Baulöwe als Bettvorleger
Von Oliver Rast
Ein Visionär des Städtebaus wollte er sein, ein Großstadtentwickler. Sein Name: Christoph Gröner. Ein Selbstbild, ein Trugbild. Oder: ein Konterfei für ein Fahndungsplakat. Das legt jedenfalls ein Insolvenzgutachten für das Amtsgericht Leipzig vom Mai dieses Jahres zu Gröners Pleiteprojekten nahe, über das Business Insider (BI) am Mittwoch berichtete.
Der Vorwurf des Insolvenzverwalters: Insolvenzverschleppung und Vermögensverschiebungen. So sei etwa die Insolvenzreife der Gröner Group GmbH früher eingetreten, als vom Firmengründer angemeldet. Ein Vorwurf, der auch die Leipziger Staatsanwaltschaft interessieren dürfte, so das Manager-Magazin (MM) in einem Onlinebeitrag am Mittwoch.
Laut Gutachten gebe es ferner Ungereimtheiten bei Unternehmensbilanzen samt Umstrukturierung des verschachtelten Immobilienimperiums Gröners im Sommer 2024. Auffallend seien auch Kontobewegungen. Demnach habe Gröners Firma offenbar seit 2022 mehr als 31 Millionen Euro an die private Vermögensverwaltung der Familie überwiesen. Vielleicht auch verschoben.
Erwartbar: Eine Gröner-Sprecherin sagte auf MM-Anfrage, dass man die Bewertung des Insolvenzverwalters nicht teile: »Nach unserer Einschätzung bestand zu keinem Zeitpunkt eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gröner Group GmbH.« Die Firma habe zudem weder Vermögenswerte verschoben noch unübliche Transaktionen getätigt. Zu weiteren Einzelheiten wolle man sich nicht äußern mit Blick auf das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren.
Der Absturz des einstigen »schillernden Bauherren« hat eine längere Vorgeschichte. Ein Symbol: der Steglitzer Kreisel in Berlin. Eine Dauerbauruine, ein Stahlgerippe Gröners vormaliger CG Group. Und als Gröner im vergangenen Herbst einen Insolvenzantrag gestellt hatte, waren die Krisenzeichen für alle offenkundig. Mitte Dezember dann schlugen Ermittler der Staatsanwaltschaft und der Polizeidirektion Leipzig zu, berichtete das Handelsblatt. Beamte durchsuchten Geschäftsräume und Privatwohnungen. Schon vor mehr als einem halben Jahr hieß es aus Ermittlerkreisen, Gröner werde verdächtigt, seine Insolvenz verschleppt und Arbeitsentgelte veruntreut zu haben. Die Ermittler wollten Unterlagen sicherstellen, die »den Zeitpunkt einer möglichen Zahlungsunfähigkeit bestimmen« könnten.
Wie reagierte der Beschuldigte? Weinerlich: »Aufgrund der dramatischen Entwicklungen am deutschen Immobilienmarkt seit 2021 sah sich die Geschäftsführung gezwungen, mit Geschäftspartnern für bestehende Forderungen Stundungsvereinbarungen zu treffen.« Schuldige hatte der Beschuldigte rasch ausgemacht: Noch im September 2024 sei er fest davon ausgegangen, dass er mit der Vernunft der Investoren und Gläubiger, »aber auch mit dem Verantwortungsbewusstsein von Medien rechnen durfte«, so Gröner. Diese Einschätzung habe sich als falsch erwiesen. Er müsse deshalb seine Aussage »Insolvenz ist für mich keine Option« zurückziehen.
Bemerkenswert: Geld schien bisweilen da zu sein. Etwa für Großspenden an die Hauptstadt-CDU. Vor der Abgeordnetenhauswahl im September 2021 hatte Gröner insgesamt 820.000 Euro in den Spendentopf gesteckt. Wohl in der Erwartung, dass sich die Christdemokraten für ein Ende des damaligen Berliner Mietendeckels einsetzen würden. Was sie ja auch taten.
Zwischenstand der Crimestory: Dubiose Geldflüsse, miese Finanztricks, die Schuldvermutung gegen Gröner erhärtet sich. Oder: Der Baulöwe brüllt nicht mehr – und endet womöglich als Bettvorleger.
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