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Aus: Ausgabe vom 20.08.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Erleuchtet in die Dunkelheit

Die Doku »Soldaten des Lichts« erhellt Geschäftspraktiken vorgeblicher Autonomieapologeten
Von Norman Philippen
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Lieber den Spatz im Kopf als die Taube auf der Schulter

Erwachenden Schlafschafen, die der »BRD GmbH« mental ins »Königreich Deutschland« (KRD) zu entfliehen gedenken, könnte ein VHS-Kurs »Volksweisheiten« vielleicht noch helfen. Das gemeine Volk nämlich, dem sie sich weit vorauswähnen, kollektivierte ehedem zuhauf Wissen, um rabulistischen Rattenfängern wie Mister Raw nicht auf den Leim gehen zu müssen.

Doch wo viele Schafe sind, ist der Wolf nicht weit, weiß auch des Volkes Mund, und so finden sich von ersteren immer welche, die dem Esel glauben, was er sagt, und sich in die »Mister Raw Academy« einschreiben. Die hat David Ekwe-Ebobisse laut mrraw.de in Frankfurt am Main gegründet, weil er es schlimm fand, dass Erwachsene viel seltener lachen als Kinder – »Mister Raws größter Wunsch ist es daher, anderen Freude zu schenken und Ihnen ihr Lachen zurückzugeben«, behauptet Mister Raw.

Dr. Raws Rezepte

Wer’s glaubt, wird nicht selig, leidet eher Seelenpein. So wie der offensichtlich psychisch schwer erkrankte Timo, der in der Dokumentation »Soldaten des Lichts« einer Prozedur (»Entwicklungsgespräch«) unterzogen wird, die dem »Auditing« der Sekte Scientology gleicht. Nur werden hier die »spirituellen Belastungen« (»Engramme«) als »Strahlen« gemessen, die Timos fehlerhafter Fleischkonsum bewirkt haben soll. »Dr.« Raws Rezept sind Hungerkuren, deren letzte des abgemagerten jungen Mannes Überlebenswille zwar vereitelt, doch konnte ihn der Auszug aus dem Rawschen Anwesen zurück zu den verzweifelten Eltern nicht mehr davor bewahren, im Abspann als in Luxemburg verstorben aufgeführt zu werden. Dass Timo vor der Psychotherapie dorthin fliehen wollte, verriet er seinen Eltern noch. Wer ihn wozu dahin verführte, kann nur vermutet werden.

Die Regisseure Julian Vogel und Johannes Büttner kamen indes wegen Mister Raws Geschäftspraktiken respektive Timos Vita vom geplanten Weg der reinen Beobachtung ab. Wegen der einstigen Schulkameradschaft zwischen Büttner und Ekwe-Ebobisse konnte die Filmcrew dem nun göttlichen David – der die Dokumentation bemerkenswerterweise mag – überhaupt so auf die Pelle rücken. Büttner hatte ihn – »Auf den Klassenfotos meiner Grundschule erkennt man David sofort, das einzige schwarze Kind. Er war der Anführer unserer Gruppe: charismatisch, fair, aber stets darauf bedacht, seine Interessen durchzusetzen« – »im Zuge der Auseinandersetzung mit neuen Protestbewegungen, gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie« als umtriebigen »roh-veganen Influencer« per Social Media wiedergefunden. Ein ambivalentes Wiedersehen: »Auf der einen Seite zeigte er sich wieder als fürsorglicher Anführer, der sein Haus und Herz für Ausgestoßene öffnet. Auf der anderen Seite verbreitet er menschenverachtende Verschwörungserzählungen, behandelt schwerkranke Menschen mit pseudowissenschaftlichen Methoden und schafft Abhängigkeitsverhältnisse, die wir als ausbeuterisch wahrnehmen.«

Vom Mister selbst vertrieben

Bei Julian Vogel wuchs, »je weiter der Film fortschritt (…), die Erkenntnis, dass es nicht nur darum geht, Ideologien zu entlarven«. Sondern »immer auch darum, Empathie zu entwickeln – auch für die, die in diese Welt hineingezogen wurden«. Durch Timo und Familie sei ihm klargeworden, »dass die reine distanzierte Beobachtung ab irgendeinem Punkt nicht mehr richtig war«. So haben die Filmemacher »im Schnitt (…) versucht, auch den Emotionen, die Timos Weg bei uns auslöste, gerecht zu werden«.

Tatsächlich macht betroffen, wie Timo in die Fänge des Mister-Raw-Gesundungsapparats gerät, der von Egoesoterik über Flachweltwichse, Q-Anon-/Adrenochrom-/Kinderkiller-Jüdische-Weltverschwörungs-Irrsinn zur Reichsbürgerei bis hin zur von ihm formulierten »Weltgesundungsformel« alles an verfügbar verführbar Irrationalem abdeckt und nicht einmal vor Krebsbehandlungen via Nahrungsergänzungsmittel zurückschreckt, natürlich vom Mister selbst vertrieben.

Bekanntlich ist Betrug der Krämer Acker und Pflug, will als Handwerk also gelernt sein. So lernte Deus David – der seine Gebete mit »Hiermit verfüge ich Kraft meiner Göttlichkeit« beginnt – selbst von den Besten im Bullshit-Business. So vom prominenten Reichsbürger/der königlichen Hoheit des Königreichs Deutschland, Peter »Peter I.« Fitzek, der im Film zwischen Realität A und B unterscheidet und erklärt: »Machst du halt Kraft deines Geistes Realitätswechsel. (…) Und solche Fähigkeiten habe ich halt, aber ich häng’ die nicht groß an die Glocke.«

Dummheit und Stolz

Dieses Kalibers ist der Wahnsinn jener der am – von mir soeben erfundenen – Erich-von-Däniken-Syndrom leidenden Irrsinnsapologeten, die ihre Lehren irgendwann selbst glauben. Wo­rauf sich volksweise entspannt mit »Jedem Narren gefällt seine Kappe« oder »Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz« antworten ließe. Sollten jene, die sich wie die Lämmer selbst zur Schlachtbank führen, nicht wissen, dass einen langen Löffel braucht, wer mit dem Teufel essen will? Dumm ist doch, wer Dummen folgt.

Wer aber auch schon Untermieter eines netten jungen Mannes war, der sich nach Einzug als ein »Truther« entpuppt, schlaflos wie vielstimmig im Zimmer nebenan IS-Köpfungs­videos sieht, wenn er nicht gerade sein Geld zum Schamanen trägt, der ihn dafür zum Bären ausbildet, hat vielleicht den empathischen Blick auf die Leichtgläubigen, die die gut geführte Kamera der Doku in eine gerechtere als bloß hämisch selbstgerechte Ausleuchtung bringt. Und in der Sache nicht jenen Verführbaren den Schwarzen Peter zuweist, die sich, wie Timo, in schweren Krisen allzu leicht auf montäglichen Spaziergängen einfangen lassen. Der gehört, das hängt die gute Dokumentation bestens an die große Glocke, in allen möglichen Realitäten realiter Figuren wie Fitzek und Mister Raw.

»Soldaten des Lichts«, Regie: Julian Vogel, Johannes Büttner, Deutschland 2025, 108 Min., bereits angelaufen

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