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Aus: Ausgabe vom 30.07.2025, Seite 4 / Inland
Gazakrieg

BRD beteiligt sich an »Farce«

Merz will bei »Luftbrücke« in Gaza mitmachen. NGOs kritisieren »Imagekampagne« und fordern statt dessen Druck auf Israel
Von David Siegmund-Schultze
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Potentiell tödlich: Luftabwürfe von Hilfsgütern auf den verwüsteten Gazastreifen (28.7.2025)

Nachdem die israelische Regierung am Sonnabend mitgeteilt hatte, Hilfsgüter mit Flugzeugen über dem Gazastreifen abwerfen zu wollen, hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) der Initiative angeschlossen. Die BRD wolle sich an der »Luftbrücke« beteiligen, sagte Merz am Montag abend nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts zur Lage in der abgeriegelten Enklave. Das sei zwar nur »eine ganz kleine Hilfe«, aber gleichzeitig »ein wichtiger erster Schritt«, um die Versorgung der Menschen zu verbessern. Zusammen mit Jordanien wolle man die Luftabwürfe organisieren, diese könnten vielleicht schon am Mittwoch beginnen, so Merz nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. im Kanzleramt am Dienstag.

Der im Mai angetretene Kanzler hatte die israelische Kriegführung bereits mehrfach kritisiert, verklausuliert sogar von Völkerrechtsverletzungen gesprochen, doch seinen Worten bisher keine Taten folgen lassen. Die nun angekündigten Aktionen seien »eine Farce«, sagte Riad Othman, Nahostreferent von Medico International, am Dienstag in Berlin bei einer Pressekonferenz zur humanitären Lage in Gaza. Die Abwürfe seien »zu ungenau, zu langsam, lebensgefährlich« und eine entwürdigende Form der Hilfslieferung, weil mit dem Landen der Essenspakete ein Kampf um diese nach dem Prinzip des Stärkeren beginne. Es handele sich um eine »Imagekampagne«, an der sich die BRD nicht beteiligen solle. Statt dessen brauche es eine bedarfsgerechte Versorgung.

Mit einer einzigen Lkw-Ladung könnten Gaza mehr Hilfsgüter erreichen, als durch einen Luftabwurf, so die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow. Auch sie sprach von einer »symbolischen Geste«. Die Bundesregierung müsse tatsächlichen Druck auf die Regierung von Benjamin Netanjahu ausüben, damit sie Hunger nicht mehr als Kriegswaffe einsetzt und ungehindert Lkw in den Küstenstreifen lässt. Etwa, indem sie die noch immer laufenden Rüstungsexporte an Tel Aviv stoppe und das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel aussetze, so Duchrow. Eine Mehrheit der EU-Staaten hatte das jüngst gefordert – die BRD blockierte.

Israelische Regierungsmitglieder hätten seit Beginn des Krieges offen die Absicht erklärt, »Gaza auszuhungern, die Enklave dem Erdboden gleichzumachen und seine Bevölkerung kollektiv zu bestrafen«, so Othman. Angesichts der offensichtlichen Realisierung dieser Absichten sei es unverständlich, dass die Bundesregierung das israelische Handeln sogar direkt unterstützt. Außenminister Johan Wadephul (CDU) hatte etwa vergangene Woche in einem Interview mit der Zeit gesagt, »wir stehen an der Seite Israels«. Und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte bei einem Besuch in Israel Ende Juni, man wolle in »Sicherheitsfragen« noch enger mit dem Land zusammenarbeiten. Den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Iran kommentierte er mit dem Satz: »Israel ist Historisches gelungen.«

Doch die Mehrheit der Deutschen wünscht sich einen Kurswechsel. 74 Prozent sprechen sich laut einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage mittlerweile dafür aus, dass die Bundesregierung mehr Druck auf Tel Aviv ausüben sollte.

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