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Aus: Ausgabe vom 30.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Verlogene Symbolpolitik

Kanzler Merz will Luftbrücke für Gaza
Von Wiebke Diehl
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Kanzler Merz empfängt den jordanischen König Abdullah am Dienstag in Berlin

Friedrich Merz rettet nicht die Menschen in Gaza – er versucht, sich selbst zu retten. Denn selbst unter den Anhängern von CDU/CSU und SPD sprechen sich inzwischen 77 Prozent dafür aus, mehr Druck auf Israel auszuüben. Da braucht der Bundeskanzler dringend einen Schutzschirm, unter dem er sich und seine Komplizenschaft mit dem israelischen Völkermord verstecken kann. Denn nicht nur wirft er mit dem von ihm wie ein Mantra vor sich hergetragenen Kampfbegriff der »Staatsräson« das Völkerrecht auf den Müllhaufen der Geschichte. Berlin hat sich auch geweigert, eine von 29 Staaten verabschiedete Erklärung für ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen zu unterschreiben. Und das EU-Israel-Assozierungsabkommen will man noch nicht einmal überprüfen, obwohl Israel eindeutig gegen dessen Artikel 2 verstößt.

Deutschland, das mit seiner bedingungslosen politischen Schützenhilfe und seinen Rüstungsexporten den israelischen Genozid mit ermöglicht hat, rühmt sich jetzt, gemeinsam mit Jordanien eine Luftbrücke einzurichten. Um die Selbstinszenierung auf dem Rücken der verhungernden Palästinenser perfekt zu machen, empfing Merz am Dienstag noch den jordanischen König in Berlin. Dass Spezialisten zeitgleich die Warnung ausgaben, im Gazastreifen entwickle sich gerade »das schlimmste Szenario einer Hungersnot«, spielte dabei genau so wenig eine Rolle wie die Tatsache, dass Hilfe aus der Luft nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und zudem noch gefährlich ist. Aber wer die verbrecherischen Folgen der willkommenen »Drecksarbeit« von »Partnern« verschleiern muss, kann es da nicht so genau nehmen.

In der CDU, die ihre am Dienstag veröffentlichte Erklärung mit »Wir wollen das Leid beenden – und den Frieden ermöglichen« überschrieb, scheint man nicht nur an Größenwahn zu leiden. Plötzlich wird auch ein umfassender Waffenstillstand gefordert – wobei Merz sich beeilte zu betonen, es sei die Hamas, die dafür »endlich den Weg freimachen« müsse. Denn schließlich sei es »der grausame und unmenschliche Terror der Hamas am 7. Oktober« gewesen, »der die Kämpfe in Gaza ausgelöst hat.« Dass die Vertreibungspläne in Tel Aviv schon viel länger in den Schubladen liegen, kann man als »Staatsräson«-Anhänger vernachlässigen. Gleiches gilt für die jahrzehntealte Politik der Demütigung, Entrechtung, Enteignung, Vertreibung, Zerstörung und Tötung. Und die immer offener artikulierten Pläne zur Schaffung eines »Großisrael«? Sie passen nun mal nicht in die Merzsche Symbolpolitik.

Es ist dringend an der Zeit, dass sich die auch in Deutschland längst existente deutliche Mehrheit, die jede weitere Kooperation mit dem Besatzungs- und Apartheidstaat ablehnt, zu Wort meldet und endlich zu Hunderttausenden auf der Straße geht. Wer »Nie wieder ist jetzt« ernst meint, muss den Druck auf Merz und seine verlogene Regierung umgehend erhöhen. Denn »Nie wieder« gilt auch für Gaza.

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