er nicht lassen und wurde 1901 in die Reserve versetzt, nachdem ein Jahr zuvor seine ersten Satiren im Simplicissimus erschienen waren. Immer wieder bespöttelte er das Militär, so in der Komödie »Der Feldherrnhügel«, die zwischen 1926 und 1970 fünfmal (anfangs mit ihm in der Hauptrolle) verfilmt wurde. Als der Journalist Carl von Ossietzky von der reaktionären preußischen Justiz 1932 zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, begleitete ihn Roda Roda, der da bereits gegen Hitler publiziert hatte, gemeinsam mit Gesinnungsgenossen ins Gefängnis. Kurz darauf musste er ins Exil gehen: erst Graz, dann die Schweiz, bis er in die USA emigrieren konnte. Seine Schwester und andere Familienmitglieder wurden von den Nazis ermordet.
Eine mehr als 20minütige Filmpassage mit den Namen von Wiener Juden, die nach dem »Anschluss« Österreichs in Lager deportiert wurden, ist ein besonders eindrücklicher Teil in Thomas Heises letztem Film »Heimat ist ein Raum aus Zeit« (2019), in dem der Filmemacher seiner Familiengeschichte nachgeht, die auch in Wien Wurzeln hat. Dem Sohn des DDR-Philosophen Wolfgang Heise wurde es anfangs nicht leichtgemacht. Als er 1980 an der Babelsberger Filmhochschule eine ausführliche Reportage über zwei Berliner jugendliche Kleinkriminelle drehte, wurde ihm vom Dozenten erwidert: »Wozu denn über diese Leute einen Film?« Den Satz wählte Heise als Titel, und diese Provokation wurde mit Aufführungsverbot und Schulverweis erwidert. Zwar konnte er mit Unterstützung von Heiner Carow, Wolfgang Klaue und Gerhard Scheumann weiterarbeiten, aber auch ein Hörfeature über Erwin Geschonnecks Erlebnisse im Konzentrationslager wurde »auf Eis gelegt«, weil darin unbequeme Wahrheiten ausgesprochen wurden. Erst ab 1990 konnte sich Heise als Dokumentarfilmer etablieren, wurde vielfach ausgezeichnet und starb im vergangenen Jahr. Am Freitag wäre er 70 Jahre alt geworden.
Brüche weist auch die Biographie von Jürgen Heinrich auf. Der spätere Defa-Star (»Zum Beispiel Josef«, 1974, »Hostess«, 1976, »Der Scout«, 1983) wuchs in Parchim als Sohn einer CDU-Politikerin auf, die zeitweilig auch der Volkskammer angehörte. Er selbst trat in die SED ein und 1982 wieder aus, weil ihn die sowjetische Besetzung Afghanistans empörte. Er konnte sich im Westen ab 1986 in Krimireihen wie »Tatort«, »Derrick« und »Der Alte« etablieren, ehe ihn Sat.1 zwischen 1992 und 2012 als Hauptfigur für 174 Folgen der Krimireihe »Wolffs Revier« ins Rennen schickte und zum Publikumsliebling machte. Seither ist er weiterhin aktiv und wird am Freitag 80.
So wie Jürgen Heinrich schon mit seiner Tochter Katja vor der Kamera stand, ist auch Carmen-Maja Antoni oft mit Tochter Jennipher aufgetreten – nicht selten auch in der jW-Galerie. Mutter Carmen wird am Sonnabend 80, und die Berlinerin hat sich vom gewitzten Teenager im Kinderfernsehen der DDR zum Charakterstar emporgearbeitet. Weil sie »spitznasig, quirlig, leicht strubbelig« war, wie es Martin Linzer mal beschrieb, hat sie oft grotesk-komische Rollen gespielt, mal Märchen (»Zwerg Nase«, 1978, »Verflixtes Missgeschick«, 1989), mal auch einen Schuss ernsthafter als fast noch junge Großmutter (»Kindheit«, 1987, »Der Laden«, 1998). Tragikomisch war sie in Bernd Böhlichs Filmreihe um Horst Krause als dessen Schwester Elsa. Doch am stärksten wuchs ihre Beziehung zu Brecht-Stücken, schon bei Benno Besson an der Volksbühne in »Der gute Mensch von Sezuan«, dann bei Peter Kupke, der schon in Potsdam mit ihr arbeitete und sie am Berliner Ensemble Puntilas schnippisch-verführerische Tochter Eva spielen ließ. Claus Peymann vertraute ihr die Titelrollen in »Die Mutter« und »Mutter Courage und ihre Kinder« an. Diese Rollen der großen Helene Weigel nachzuspielen war für Antoni eine Herausforderung, die sie meisterte, indem sie auf ihre ganz eigenständige Art vertraute.
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