Der smarte Berufsrebell
Von Marc Hairapetian
All diejenigen, die Terence Stamp posthum vorrangig als größenwahnsinnigen General Zod, Supermans Gegenspieler in Richard Donners »Superman« von 1978, oder als Finis Valorum, den letzten Kanzler der Galaktischen Republik in »Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung« (1999) würdigen, haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn der am 22. Juli 1938 im Londoner East End im Stadtteil Stepney geborene Charakterdarsteller hasste diese Filme. Das sagte er mir im Jahr 2009 bei einem Interview im Berliner Hotel de Rome anlässlich der Deutschlandpremiere des von Tom Cruise produzierten Stauffenberg-Epos »Operation Walküre«, wo er Generaloberst Ludwig Beck verkörperte: »Ich tat es nur wegen meiner leeren Geldbörse. Ansonsten kümmert mich das ›Star Wars‹-Universum herzlich wenig. Mich interessiert der wirkliche Kosmos.«
Der blendend aussehende Berufsrebell war bereits in den Swinging Sixties smarter Star und selbstkritisches Sexsymbol zugleich. 1962 sorgte er in Peter Ustinovs Film »Die Verdammten der Meere«, der auf Herman Melvilles letztem Prosawerk »Billy Budd, Sailor« basiert, für Furore: »Ein Friedensengel, der zum Galgen geführt wird!« erinnerte er sich. »Durch diesen Film wandelte ich mich vom Lausebengel zu einem hart arbeitenden und mit dem Golden Globe ausgezeichneten sowie für den Oscar nominierten Schauspieler.« Fortan drehte er mit großen Regisseuren wie William Wyler (»Der Fänger«, 1965), Federico Fellini (»Außergewöhnliche Geschichten: Toby Dammit«, 1968), Pier Paolo Pasolini (»Teorema – Geometrie der Liebe«, 1968) oder John Schlesinger (an der Seite von Julie Christie in der Thomas-Hardy-Adaption »Die Herrin von Thornhill«, 1967).
Mit der von ihm folgerichtig als »Herrin von Stamp« bezeichneten Kollegin Julie Christie war der Freigeist eine zeitlang liiert. Rückblickend befand der charmante Exzentriker: »Es war eine wilde Zeit im Swinging London: wüste Partys mit Mädchen und so. Doch es gab auch jede Woche ein neues Meisterwerk, ob es von den Beatles oder Stanley Kubrick kam.«
Der Lebemann und Buddhist, was für ihn kein Widerspruch war, erhielt auch im zunehmenden Alter tolle Rollen, wie die einer Drag Queen in der australischen Tragikomödie »Priscilla – Königin der Wüste« (1994). Der Kreis schloss sich schließlich mit Edgar Wrights in den 60ern spielendem Horrorthriller »Last Night in Soho« (2021). Terence Stamp verstarb 87jährig am 17. August.
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